Weder Arian noch Raphael kauften mir die Lüge ab, da Larson gerade im Restaurant war, um unser unangetastetes Essen abzuholen. Verdammt! Manchmal fabrizierte mein Kopf Unsinn. »Geh ruhig zu diesem Serienabend«, brummte Arian. »Ich muss ohnehin nachhause ... telefonieren.«

Raphael atmete tief aus und rieb sich mit den Fingern die Schläfe. »Manchmal gehen Dates in die Hose. Könntet ihr nicht Larson zuliebe eure Differenzen überbrücken und als Freunde ... oder Bekannte mit uns allen abhängen?«

Es brachte mich aus der Fassung, dass er annahm, wir wären hier auf einem Date. Erst recht nachdem, was auf dem Frühlingsfest zwischen uns passierte. Hielt er so wenig von mir, um anzunehmen, ich stürzte mich direkt auf den nächsten Typen, nur weil wir die Vereinbarung getroffen hatten, uns Zeit zu lassen? Oder vergaß er tagsüber alles, was sich nachts ereignete? War er verflucht wie Prinzessin Fiona? Des Nachts ist es so, bei Tage ganz anders.

Meine Finger verkrümmten sich und ich war kurz davor, ihn anzufahren, das richtigzustellen, doch glücklicherweise kam mir Arians gelassene Stimme zuvor. »Das war kein Date.«

Anspannung wich von Raphaels Schultern. Er war ... erleichtert? Mein Magen machte einen kleinen Hüpfer. Vielleicht hatte ihn ja doch niemand verflucht und er merkte sich Unterhaltungen, die nachts stattfanden. Hatte Eifersucht aus ihm gesprochen?

All das machte mich ungelogen supernervös. Nicht ausschließlich auf die unangenehme Art, aber ich hatte nicht grundlos beschlossen, einen großen Bogen um Beziehungen zu nehmen. Offen sein – das lag mir nicht. Arian konnte davon ein Lied singen. Ich hatte Angst, verstoßen zu werden. In den Briefen spielte es keine Rolle, denn ich konnte mich dazu entscheiden, nie mein wahres Gesicht zu zeigen. Insgeheim hoffte ich aber, dass mein Brieffreund Verständnis aufbrachte, wir unsere Identität preisgaben, Raphael der Auserwählte war und wir es irgendwie auf die Reihe bekamen.

Leider hatte meine Mutter recht damit, dass ich nicht alleine sterben wollte. Insbesondere Ayliz und ihre glückliche Beziehung zu Theo hatten mir verdeutlicht, wie sehr ich mich nach einem Happy End sehnte. Vielleicht sah es anders aus. Nicht jeder musste heiraten und 2,39 Kinder zur Welt bringen, um Frieden zu finden. Unter Umständen reichte es, sich einmal Hals über Kopf in jemanden zu verlieben und dann weiterzuziehen. Vom jetzigen Standpunkt schien es mir schleierhaft, sich für ein gesamtes Leben an eine Person zu binden. Gingen einem nicht irgendwann die Gespräche aus? Wurde es nicht über die Jahre langweilig?

»Was immer dann vorgefallen ist«, holte mich Raphaels Stimme zurück in die Realität, »wir müssen das klären, damit die Harmonie unserer Gruppe nicht darunter leidet.«

Ich nickte. Das wünschte ich mir auch, allerdings weniger wegen der Gruppenharmonie, sondern eher unseretwillen. Die Scheiße, die unsere Familie all die Jahre überschattete, sollte verschwinden. Wir als Kinder hatten damit überhaupt nichts am Hut. Ohne unsere Eltern hätten wir längst eine Familie sein können.

Leider war Frieden im Moment nicht das, was Arian begehrte. Hinter seiner Stirn pochte es. Seine Gesichtszüge entspannten sich zwar wie eh und je, aber ich kannte ihn lang genug, um mich nicht täuschen zu lassen. In seinen Augen loderten Pfeile, die nur darauf warteten, mich abzuschießen. Ich war allein und hatte niemanden, weil mich meine beste Freundin damals verließ.

In diesem Moment bezweifelte ich, mir je selbst zu vergeben, wenn er es nicht tat.

»Wir müssen gar nichts klären. Heute wurde schon genug geklärt«, brummte er.

Wie aufs Stichwort kam Larson pfeifend aus der Eingangstür. In seiner Hand hielt er eine große Plastiktüte. Ich holte mein Portemonnaie aus der Umhängetasche, während er mir das Essen entgegenstreckte.

Box Nr. 7Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt