11. Kapitel

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Sonnenpfote streckte eine Pfote aus und berührte damit vorsichtig das klare, kühle Wasser. Es prickelte angenehm, als wäre sie zuvor durch den halben Wald gerannt und könnte ihren Pfoten nun eine Pause gönnen. Sie blinzelte einige Male, als der Mond hinter den Wolken hervortrat, und den See hell erleuchtete.
Moment. See?

Sonnenpfote sprang auf, und betrachtete das klare Wasser vor sich genauer.
Tatsächlich. Das war nicht der Fluss, wo sie gerade noch eine Amsel verfolgt hatte!
Ängstlich und verwirrt blickte sie sich um, und erschauderte, als sie hinter sich nicht den gewohnten Wald erblickte, sondern eine große, freie Fläche, über welcher sie die Sterne am Himmel leuchten sah.
Wo bin ich? Und wie bin ich hier her gekommen?

Neben ihr raschelte es im Gras, und sie fuhr herum, bereit, um einen Angriff abzuwehren.
"Beruhige dich, junge Schülerin", sprach jemand hinter Sonnenpfote. Erschrocken blickte sie sich um. Sie erblickte eine junge, schildpattfarbene Kätzin. Ihr Fell schimmerte wie die Sterne, und als Sonnenpfote ihren Geruch einsog, roch sie nach kaltem Gestein und Wind. Was ihr durchaus bekannt vorkam.
Die Fremde setzte sich, also entspannte sich Sonnenpfote langsam. Anscheinend gab es hier keine Bedrohung.
Die Kätzin nickte. "Gut so, Kleines. Du brauchst keine Angst zu haben."
"Ich habe keine Angst!", gab Sonnenpfote zurück. Die Katze schnurrte amüsiert.
"Wer bist du?", fragte die Schülerin jetzt.
"Mein Name ist Sprenkelteich", antwortete die Schildpattfarbene. "Ich gehöre dem SternenClan an."
Schon wieder eine SternenClan Katze?

Sonnenpfotes Augen weiteten sich. Das letzte Mal, als sie in ihren Träumen ein SternenClan Mitglied traf, war sie zu überrumpelt gewesen, um Respekt zu empfinden. Nun senkte sie den Kopf. "Mein Name ist Sonnenpfote."
Sprenkelteich schnurrte erneut.

"Bist du eine Kriegerin des DonnerClans gewesen?", fragte Sonnenpfote neugierig. War sie wie die graue Kätzin von ihrem vorherigen Traum?
"Nein", antwortete Sprenkelteich. "Aber ich war ihre Heilerin, vor vielen Monden. Ich habe Schwalbenfeder damals ausgebildet."
Sonnenpfote nickte erstaunt. Es war unglaublich, mit Katzen zu reden die vor mehreren Monden ihr Leben verloren hatten.

"Wo ist Daunenfeder?"
Der Name dieser Kätzin, die sie das letzte Mal besucht hatte, war ihr schlagartig wieder eingefallen.
"Daunenfeder ist bei unseren Clanmitgliedern. Heute hatte ich die Aufgabe, dich zu treffen."
"Aufgabe? Sollst du mir etwas mitteilen?"
Sonnenpfote wurde aufgeregt. Vielleicht eine Prophezeiung?
Andererseits wäre es jedoch seltsam, warum der SternenClan ihr so etwas mitteilen sollte. Gab es dafür nicht den Heiler?
Während sie nachdachte schüttelte Sprenkelteich den Kopf. "Ich habe keine neue Mitteilung für dich. Ich kann dir nur etwas sagen, was du bereits weißt."
Sonnenpfote legte fragend den Kopf schief.
Plötzlich verschwanden die Sterne vom Himmel, und der Mond wurde immer mehr von Wolken verdeckt. Sprenkelteich sah sich um. "Was geschieht hier?", fragte Sonnenpfote panisch, als sich ihre Sicht immer weiter verschlechtere.
Sprenkelteich sah sie an, alles was von ihr noch zu erkennen war waren ihre leuchtenden, bernsteinfarbenen Augen.
"Dir steht eine große Zukunft bevor, Sonnenpfote."

