Kapitel 5: Fiebertraum

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Oh Gott, ist das Erste, was mir durch den Kopf geht, als ich am nächsten Morgen mit unangenehmen Kopfschmerzen in meinem Bett aufwache. Doch die Schmerzen sind nicht der Grund dafür, weshalb es mir schlecht geht.

Es sind die Erinnerungen an die vergangene Nacht, die mich quälen. Besser gesagt das, was noch davon übrig ist. Angespannt liege ich in meinem Bett und schlage mir mit meinem Kopfpolster immer wieder ins Gesicht, um meine peinliche Aktion gestern zu vergessen. Allerdings ist das nicht hilfreich für meine Kopfschmerzen, die durch die Schläge nur schlimmer werden.

Heute muss ich erst später arbeiten, weshalb mir genug Zeit bleibt, mich vollständig auszunüchtern. Am liebsten würde ich aber den ganzen Tag im Bett bleiben und darüber heulen, was gestern passiert ist. Es fühlt sich so an, als wäre es ein fieser Fiebertraum gewesen. Und am liebsten wäre es mir auch gerade, wenn es einer gewesen wäre.

Ich schiebe die Schuld für diese peinliche Aktion auf den Alkohol und meine untervögelte Vagina. Wie lange war es jetzt schon her, seit ich den letzten Typen im Bett hatte? Zwei Jahre? Meine männlichen Kontakte hatte ich auf jeden Fall schon eine ganze Weile vernachlässigt.

Ich stöhne genervt, als mein Blick auf meinen Wecker fällt und ich bemerke, dass ich doch nicht mehr allzu viel Zeit habe. Also springe ich auf und gehe in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen. Doch mehr als eine halbe Scheibe Brot bekomme ich nicht hinunter. Generell habe ich in den letzten Tagen kaum Appetit und die Sache mit Oskar hat ihn mir nun gänzlich verdorben

Eine Stunde später stehe ich mit einem lavendelfarbigen Rock und einem Schwarzen Top beim Empfang und nehme an meinem Schreibtisch Platz. Ich bete, dass Oskar sich heute nicht hier blicken lässt. Den könnte ich jetzt gar nicht gebrauchen. Es ist Samstag, an dem viele Menschen frei hatten. Anders als ich, denn es gab auch am Wochenende genug kranke oder verletzte Menschen, die versorgt werden mussten. Und bis zu meinen beiden Freien Tagen - Montag und Dienstag - dauerte es noch zwei Tage.

Da ich so vertieft in mein Gebet bin, bemerke ich den Stapel an Büchern gar nicht, welcher vor mir auf dem Tisch liegt. „Atlas der Anatomie" steht auf dem obersten geschrieben und ich stelle sofort fest, dass es keines meiner Bücher ist, welche ich zum Lernen verwende. Wie die wohl auf meinen Tisch gekommen sind?

„Hey Ester, Dr. Kluge war vorhin hier und hat diese Bücher auf denen Schreibtisch gelegt. Als ich ihn gefragt habe, was er da macht, hat er mich ignoriert und mir keine Antwort gegeben", berichtet mir Vivien, welche meine Verwirrung bemerkt haben muss. „Komisch der Typ", fügt sie mit einem Schulterzucken hinzu und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Vielleicht hat er nach meiner gestrigen Heulattacke Mitleid für mich empfunden? Bei dem Gedanken an die letzte Nacht schießen mir sofort wieder die Bilder in den Kopf, die mich an unsere heißen Küsse erinnern und mich augenblicklich erröten lassen.

Um mich davon abzulenken, schlage ich das oberste Buch auf und beginne darin zu lesen. Mir gefällt die Formulierung der Sätze sehr gut, und ich beginne darüber nachzudenken, wie ich mich bei Oskar dafür bedanken soll.

Ich lasse mich in meinen Sessel sinken, während mein Blick weiterhin in dem Buch haftete. Es ist bereits kurz vor Mittag, weshalb sich nicht mehr allzu viele Patienten im Empfangsbereich herumtummelten. Ganz zu meiner Freude natürlich, denn so kann ich in Ruhe weiterlesen.

„Ester", hörte ich plötzlich eine Stimme vor dem Tresen. Mein Herz bleibt für eine Sekunde stehen, denn ich weiß genau, wer vor mir steht. Zögerlich hebe ich meinen Kopf und blicke in seine himmelblauen Augen. „Oskar", stottere ich, und versuche ihm freundlich zuzulächeln, woran ich kläglich scheitere. Allein seine Anwesenheit löst ein Kribbeln in meiner Bauchgegend aus.

Der DoktorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt