Falsches Spiel

Beginne am Anfang
                                    

Den Rest der Mahlzeit sprachen sie über leichtere Themen, bei denen Breda sich halbwegs entspannt zurücklehnen konnte.
Er dachte über das eben gehörte nach und bezweifelte, dass bei dieser Heirat emotionale Bindungen eine Rolle spielten. Diese Provinz zählte nicht zu den schönsten Landschaften Transsylvaniens, ebenso wenig zu den bedeutendsten! Sie hatten gerade genug Männer, um sich im Falle von Raubüberfällen zur Wehr zu setzen. Es gab keine besonderen Erzeugnisse. Das einzige, was sie reichlich hatten, waren Schnee, Felsen und Holz. Mit ersteren ließ sich nichts anfangen und Holz gab es wo anders auch.
Was also bewog diese Familie dazu, ihre Tochter in dieses Nest zu verheiraten?
Eines stand für Breda fest:
Die von Brasov spielten ein falsches Spiel!
Es galt nur noch, herauszufinden, welches...

„Nun werden wir uns wohl ins Nebenzimmer begeben. Bei ein paar Gläschen lässt es sich besser reden."
Die Grafenfamilie erhob sich zusammen mit Breda und seinem Vater und zu fünft gingen sie in den kleinen Saal nebenan, in dem die Dienerschaft schon vorsorglich die Kerzen entzündet und einen der besten Weine bereit gestellt hatte. Auf einem Tisch standen ein paar kleine Leckereien, während eine gemütliche antike Sitzgruppe zum Verweilen einlud.
Auf dieser ließen sich die Herrschaften nun auch nieder.
„Nun, ich hoffe, Ihnen hat die bisherige Verpflegung durch mein Personal zugesagt", begann Graf von Krolock.
Von Brasov lächelte leicht und neigte den Kopf leicht zur Seite. „Vielen Dank, das Personal ist wirklich ausgesprochen gut. Sagt, mein Freund, woher stammen diese Leute? Sind es alles Einheimische?"
„Vorwiegend. Abgesehen von ein paar Ausnahmen stammen sie alle hier aus der Gegend. Die meisten Familien dienen schon seit Generationen in diesem Schloss."
„Wie lange ist dieses Schloss nun schon im Besitz Eurer Familie?" beteiligte die Gräfin sich nun am Gespräch.
„Das Schloss wurde im 13. Jahrhundert unter der Aufsicht meines Vorfahren Graf Mical von Krolock erbaut. Er bekam damals den Grafentitel, weil er der Königsfamilie aus einem wirtschaftlichen Engpass herausgeholfen hatte und seitdem war dieses Schloss samt der dazugehörigen Grafschaft immer im Besitz meiner Familie", schloss sich nun auch Breda an dem Gespräch an.
„Nun, durchaus interessant", erwiderte Graf von Brasov. Und mit einem seltsam unheimlichen Unterton fügte er hinzu: „Wir wollen doch hoffen, dass sich das in den nächsten Jahrhunderten nicht ändert. Es wäre bedauerlich, wenn der Besitz an eine niedere Familie übergehen würde."
Die wässrig-blauen Augen bohrten sich in die seinen.
Da erhob sein Vater die Stimme: „Nun, ich bin der festen Überzeugung, dass es noch lange dauern wird, falls dieser Zustand überhaupt eintreten wird. Ich für meinen Teil habe dafür gesorgt, dass die Grafschaft in den Händen unserer Familie bleiben wird und mein Sohn wird ebenfalls dafür Sorge tragen." Er erhob sich von seinem Stuhl.
Breda, der am liebsten einfach nur weit, weit weg gewesen wäre, obwohl er wusste, dass er so viel über diese seltsame Familie in Erfahrung bringen musste wie nur möglich, blieb noch einige Augenblicke stehen, bevor er sich auf einen Sessel setzte, der ein wenig abseits der Gruppe stand. Dort war die Möglichkeit, das Geschehen zu beobachten weitaus größer. Und vor allem hoffte er, dass seine Anwesenheit etwas in den Hintergrund geriet. Leider Gottes, war es nicht mehr als eine Hoffnung...
„Breda, setzt Euch doch etwas näher zu uns. Dort hinten seid Ihr ja vollkommen ausgeschlossen", rief die Gräfin aus.
Breda lächelte ihr zu. „Ich bin ein wenig müde. Außerdem -"
Ein Blick seines Vaters ließ ihn verstummen.
„Wenn er sich dahinten wohler fühlt, so mag er dort bleiben." Sagte Graf von Brasov mit einem Schulterzucken. „Vielleicht komme ich später in den Genuss, ein ausführliches Gespräch mit Eurem Sohn zu führen, Graf von Krolock."
„Lasst Eure Hoffnung nicht übermächtig werden, verehrter Graf", meinte Graf von Krolock lächelnd. „Mein Sohn ist manchmal ein etwas karger Gesprächspartner."
„Was vielleicht daran liegt, dass meine Meinung des Öfteren eine andere ist als die Eure, Vater", warf Breda ein. „Ihr könnt Euch bei der Suche nach Gesprächen ruhig an mich wenden", fügte er an von Brasov gewandt hinzu, dessen Mundwinkel amüsiert zuckten.
„Nun, ich denke, solch ein Gespräch könnte ungemein interessant werden."
Das könnte durchaus sein, dachte Breda. Vielleicht könnte er bei einer Unterhaltung mit Graf von Brasov etwas in Erfahrung bringen.
„Nun, wir können uns bestimmt auch ohne die beiden amüsieren." Lachte die Gräfin und bedeutete Bredas Vater ihr in ein weiteres Nebenzimmer zu folgen. „Lassen wir die beiden bei ihrem Gespräch alleine. Mein Mann wird euren Sohn jetzt wohl mit seinen langweiligen Themen bedrängen."
Graf von Krolock sah seinen Sohn kurz mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck an, dann folgte er der Gräfin, die ihm grazil die Hand auf den Arm legte.
Anička sah ihn mit einem seltsamen, triumphierenden Lächeln an, bei dem Breda ganz anders wurde. Er hoffte sehr, dass er diese Hochzeit würde verhindern können.