Die Stimme der Kätzin hallte seltsam, dann verschwand alles um Sonnenpfote herum. Und sie fiel. Sie fiel jaulend in einen Abgrund, ohne aufzuschlagen. Alles was sie spürte war ein Stechen in ihre Flanke.
Was geschieht mit mir?

"Jetzt wach schon auf, Sonnenpfote!"
Sonnenpfote schreckte hoch, riss die Augen auf und schloss sie sofort wieder, als sie in helles Licht blickte. Langsam drehte sie den Kopf und öffnete die Augen erneut. Sie blickte in auf einen verschlafen wirkenden Eispfote, der eine Tatze erhoben hatte und sie mit den Krallen in die Flanke gepiekst hatte.
"Musst du so jaulen?", murrte der schneeweiße Kater. "Da kann ja keine Katze schlafen. Und du siehst aus wie ein Dachs nach dem Winterschlaf."
Sonnenpfote blickte an sich herunter und stellte beschämt fest, wie zerzaust ihr rot-goldenes Fell war.
"Du bist auch nicht besser. Außerdem ist es schon weit nach Sonnenaufgang", miaute Wolkenpfote, die gerade in den Bau gekommen war und stupste ihren Bruder an, der sich mit einem theatralischen Seufzer in sein Nest fallen ließ.
Es war der Morgen nach der Großen Versammlung. Die Katzen hatten sich schon am Abend über die Geschehnisse ausgetauscht. Überall war entrüstetes Fauchen zu hören gewesen. Sonnenpfote war zu müde gewesen um noch länger wach zu bleiben. Daher hatte sie auch Springpfote abwimmeln müssen, der seinen Zorn darüber vergessen hatte, dass er nicht an der Versammlung teilnehmen durfte und alles wissen wollte.

Sie dachte über ihren Traum nach. Erneut wurde sie von einer SternenClan Katze aufgesucht, die ihr eine große Zukunft voraussagte. Was hatte das zu bedeuten?

Sonnenpfote wusch sich, bis ihr Fell wieder normal aussah, dann stand sie auf und streckte sich ausgiebig. Nach einem langen Gähnen, mit dem sie nun auch die letzten Fetzen ihres verwirrenden Traumes in die hintersten Abschnitte ihres Kopfes verdrängte, wandte sie sich an ihre Baugefährten. "Sind die Patrouillen schon los?"
Wolkenpfote nickte. "Sie sind kurz nach Sonnenaufgang aufgebrochen."
"Warum habt ihr mich denn nicht eher geweckt?", fragte Sonnenpfote entrüstet. Sie wollte auf keinen Fall, dass Aschenwolke oder die Älteren Krieger sauer auf sie waren, weil sie verschlafen hatte.

"Keine Sorge, Wurzelpfote und Dornenpfote sind auch gerade erst aufgewacht. Sie müssten draußen beim Frischbeutehaufen sein."
Sonnenpfote nickte kurz und lief dann zum Ausgang des Baus. Als sie auf die Lichtung trat plusterte sie ihr Fell auf, denn der verführerische Sonnenschein verbarg die eigentliche Kühle, die nun über den Wald herrschte. Die Sonne stand bereits höher, und nur wenige einzelne Wolken zogen über den Himmel. Sonnenpfote lauschte und hörte die Vögel zwitschern und den Wind durch die Bäume und über die Lichtung sausen.
Nach ein paar Herzschlägen entdeckte sie auch ihre Geschwister beim Frischbeutehaufen, und lief auf sie zu.

"Na, du Siebenschläfer?", wurde sie von Wurzelpfote begrüßt. "Bist du auch endlich wach?"
"Das sagst gerade du, wenn es nach dir ginge, gäbe es doch fünf Blattwechsel Winterschlaf in einer Blattwende", antwortete Sonnenpfote.
"Eine Blattwende hat nur vier Blattwechsel."
"Deswegen ja!"
Die jungen Katzen schnurrten belustigt.

