Einladung Zum Ball

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Breda saß in der Schlossbibliothek und las.
Allerdings konnte er sich nicht wirklich auf das vor ihm liegende Buch konzentrieren, da er immer Nadjas Gesicht vor sich sah. Verträumt blickte er aus dem Fenster.
Das Sonnenlicht fiel durch die großen Glasscheiben und malte Muster auf den Boden.
Plötzlich knallte etwas und Breda schreckte auf. Er legte das Buch beiseite und stand auf.
Sein Vater kam mit auf ihn zu. Sein Gesicht war ausdruckslos.
„Guten Morgen, Sohn."
„Guten Morgen, Vater."
„Wie wäre es, wenn wir jetzt einen kleinen Spaziergang machen? Nur Vater und Sohn?" fragte Graf von Krolock.
Breda musterte seinen Vater. Die ungewohnte Freundlichkeit seines Vaters ließ ihn misstrauisch werden. Was wollte er?
Leider konnte er es sich nur zu gut vorstellen...
„Ich würde mich darüber sehr freuen, Vater." Log er und rang sich ein Lächeln ab.
Sein Vater wandte sich wortlos um und Breda folgte ihm.
Zusammen gingen sie in den Schlosshof hinunter und durch das Tor hinaus.
„Wie ist es dir in den letzten Wochen ergangen?" erkundigte sich der Graf.
Breda bezweifelte, dass es seinen Vater wirklich interessiert, wie es ihm ging. Er wollte auf etwas Bestimmtes hinaus. Breda wusste auch worauf. Aber solange der Graf es nicht sagte, würde auch ihm kein Wort über Nadja entschlüpfen.
„Es lief soweit gut. Bis auf die Tatsache, dass ein paar der Pferde an Mauke erkrankt sind. Aber wir konnten den Schaden soweit es ging begrenzen."
Sein Vater blickte gelangweilt zum Wald. Breda redete stur weiter, alleine schon um ihn ein bisschen zu provozieren. Zwar war dies meist wenig ratsam, da Graf von Krolock leicht zu Wutausbrüchen neigte, aber Breda konnte gerade nicht anders. Er wollte seinen Vater aus der Reserve locken.
Was ihm auch gelang.
Nachdem er ihm geschildert hatte, dass die Wachen an der südlichen und an der westlichen Mauer verstärkt werden müssten, da immer mehr Gerüchte über Banditen aufkamen, unterbrach sein Vater ihn harsch.
„Wer ist die junge Frau, mit der du dich in letzter Zeit so häufig triffst?"
Die vorgetäuschte Freundlichkeit war der typischen Arroganz und Überheblichkeit gewichen.
Breda dachte darüber nach, ob er einfach einen anderen Namen nennen sollte. Aber diese Idee verwarf er sogleich wieder, da der Graf es wahrscheinlich ohnehin schon wusste. Seine Informanten waren sehr tüchtig, wenn es darum ging, den Sohn des Grafen zu bespitzeln. Auch wenn sein Vater es gerne anders nannte. Verdecktes Ermitteln.
„Nadja?" fragte er unschuldig nach.
„Treib deine Spielchen mit jemand anderem und nicht mit mir!"Der Graf war stehen geblieben und sah ihn mit all seiner Autorität an.
Breda wollte ihm nicht sagen, wie viel ihm Nadja bedeutete. Wenn er das tat, hätte sein Vater jemanden, mit dem er ihn unter Druck setzen konnte.
Wie hatte er das alles satt!
Weil er nicht wusste, was er seinem Vater sonst sagen sollte, schwieg er.
Dieser ließ sich diesmal jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Was Breda noch misstrauischer machte.
„Ich weiß von dem Mädchen und habe jetzt lange genug zugesehen, um zu erkennen, was ihr einander bedeutet."
Breda hatte das Gefühl, dass sein Herzschlag kurz aussetzte. Hatte sein Vater sie auch an dem Nachmittag beobachten lassen?
Natürlich, schalt er sich selbst, wie konnte ich nur so dumm sein?!
„Ich warne dich, Breda. Mach keine Dummheiten!"
„Dummheiten in welchem Sinne, Vater?"
Der Graf sah in finster an.
„Dummheiten, wie zum Beispiel dich zu viel mit diesem Bauernmädchen zu beschäftigen. Das schadet dir nur und dem Mädchen ebenfalls."
„Seit wann interessierst du dich denn für andere?" wagte Breda zu fragen.
„Mein lieber Sohn", entgegnete sein Vater gespielt freundlich. „Ich gebe in Kürze, genauer gesagt nächste Woche, einen Ball, auf den ich die Tochter eines wichtigen Mannes eingeladen habe. Du wirst dich wohl kaum an ihn erinnern, so jung und abgelenkt wie du damals warst. Aber seine Tochter soll ein wunderhübsches, junges Fräulein sein. Weiterhin ist die Familie nicht ohne Einfluss. Als Frau wäre sie für dich ideal."
„Ich soll heiraten?" Breda sah ihn erschrocken an.
Graf von Krolock nickte knapp.
„Und du sollst diese Nadja vergessen. Es würde der angehenden Verbindung nur schaden, wenn jemand davon erfährt."
„Und wenn es mir egal ist, wenn jemand davon erfährt?" brauste Breda auf. „Ich weigere mich einer Heirat zuzustimmen, die nur insoweit interessant ist, als dass sie Euch einen größeren Machtbereich verschafft!"
Sein Vater packte in fest am Arm und riss ihn zu sich herum.
„Pass auf was du sagst, Breda." Zischte er. „ Unfälle passieren immer wieder. Vor allem in Dörfern. Oder im Wald."
Bredas Hass auf seinen Vater wuchs in diesem Moment bis ins Unendliche. Und er fasste einen Entschluss.
„Das werdet Ihr nicht tun, Vater. Nicht, wenn Euch irgendetwas an dieser geplanten Hochzeit gelegen ist."
Der Graf ließ den Arm seines Sohnes los und lachte kalt.
„Ich sehe, wir verstehen uns, mein Sohn."
„So, tun wir das?" meinte Breda kühl. „Ich glaube, Ihr habt nicht ganz erfasst, was ich meinte. Ich werde diese Frau heiraten. Und ich werde Nadja wiedersehen. Egal, was Ihr dagegen unternehmen wollt. Ich bin Ihr zumindest eine Erklärung schuldig. Meint Ihr nicht auch?"
Sein Vater sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an.
„Einverstanden. Am besten wäre, ihr klärt das sobald als möglich. Probleme müssen schließlich beseitigt werden. Nicht wahr, Breda?"
Etwas an seinem Tonfall gefiel Breda ganz und gar nicht. Doch er konnte es nicht benennen.
„Du kannst sie zu dem Ball einladen. Dort könnt ihr alles Weitere besprechen. Bis dahin... Nun, wir werden sehen."
Mit diesen Worten wandte sich der Graf um und ging zurück zum Schloss.
Breda gefiel die ganze Geschichte nicht. Er ahnte, dass sein Vater wieder einen seiner Pläne ausheckte. Und das Nadja mittendrinn stecken würde. Wie all das enden würde, wagte er sich nicht vorzustellen.
Am liebsten wäre er sofort zu ihr geeilt, um ihr alles zu erzählen und mit ihr irgendwo hinzugehen, wo sie aus dem Machtbereich seines Vaters entkommen würden.
Doch dies ging nicht.
Wenn er es Nadja erzählte, wäre sie in noch größerer Gefahr und müsste wahrscheinlich mit dem Leben für seine Dummheit zahlen.
Und einfach fortzureiten würde auch nichts bringen. Sein Vater würde in seiner Wut und Raserei wahrscheinlich auf dem ganzen Kontinent nach ihnen suchen lassen.
Er sah diesmal keine Möglichkeit, sich aus dem Spinnennetz seines Vaters zu befreien.
Die einzige Möglichkeit, damit Nadja heil aus dieser ganzen Sache wieder herauskam, war diese Frau zu heiraten, die sein Vater für ihn auserwählt hatte.
Er dürfte sie niemals wieder sehen. So schwer es ihm auch fiel.
Aber Hauptsache, sie lebte.
Zweimal würde er sie noch sehen.
Heute würde er zu ihr reiten und ihr von der Einladung seines Vaters berichten. Von den zukünftigen Ereignissen wollte er ihr noch nichts erzählen.
Und auf dem Ball würde er ihr erklären, dass er eine andere heiraten würde.
Er sah jetzt schon ihr Gesicht vor sich, wenn er ihr das erzählen würde.
Traurig, verletzt, die großen grünen Augen würden in seinen nach der Wahrheit suchen und sie nicht finden. Hoffte er jedenfalls.
Sie würde ihn schnell vergessen und mit einem anderen glücklich werden. Ihr Leben würde weiter gehen. Normal, ruhig, friedlich, so wie es sein sollte.
Bei dem Gedanken daran, schmerzte das Herz in seiner Brust und zog sich krampfhaft zusammen.
Alles in ihm wehrte sich gegen die Vorstellung, dass seine Nadja einem anderen gehören würde.
Doch es musste sein.
Er würde nicht ihr Leben aufs Spiel setzen.

