49. Sissonne Attitude

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"Spannung halten. Halten, Halten, Halten. Denk dran. Du bist stolz. Zeige es in jeder Bewegung. Anmut. Streck den Rücken durch. Häng nicht da, wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Bauch rein. Besser. Viel besser."

Harry schwitzte wie ein Schwein. Seine Muskeln begannen so langsam zu zittern. Unterricht bei Louis war ganz anders, als bei Michelle. Bei Michelle stand der Spaß im Vordergrund. Verbessert wurde man auch Mal. Aber Louis war... Ehrgeiziger.

"Beim Arabesque streckst du dein Bein aus. Gerade. Wo ist dein linker Fuß? Das ist tanzen. Es soll nicht aussehen, wie ein Storch im Salat."

Michelle hatte ihn für seinen Anmut gelobt. Bei Louis fühlte er sich wie ein Trampeltier auf dem Laufband.

"Für den D'evelopp'e und den Cupid musst du dein Bein Grade strecken können. Möglichst ohne dir den Oberschenkelhals zu brechen. So lange Beine und dann... Ja! Viel besser. Komm ein bisschen mehr geht da noch."

Harry biss die Zähne zusammen. Auch wenn Louis selten lobte, oder einem sonst irgendwie das Gefühl gab, nicht der totale Versager zu sein, war jede Sekunde hier für Harry eine Ehre. Wer von Louis trainiert wurde, der konnte was. Er hatte einen Blick für Talent wie kein anderer und schuf aus ungeschliffenen Diamanten unschätzbare Schmuckstücke. Durch harte Arbeit und ohne Samthandschuhe.

'"Na, also. Sieht gleich weniger nach Arthritis im fortgeschrittenem Stadium aus, oder?" Fragte der, während Harry das Gefühl hatte, sein Körper würde gleich einfach aufgeben.

"Halten! Halten! Halten! Anmut! Das macht Spaß! Du guckst, als wolltest du jemanden an den Hals springen. Ballet ist anstrengend! Die Kunst ist, es niemanden sehen zu lassen.", Brummte Louis. Stützte sich auf seinen Stock auf. Mit 30 Jahren. Er war Profi gewesen. Und hatte dann einen Unfall. Nie wieder würde er tanzen können. Nie wieder Ballett. Deswegen trainierte er andere.
Wäre der Unfall nicht gewesen, würde er selbst tanzen. So aber blieb ihm nur der Platz neben dem Vorhang. Alles sahen den Stock. Immer.

Harry kämpfte sich ein Lächeln ins Gesicht, während jeder Muskel in seinem Körper maximal angespannt war. Seine Sehnen zogen

Das Tutu war sperrig. Es sah schön aus. Aber bequem war es nicht.

Andere ließen einen im Trikot üben. Bei Louis trug man Tutu. Sonst bringe einen der Fummel bei der Generalprobe aus dem Takt, sagte er immer. Harry trug ein rosa Tutu. Mit Verzierungen. Es war wunderschön. Harry mochte es sehr.

"Achte auf deine Haltung beim runter kommen. Ein Wechsel in den Demi-Pli'e bitte. Ja, komm. Gleich ist Ende. Ein bisschen wirst du wohl noch schaffen. Achte auf deine Fußstellung. Mit Gips kommt man nicht in solche Strumpfhosen."

-

Schließlich hockte Harry am Boden und trank gierig sein Wasser. Louis schaltete die Musik aus.

Er hasste den Stock. Das wusste jeder. Und jeder sah es. Es war, als habe man ein Wildpferd angebunden. Dafür gemacht, frei zu sein und nun stand es eben da und wartete auf die Freiheit. Wie Louis' Herz darauf wartete, sich wieder ohne Hilfsmittel bewegen zu können. Obwohl er den Stock benutzte, federte sein Gang. Obwohl er doch diese Behinderung davon getragen hatte, hatte dieser Mann eine Spannung bis in den
kleinen Zeh, die ihres Gleichen suchte. Deswegen war er der beste Trainer. Egal wie hart das Training war, Viele brachen das Training bei ihm ab und gingen heulend nach Hause.

Dabei suchte er doch nur jemanden. Der seinen Traum wahr machen würde. Nur eben anders.

"Geht's?", Fragte Louis rüber.
"Ja.."
"Was ist? Sprich Kiddo."

Louis war nur zehn Jahre älter als Harry. Aber trotzdem tat er gern so, als wäre er Erwachsen und Harry ein Kind. Ein zwanzigjähriges Kind. Vermutlich wollte er einfach zeigen, dass Harry sehr viel unvernünftiger und weniger erwachsen war.

One Shots (Larry) - Leseprobe Where stories live. Discover now