Breda wandte sich Graf von Brasov zu, der sich in einem gegenüberliegenden Sessel niedergelassen hatte.
„Ward Ihr früher schon mal hier in der Gegend?" fragte Breda höflich.
Von Brasov lächelte fahl. „Das kann man so sagen. Ich habe schon vor Jahren eine gewisse Liebe zu diesem Land entwickelt. Auf einer meiner Reisen bin ich hier in der Nähe gewesen. Die Menschen hier sind etwas... Kostbares."
„Vorallem sind sie abergläubig", fügte Breda beiläufig hinzu. „Der Glaube an die rumänischen Mythen und Traditionen ist in keinem anderen Teil des Landes so ausgeprägt."
„Ist das so?" Von Brasov richtete sich leicht auf.
Wenn Breda es richtig erkannte, so beunruhigte den Grafen das Gespräch über den Aberglauben des Volkes. Eine eigenartige Reaktion, die er sich wahrscheinlich eingebildet hatte.
„Besonders die Wölfe, die hier als Synonym für eine blutsaugende Kreatur gelten, sind sehr gefürchtet." Sprach Breda weiter. „Aber ich denke, jede Region hat wohl ihre eigenen, kleinen, spezifischen Merkmale."
„Das lässt sich nicht leugnen", stimmte der Graf ihm zu. „Ich sehe, Ihr wisst gut über Eure Grafschaft Bescheid."
„Sollte man das nicht als Herrscher?"
Graf von Brasov neigte zustimmend den Kopf. Doch etwas in seinem Blick, ließ den jungen Grafensohn aufmerken. „Ich sehe, ich bekomme einen recht passablen Schwiegersohn." Lächelte Graf von Brasov.
Die Art und Weise, wie er das Wort „Schwiegersohn" aussprach, jagte Breda einen Schauer über den Rücken.

"Wenn Ihr mich entschuldigt, ich würde mich gerne zu Bett begeben, da für den morgigen Tag viel ansteht." bat Breda nach einiger Zeit, in der er einfach nichts in Erfahrung bringen konnte. Das Gespräch drehte sich um Politik, Wirtschaft und andere unverfängliche Themen.
"Natürlich. Wir werden demnächst wohl mehr Zeit für solch interessante Gespräche haben."
"Ich muss einige Erkundigungen einholen, die von höchster Dringlichkeit sind", antwortete Breda mit Bedacht. „Ich denke nicht, dass ich diese Zeit in den nächsten Tagen entbehren kann."
Und es stimmte sogar! Morgen wollte Breda sich bei der Dienerschaft umhören. Irgendwer müsste doch etwas wissen. Weiterhin würde er einen wahrscheinlich vergeblichen Versuch starten, seinen Vater auf das falsche Verhalten der Familie hinzuweisen.
Bei diesem Vorhaben konnte erholsamer Schlaf nicht schaden, befand der junge Mann.
„Keine Sorge, junger Herr", Von Brasov stand auf und musterte ihn kühl. „Bald werden wir alle Zeit der Welt haben."

Immer Wenn Ich Nach Dem Leben Griff...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt