Tanzsaal

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Vorab eine kleine Entschuldigung meinerseits. Ich habe diesmal extrem lange gebraucht...
Zuerst hatte ich keine Motivation, es korrekturzulesen. Und dann ist mir meine Prüfungswoche im Weg gewesen. Aber jetzt sind s nur noch drei Vorführungen (Kampf, Gedicht und Gesang) dann sind Feeeeeriiieeen!!!
Das Leben als Schauspielstudentin ist hart XD
Genug gesagt. Sorry, für die Verspätung und viel Spaß mit dem Kapitel ;)

„Euer Vater und die Gäste warten."
Breda nickte dem Bediensteten zu. „Dann werde ich sie nicht länger warten lassen."
Iwan verbeugte sich vor ihm, wobei seine beginnende Halbglatze zum Vorschein kam, und wartete bis der Grafensohn an ihm vorbei durch die Tür gegangen war, um ihm, soweit es ging, unauffällig durch die Flure des Schlosses zu folgen.

Bevor er in den Saal trat, atmete er tief durch und straffte die Schultern. Über sein Gesicht legte er seine, über die Jahre mühsam erarbeitete, Maske, mit der er seine Gefühle vor den anderen verbarg.
Iwan öffnete die Tür.
Der Saal war voller Menschen, die lachten, tanzten und miteinander redeten.
Sein Vater stand in einer Ecke des Saals und redete mit anderen Adligen, die er „Freunde" nannte, obgleich offensichtlich war, dass diese sogenannte Freundschaft nicht besonders tief ging und sich lediglich auf ein paar üble Machenschaften beschränkte.
Graf von Krolock gönnte seinem Sohn nicht mehr als einen kurzen Blick, in dem seine ganze Kälte lag und der Triumph, wieder einmal gesiegt zu haben.
Breda unterdrückte seinen Zorn und seinen Hass auf den Grafen. Versuchte sein Lächeln aufrechtzuerhalten, obwohl er ahnte, dass es wahrscheinlich nicht besonders freundlich, sondern kläglich wirken musste.
In einer anderen Ecke stand Nadja in einem schlicht gehaltenen Kleid.
So wie Breda seinen Vater kannte, war dieses einfache Kleid hauptsächlich dazu gedacht, Nadja auszugrenzen. Denn wer sich dieser Gesellschafft nicht bedingungslos anpasste, hatte kein leichtes Spiel. Selbst, besser gesagt, erstrecht, wenn es um das äußere Erscheinungsbild ging.
Der Graf wollte Nadja zeigen, dass sie zwar heute Abend hier war, jedoch nicht dazu gehörte und nie dazu gehören würde.
Allerdings ließ diese Gewandung Nadja noch mehr strahlen als sonst. Für Breda konnte es keine schönere Frau geben.
Das zarte frische Grün betonte Nadjas Augen, so dass sie noch mehr leuchteten als es sonst der Fall war. Der schmale Schnitt und ihre helle Haut ließen sie fein und zerbrechlich wirken wie Porzellan. Der lange weite Rock umschmeichelte ihre Beine und ihre grazilen Fesseln. Ihre sonst so widerspenstigen Locken waren kunstvoll hochgesteckt, so dass sie ihren ungeschmückten Hals freigaben.
Alles in allem hatte Graf von Krolock Nadjas natürliche Schönheit gewaltig unterschätzt, wenn er sie durch Mangel an Schmuck und Prunk hatte ausgrenzen wollen. Nadja strahlte wie ein Stern am fernen Horizont. Keiner konnte sich ihr entziehen.
Am liebsten wäre Breda sofort zu ihr geeilt, hätte sie umarmt und geküsst. Doch das ging nicht, denn nur der kleinste Fehler konnte einen hohen Preis fordern.
So beschränkte er sich darauf, sie kurz aus der Ferne zu bewundern. Nur so kurz, dass es niemandem auffallen würde.
