Kapitel 2 - Systemfehler

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„Wo willst du denn hin?"

Milena schnalzte mit der Zunge, als sie Nils mit einer schnellen Bewegung am Hemdkragen packte.
Wütend drehte er sich zu ihr um. „Das war nicht der Plan!", blaffte er sie an.

Milenas Mundwinkel zuckte kurz, als sie bemerkte, wie angespannt er war. Nervös sah er sich um, als könnte jeden Moment eine Horde Trolle aus den Büschen springen.

„Ich kann mich nicht erinnern, dir etwas von meinem Plan erzählt zu haben", sprach sie nonchalant.

„Hör zu, ich hab' gemacht, was du wolltest, ok. Kannst du mich jetzt bitte einfach gehen lassen?" Nils Stimme zitterte leicht.

Milena ließ den Kopf in den Nacken fallen und brach in schallendes Gelächter aus. Dann fiel ihr zum Glück ein, dass sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte.
„Du dummer Junge", sagte sie, während sie ungläubig den Kopf schüttelte, „Denkst du wirklich, dass es so einfach läuft?"

„Aber du hast doch gesagt, dass -"
„Nein, Nils, du hast wohl in deinem Eifer nicht richtig zugehört. Ich habe nie behauptet, dass dein ‚Problem' damit gelöst ist. Nach Namra zu kommen, war erst der erste Schritt."
Sie zog Nils noch einmal fest am Hemdkragen. „Und jetzt: auf, auf! Wir haben Arbeit vor uns", flötete sie, ließ ihn los und sprang beschwingt auf einen schmalen Waldpfad zu.

Angewidert sah ihr Nils nach. Als er sich den Kragen richtete, fragte er sich, ob es wirklich klug gewesen war, ihrem Vorschlag einfach zugestimmt zu haben.

Nein, bestimmt nicht.

Er hatte keine Ahnung, wer diese Milena eigentlich genau war und was sie hier in Namra vorhatte, aber eines war ganz sicher: sie war kein guter Mensch.

Nils seufzte schwer.
Aber sie hatte ihm versprochen, ein Problem zu lösen, das ihm seit drei Jahren Alpträume und schlaflose Nächte bescherte und im Moment war das das einzige, was zählte. Um alles andere konnte er sich später kümmern.

Bevor Milena ganz aus seinem Blick verschwunden war, lief er ihr nach, in den Wald hinein.

***

Charlie schloss die Türe hinter sich fester, als sie wollte. Sie atmete einmal tief durch, drehte sich um und setzte sich der Frau hinter dem Tisch gegenüber.

„Hören Sie, damit das klar ist", sagte Charlie und versuchte dabei so nachdrücklich und selbstsicher zu wirken, wie möglich, „ich bin nicht verrückt. Ich wurde nicht entführt. Und ich habe kein Stockholm oder sonst irgend ein Syndrom."

Die andere Frau lächelte sie freundlich an. Sie war irgendwo zwischen Dreißig und Vierzig Jahre alt, hatte eine dickrandige Plastikbrille auf der schmalen Nase und pechschwarze Haare, die im Zopf nach allen Seiten abstanden. Charlie konnte den Blick nicht von den neongrünen Strähnchen lösen.
Wollte sie damit irgendwie cool rüberkommen?
Sie schnaubte verächtlich. Das würde ihr auch nicht helfen, von Charlie irgendetwas anderes zu hören, als das was sie schon ihrer Mutter und danach der Polizei erzählt hatte.

„Charlie..", fing die Frau an. Ihr Lächeln wurde noch breiter.

Das muss doch weh tun, so zu grinsen!

„Ich darf doch du zu dir sagen, oder?"
Mit einem innerlichen Facepalm hob Charlie die Augenbrauen. „Wenn ich zu dir auch du sagen darf, Andrea", antwortete sie frech.

Andrea seufzte. „Charlie, ich weiß, wie dir das alles auf die Nerven geht, aber alle versuchen nur, dir..." - „.. zu helfen. Eh klar", unterbrach sie Charlie und sah sie abfällig an.

Andrea schwieg und musterte das Mädchen ihr gegenüber.

Charlie musste all ihre Selbstbeherrschung aufbringen um nicht aufzuspringen, zu schreien und herumzutoben.

Die zersplitterte Zeit // Armans GeheimnisWhere stories live. Discover now