„Eine Einladung vom Grafen?"
Skeptisch sah Nadja ihn an.
„Auf einen Ball?"
Breda nickte, aber er sah ihr nicht in die Augen. Er hatte Angst, sie würde erkennen, dass etwas nicht stimmte.
„Ich soll dir Vaters Einladung überbringen."
Nadja sah an sich herunter.
„Aber ich hab kein Kleid."
Breda lächelte unwillkürlich.
„Das sollte deine geringste Sorge sein. Du wirst ein Kleid haben."
„Aber ich habe keine anständigen Manieren, um mich in solcher Gesellschaft bewegen zu können." Widersprach sie hektisch.
„Sorge dich nicht, Nadja." Meinte er, fasste ihre Hand und strich ihr zärtlich über die Haut.
Sorgen tat er sich schon für zwei.
„Ich glaube nicht, dass ich das annehmen sollte." Murmelte Nadja.
Breda antwortete nicht. Er war sich sicher, dass Nadja das nicht annehmen sollte. Aber es war ein Befehl gewesen. Und wenn er es nicht tat, würde sein Vater sich darum kümmern, dass Nadja ins Schloss kam.
„Sie werden mich auslachen."
„Werden sie nicht, Nadja. Es wird alles gut."
Das hoffte er zumindest.
Nadja ging zum Fenster und öffnete es.
Draußen wurde es dunkel. Der Mond stand schon am Himmel.
Vollmond.
Mehrere Minuten stand sie so am Fenster. Verloren, ängstlich vor dem, was sie in diesen unbekannten Gefilden erwarten würde.
Er bedrängte sie nicht.
„Du musst gehen", flüsterte sie schließlich. „Ich werde kommen, das verspreche ich dir."
Breda umarmte sie.
Er würde ihr auch so gerne anvertrauen, doch konnte er genau das nicht. Es war eine Last, die er alleine tragen musste.
Für einen Moment lies sie sich in seine Umarmung fallen und Breda genoss diese Nähe, schob für einen kleinen Augenblick die Gedanken an das, was auf die beide zukam, beiseite und küsste sie leidenschaftlich.
Die junge Frau ahnte nicht, dass dies sein Abschiedskuss war.

Immer Wenn Ich Nach Dem Leben Griff...Where stories live. Discover now