"Ist für heute ein Training angesetzt?", fragte Sonnenpfote, nachdem sie sich einen dicken Spatz genommen und ein paar Bissen gegessen hatte.
Dornenpfote schüttelte den Kopf. "Regenpelz und Honigdorn sind mit Graupelz und Springpfote auf einer Grenzpatrouille und Dunkelschweif ist mit Aschenwolke und Schneefall jagen gegangen"

"Feuersturm hat gesagt, wir sollen unseren anderen Pflichten nachkommen", fügte Wurzelpfote hinzu. "Und das heißt: Moos sammeln, Nester wechseln und für die Ältesten jagen."
"Ich jage!", rief Sonnenpfote sofort. Dornenpfote und Wurzelpfote murrten. "Nächstes Mal tauschen wir dann." Sonnenpfote hatte nicht vor, sich umstimmen zu lassen. Nachdem sie aufgegessen hatte lief sie schnurstracks aus dem Lager, und überließ ihren beiden Geschwistern die Diskussion, wer Ameisenpelz' stinkendes Nestmaterial entsogen durfte.

Zufrieden schnurrend schlug Sonnenpfote ihre Zähne in die fette Wasserratte. Sie brach ihr mit einem gewaltigen Biss das Genick und trug sie zu ihrer bisherigen Beute: Eine Wühlmaus, ein Star und sogar ein Eichhörnchen. Sie hatte bis weit nach Sonnenhoch gejagt, ihre Pfoten schmerzten und sie wollte nur noch ins Lager zurück. Sie grub die toten Tiere aus, als sie einen merkwürdigen, ihr unbekannten Geruch entdeckte.
Leise schob sie ein paar Blätter über die Frischbeute und sah sich vorsichtig um. Dann lief sie langsam auf einen Brombeerbusch zu.

Sie begann die Spur zu verfolgen, umrundete den Busch und fand die Spur auf der anderen Seite wieder. Sie konzentrierte sich so sehr auf den Weg, dass sie die Amsel neben sich erst bemerkte, als sich diese mit einem lauten Warnruf in die Lüfte erhob. Erschrocken spang Sonnenpfote zur Seite, ihr Herz klopfte so laut, dass selbst der WindClan es noch hören müsste, und das Blut rauschte in ihren Ohren. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie sich dem FlussClan Territorium sehr genähert hatte

Als sie sich wieder beeuhigt hatte konzentrierte sie sich wieder auf die Spur. Sie war nun schwächer, jedoch entdeckte sie noch einen weiteren Geruch.
SchattenClan!
Plante Fleckenstern einen weiteren, heimtückischen Angriff?
Sie schlich sich näher an den Geruch heran, bis sie Stimmen hörte. Als sie hinter einem hohen Strauch innehielt, konnte sie im FlussClan Territorium Katzen erkennen. Sie sah die FlussClan Krieger Rieselpelz, Schilffuß und Morgentau, die Schülerin Goldpfote und...
Natternzahn, Lichtstreif und Spitzpfote!

Was wollten SchattenClan Katzen beim FlussClan? Und warum sahen sie so friedlich aus? Sie spitzte die Ohren, um etwas von ihrem Gespräch zu verstehen.
"- beschlossene Sache. Wir sind froh, dass Lilienstern unsere Meinung teilt", miaute Natternzahn. Rieselpelz nickte. "Solche Taten sind unwürdig und müssen bestraft werden. Wir müssen-"
"Natternzahn, ich rieche DonnerClan Katzen. Wir sollten verschwinden, bevor wir entdeckt werden!", miaute Lichtstreif. Die Kätzin schaute sich nervös um, und ihr Blick zog auch in Sonnenpfotes Richtung.
Na super, da hab ich ja viel mitbekommen.
Bitte SternenClan, sie darf mich nicht sehen!

Natternzahn nickte. "Wir sollten uns wirklich beeilen. Ich will keinen Ärger. Noch nicht."
Er hob den Schweif und die beiden Patrouillen trennten sich.
"Oh nein! Was haben sie vor?", fragte Sonnenpfote sich selbst.

WarriorCats - Glanz der Sonne {PAUSIERT}Où les histoires vivent. Découvrez maintenant