Falsches Spiel

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In der Halle befanden sich nur wenige Personen, als Breda durch die Tür trat.
Graf von Krolock, Anička, ihre Eltern, die für wenige Tage zu Besuch gekommen waren, und ein paar Diener, die um die große Tafel herum huschten, damit die hohen Herrschaften auch alles zu ihrer vollkommenen Zufriedenheit vorfinden würden.
Vor diesem Essen hatte es dem jungen Mann gegraust. Dies war das erste Mal, dass die Angehörigen beider Familien alleine zusammentrafen, um die weiteren Pläne für die Hochzeit zu besprechen.
Aničkas Vater war ein hagerer Mann, der aussah, als würde er schon seit geraumer Zeit unter der Erde ruhen. Seine Haut war fahl, fast wächsern, dunkle Ringe lagen unter wässrigen blauen Augen. Die dünne Nase prangte über einem schmallippigen Mund, dessen bläuliche Färbung nicht gerade für die Gesundheit des Mannes sprach.
Seine Frau hatte dieselbe bleiche Haut, die jedoch dank der Schminkkünste nicht ganz so ungesund aussah, wie bei ihrem Gatten.
Im starken Gegensatz dazu stand Anička, die mit ihrem silbern schimmernden Kleid nicht weniger schön aussah, als am Abend des Balls.
„Darf ich Euch meinen Sohn Breda vorstellen?"
Mit einem Lächeln ließ Breda die Vorstellung über sich ergehen. Er nickte und antwortete, wo es angebracht war. Schließlich gingen sie alle rüber zu der Tafel und ließen sich nieder.
Graf von Krolock am Kopfende des Tisches, auf einer Seite die von Brasovs, auf der anderen Seite Anička und er selber.
„Wie gefällt Euch denn meine Tochter?" von Brasov ließ sich Wein eingießen.
"Unsere Tochter!" unterbrach seine Frau. Mit einem entschuldigenden Lächeln fuhr sie fort. „Ich bin zwar nur Aničkas Stiefmutter, aber ich empfinde für sie, wie für mein eigenes Kind. Leider habe ich kein eigenes, " meinte sie mit bedauernder Stimme. „Das Schicksal hat es mir bedauerlicherweise verwehrt."
„Umso mehr Glück habt Ihr wohl mit dieser außergewöhnlichen jungen Frau gemacht!" Graf von Krolock nickte Anička wohlwollend zu.
Graf von Brasov nickte ernst. „Sie ist wirklich etwas ganz besonderes."
So wie er das aussprach jagte er Breda einen Schauer über den Rücken.
„Ihre Mutter ist gestoben, als sie noch ein kleines Kind war." erklärte von Brasov.
„Das tut mir leid für Euch. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, seine Mutter verloren zu haben."
„Ich danke Euch, für Euer Beileid, Breda." Antwortete Anička in freundlichem Tonfall. „Aber ich denke nicht, dass sich Eure Vergangenheit mit meiner vergleichen lässt."
Gräfin von Brasov klatschte in die Hände. „Das sollte nun aber wirklich kein Thema bei Tisch sein, meine Lieben. Solche Unterhaltungen vergraulen nur die Stimmung und sind vollkommen unnötig, da die Vergangenheit nicht zu ändern ist."
„Wie wahr, meine Liebe", stimmte ihr Mann zu.
Die fünf Personen widmeten sich dem Essen.
„Verzeiht mir die Frage", wandte sich Breda nach einiger Zeit an Aničkas Vater. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie sein Vater ihn mit zusammengekniffenen Augen anstarrte. „ aber eine Sache verstehe ich noch nicht so recht. Und sie würde mich wirklich interessieren."
Graf von Brasov hob die Augenbrauen. „Fragt ruhig so viel Ihr möchtet. Es erfreut mein altes Herz, meinem zukünftigen Schwiegersohn zu helfen."
„Verzeiht mir, wenn ich ein wenig direkt werde."
Von Brasov nickte. „Natürlich, mein Junge. Wenn wir alle unsere wahren Gedanken nie Ausdruck verleihen würden, würden wir nie etwas im Leben erreichen."
Breda befeuchtete sich die Lippen bevor er weiter sprach: „Durch die Hochzeit steigt die Familie Krolock in ihrem Ansehen und deswegen verstehe ich auch, was meinen Vater dazu bewog, zuzustimmen. Was ich nicht wirklich nachvollziehen kann ist, was bewegt eine so hochstehende Familie, wie die eure, eure Tochter in die Provinz zu verheiraten?"
Graf von Brasov lachte. Doch es war nicht gerade ein besonders freundliches Lachen.
Irgendetwas an dem Mann war Breda unheimlich. Er konnte es nicht benennen, aber er wusste, dass da etwas nicht stimmte.
„Verzeiht meinem Sohn", warf Graf von Krolock ein. „Er ist zuweilen etwas ungehobelt. Ich glaube, die Gesellschaft Eurer Tochter wird ihm gut tun."
„Wozu sollte ich etwas verzeihen?" rief von Brasov aus. „Die Frage ist durchaus berechtigt." Er wandte sich wieder Breda zu. „Ich habe emotionale Bindungen, die dieses Land für mich wertvoll machen. Außerdem schadet es nie, Verbündete auf dem Land zu haben, die einem verpflichtet sind."
Da war sie wieder, diese unheimliche Betonung. ‚Verpflichtet'. Es klang nicht gerade besonders einladend, aber außer Breda schien das niemandem aufzufallen. Niemandem außer Anička. Die junge Frau lächelte ein hintergründiges Lächeln, das nichts Gutes verhieß. Als sie bemerkte, dass Breda sie beobachtete, warf sie ihm einen Blick durch die Wimpern zu, der wohl jeden anderen Mann schwach gemacht hätte.

Immer Wenn Ich Nach Dem Leben Griff...Where stories live. Discover now