Nadjas Blick war zu ihm geeilt, sobald er den Saal betreten hatte. Ein schüchternes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, ihre Augen strahlten voller Erwartungen.
Oh, wenn du nur wüsstest, ging es Breda durch den Kopf. Wenn du nur wüsstest!
Er bemühte sich verzweifelt darum, seine Fassade nicht bröckeln zu lassen und Nadja keinen weiteren Blick zu gönnen. Sein Herz schrie, kämpfte gegen die Fesseln, in die er es gelegt hatte, als er Nadjas zuerst erwartungsvollen freudigen Blick sah, der dann Irritation und schließlich Enttäuschung preisgab, da er ihr sie nicht weiter beachtete, sondern zu seinem Vater ging.
Dies würde die schwärzeste Nacht seines Lebens werden.

„Nun, mein Sohn, habt ihr euch doch von euren Studien losreißen können, um uns an diesem wunderbaren Abend Gesellschaft leisten zu können?"
Ein höfliches Lächeln mit einer Spur Ironie und Spott, was den anderen wohl nicht auffiel, auf den Lippen musterte Graf von Krolock seinen Sohn.
„Studien, Vater?" entgegnete Breda, während er sich ein Glas Wein einschenken ließ. „Nun, wenn man es als Studie betrachtet, sollte man dazu sagen, dass ich noch an einer Lösung arbeite, die allen Faktoren gerecht wird."
Der Graf warf ihm aus zusammengekniffenen Augen einen Blick zu, der Wasser hätte gefrieren lassen können.
Einer der anderen Männer lachte.
Es war ein untersetzter älterer Mann mit schütterem, rotblondem Haar, in dem vereinzelt schon graue Strähnen zu sehen waren. Seine Kleidung war aus den feinsten Materialien, schien aber zerknittert und alt.
„Euer Sohn gefällt mir!" lachte er und zeigte dabei seine gelben Zähne.
Graf von Krolock lächelte milde zurück, doch das Lächeln erreichte nicht seine eisig blauen Augen. Diese blickten sogar angewidert auf den Älteren.
Das konnte Breda seinem Vater nicht einmal verübeln, gestand er sich ein.
Der einzige Grund, warum sein Vater sich mit diesem Mann abgab, war dessen Geld und Einfluss. Dies stand beim Grafen in höherem Ansehen, als ein ungepflegtes Äußeres, Mangel an Benehmen und Taktgefühl.
„Eine flinke Zunge und klare Gedanken!" fuhr der Mann fort, während er Breda kameradschaftlich auf die Schulter klopfte, wobei er den jungen Mann fast von den Füßen riss. „Er wird einmal ein würdiger Nachfolge, Vlad. Ihr solltet stolz auf ihn sein!" Er lachte nochmals.
Breda sah, wie sich die Hand seines Vaters wütend zur Faust ballte. Sein Gesicht jedoch nahm einen freundlichen Ausdruck an, während er eine der größten Lügen seines Lebens verkündete.
„Ich bin auch sehr stolz auf ihn."
Breda, der zwar an die Skrupellosigkeit seines Vaters gewohnt war, musste sich zusammenreißen, um nichts zu erwidern, was er später bereuen könnte.
„Noch stolzer war ich allerdings, " fuhr Graf von Krolock fort, „als mein Sohn verkündete, " er warf Breda einen scharfen Blick zu, „dass er heiraten wolle."
„Nun, dann wird es wohl auch mit Kindern nicht lange auf sich halten, so dass die Grafenfamilie erblich abgesichert wird." Vermutete ein anderer Mann nach mehreren Beglückwünschungen, die Breda stillschweigend, jedoch mit höchster Konzentration, entgegen nahm.
„Wer ist denn die glückliche Braut?" wollte jemand wissen.
„Anička von Brasov" Der Graf hatte den Kopf hocherhoben und brachte es fertig, bei der ganzen Aktion nicht mal mit der Wimper zu zucken.
„Eine hübsche junge Frau aus gutem Hause. Ein wunderbare Partie!" freute sich der Herr mit dem zerknitterten Anzug und schüttelte Bredas Hand.
Breda reagierte nicht auf die Glückwünsche, sondern befreite seine Hand unauffällig aus der verschwitzten Pranke des Gegenübers.
„Und da kommt die Braut auch schon!" rief jemand.
Breda wandte sich um, worauf er sich einer klassischen Schönheit gegenübersah.
Dunkle Augen mit langen geschwungenen Wimpern, eine gerade Nase über einem dunkelrot geschminkten Mund mit vollen Lippen. Das Gesicht war eingerahmt von einer üppigen schwarzen Haarpracht, die im Licht der Kerzen schimmerte. Ihr dunkelrotes Kleid schmiegte sich an ihre schlanke hochgewachsene Figur und der Ausschnitt zeigte eben so viel, wie es gerade noch schicklich war.
Sie machte einen formvollendeten Knicks und lächelte Breda verhalten zu.
„Ich wünsche den Herren einen guten Abend."
Breda verbeugte sich, wie es sich für die Etikette geziemte und gab ihr einen Handkuss.
„Den wünsche ich euch ebenfalls, verehrte Anička." Antwortete er um einen freundlichen Tonfall bemüht.
Er ahnte, dass sein Vater von ihm sein bestes Benehmen erwartete und wagte nicht, diesen Erwartungen nicht gerecht zu werden. So zeigte er Anička ein Lächeln, während er sie fragte, ob sie nicht Lust auf einen Tanz habe.
Ihre Augen verrieten Freude und etwas, was Breda nicht recht einordnen konnte, aber ansonsten ließ sie sich durch nichts anmerken, was sie empfand. Stolz und erhaben ließ sie sich von ihm durch die Tänze führen, die sie alle ausgezeichnet beherrschte. Sie war eine von den Frauen, die wahrscheinlich sogar schlafwandelnd tanzen konnten.
Breda jedoch fühlte sich nicht ganz bei der Sache. Die Musik, das Gelächter, Anička,...
All das nahm er nur wie durch Nebel war. Verschwommen, weit von ihm entfernt, unwirklich.
Das Einzige, das er wahrnahm, waren die grünen Augen, die ihm folgen, die jede seiner Bewegungen registrierten, während er sich mit Anička über die Tanzfläche bewegte.
Er selber versuchte, ihnen keine Beachtung zu schenken, doch dies fiel ihm von Minute zu Minute schwerer, da sich seine ganze Existenz um diese Augen und das dazugehörige Gesicht drehte. Um dieses Mädchen, so süß und lieblich wie ein unbeschwerter warmer Frühlingstag.
„Was bedrückt euch?" erklang Aničkas honigsüße Stimme von weit her, während sie zum Ende des Tanzes einen perfekten Knicks machte. Ihr Mund war zu einem betörenden Lächeln verzogen und ihr Augenaufschlag hätte jeden Mann schwach werden lassen. Jedoch nicht Breda.
Er empfand für diese Frau nicht mehr als für die anderen Menschen in diesem Saal, bis auf Eine.
Ihre Schönheit blendete ihn nicht, da er im Herzen schon längst einer Anderen gehörte.
„Nichts, worüber es sich für euch lohnen würde, sich euren hübschen Kopf zu zerbrechen." Erwiderte er gelassen und beobachtete ihre Mimik.
Für einen kurzen Augenblick entglitt ihr der höfische Gesichtsausdruck und Breda konnte erkennen, dass es ihr nicht passte, dass er ihrer Schönheit und Perfektion nicht verfallen war. Offensichtlich war sie es gewohnt, alles zu bekommen woran sie auch nur dachte.
Anička von Brasov würde nicht eher ruhen, bis sie ihre Trophäe, Breda von Krolock, in den schlanken wohlgeformten Händen hielt. Ihre Augen sagten mehr aus, als alles andere.
Bredas Menschenkenntnis war soweit ausgeprägt, dass er sagen konnte: Sie war keine Schönheit, wenn man diese nach dem Charakter einer Person maß.
Wenn er sich vorstellte, dass er mit dieser Frau sein Leben verbringen musste, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Er wollte sein ganzes Leben mit niemand anderem verbringen als mit Nadja.
Seiner Nadja.
Und es wurde ihm schwer ums Herz, dass es niemals seine Nadja werden würde.
„Entschuldigen sie, Anička." Bat er am Ende des nächsten Tanzes und führte sie aus der Menge der tanzenden und lachenden Meute. „Ich habe noch etwas zu besprechen."
Sie zog einen Schmollmund, der zwar reizend aussah, ihn jedoch völlig kalt ließ. „Heute ist eine Nacht, um sich dem Vergnügen hinzugeben. Sie wollen mich jetzt doch nicht ernsthaft hier stehenlassen, um langweilige Konversationen zu betreiben!"
„Ich muss!" beteuerte er ihr und hob entschuldigend die Hände.
Bevor sie noch etwas sagen konnte, ging er davon, obwohl er wusste, dass dies kein gebührliches Verhalten gegenüber einer Dame war. Doch der Blick der grünen Augen ließ ihn nicht mehr los und er wusste, dass es über den Abend immer schwerer werden würde, Nadja weiszumachen, er würde sie nicht mehr sehen wollen.
Also wollte er es so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Mit dem Gefühl, den schlimmsten Fehler seines Lebens zu machen ging er zu Nadja hinüber, die von mehreren Frauen umringt an einem der großen Fenster stand, durch die Breda schon so oft die Landschaft betrachtet hatte.
„Ich weiß nicht recht", meinte Nadja zögerlich zu einer älteren Dame. „Sie werden es wohl kaum kennen und es ist auch nichts, was eine Dame aus ihren Kreisen interessieren würde."
Die ältere Frau lächelte ihr aufmunternd zu. „Aber, Herzchen! Erzählen sie ruhig. Dann können wir immer noch entscheiden, ob es wert ist, sich dafür zu interessieren oder nicht. Ich bin so neugierig!" rief sie aus und tätschelte Nadjas Hand mit ihren beringten Fingern, während von allen Seiten zustimmende und ermunternde Aufforderungen erklangen.
Nadja blickte sichtlich gequält in die Runde.
Breda konnte es gut nachvollziehen, dass sie sich gerade gar nicht wohl fühlte. Sogar bei ihm war es diesen Leuten schon gelungen, das Gefühl zu vermitteln, man sei eine höchst interessante Studie. Nadja, die das alles nicht gewöhnt war, musste das noch mehr zusetzen.
„Meine Damen!" unterbrach Breda die Frauen und verbeugte sich.
Dann sah er Nadja an. Er blickte in ihr hübsches Gesicht, dessen Wangen mit einer leichten Röte überzogen waren. Ihre unverhohlene Freude hätte ihn beinahe sprachlos gemacht. Gleichzeitig bereitete es ihm Sorge, dass jeder der Anwesenden ihre Gefühle wie ein offenes Buch lesen konnte. Was wenn das jemand gegen sie verwendete?
„Möchtet Ihr tanzen, Nadja?" fragte er sie höflich und verfluchte sich in Gedanken dafür.
Wenn er schon Angst hatte, jemand könnte Nadjas Gefühle gegen sie verwenden, wie konnte er sie zum Tanzen auffordern und sein Interesse an ihr kundtun?
Nadja lächelte während sie ihm zunickte. Breda hielt ihr seinen Arm hin, den sie mit kurzem Zögern ergriff.
„Danke", flüsterte sie im kaum hörbar zu.

Immer Wenn Ich Nach Dem Leben Griff...Where stories live. Discover now