Kapitel 1 - Nach Hause

727 16 6
                                    

„Bist du dir sicher, dass ich dich nicht begleiten soll?"
Arman sah Charlie etwas besorgt an, als sie sich ihren Rucksack über die Schulter warf.

„Ich denke, das ist besser so", erwiderte Charlie mit einem etwas wehmütigen Blick. Um ehrlich zu sein, hätte sie ihn gerne an ihrer Seite, aber, „Das wird meine Eltern sowieso vom Hocker hauen. Und wenn sie das alles verarbeitet haben, müsst ihr euch sowieso alle kennenlernen."

Charlie umarmte ihren Freund, nein, ihren Verlobten - wie sich das anhörte! - zärtlich.
„Du wirst sehen, ich bin schneller wieder zurück, als du ‚Ich vermisse dich' sagen kannst." Aufmunternd lächelte sie ihn an.
Arman seufzte schwer. Er hoffte inständig, sie hatte recht. Der Abschied von Charlie fühlte sich an, wie eine Drohung, so sehr er auch versuchte, dieses Gefühl zu verdrängen.

„Ihr habt später noch alle Zeit der Welt, aber können wir jetzt bitte los?" Tariks Ruf riss beide zurück in die Realität.
„Bin gleich soweit!", blaffte Charlie über den Hof, wo Tarik ungeduldig am Eingangstor stand. Tarik quittierte das mit einem lauten Stöhnen.

Grinsend wandte sie sich wieder an Arman. „Bin gleich wieder da." Sie hob ihren Kopf und küsste ihn zärtlich. „Ich liebe dich, Arman", flüsterte sie.
„Bitte komm bald wieder", antwortete er ebenso leise, „Ich liebe dich."
Mit einem letzten Lächeln wandte sich Charlie um und lief zu Tarik, der jubelnd die Arme hob.

***

Während des halbstündigen Weges zum Portal, konnte Tarik nicht aufhören, zu erzählen, was er alles während ihres Aufenthaltes in der Außenwelt vorhatte. Charlie ließ ihn reden. Sie selbst schwieg und war tief in Gedanken versunken.
Ein paar Tage, maximal eine Woche, das war ihr Plan.
Sie hatte überhaupt keine Erwartungen an die Reaktion ihrer Mutter, wenn sie von ihren Hochzeitsplänen erfuhr. Wie mochte sie es wohl aufnehmen?
Ihr Stiefvater war kein Problem, er hatte Charlie immer in allem unterstützt, was sie vorhatte. Als sie kurz vor dem Abi vor lauter Nervosität nicht antreten wollte, war er der Einzige gewesen, der ihr sagte, auch das wäre ok. Er würde jetzt zwar überrascht sein, aber damit leben können.
Aber ihre Mutter?

Energisch schüttelte Charlie den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Es war sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen. Sie hatte sich für Arman entschieden und ohne den „Segen" ihrer Eltern wollte sie nicht heiraten, vor allem weil sie vorhatte, in Namra zu bleiben.

„Schaut gut aus."
Charlie sah erstaunt auf. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie schon am Tor angekommen waren.
Tarik trat vor und inspizierte das Tor. „Sicher ist sicher", murmelte er, schloss die Augen und legte eine Hand auf das verwitterte Holz. Kurz darauf nickte er.
„Alles in Ordnung. Keine Beschädigung, kein Zauber, der nicht da sein sollte", stellte er zufrieden fest.
„Machst du das jedes mal?"
„Immer. Man könnte sagen, ich traue dem Frieden hier nicht." Er sah Charlie todernst an.
„Findest du das nicht etwas übertrieben, das zu sagen? Als ob Namra ständig dem Untergang.." - sie verstummte. Tarik hatte recht. Seit sie Namra das erste mal betreten hatten, hatte sie ständig irgendeine Gefahr begleitet. Es war nur klug von ihm, misstrauisch zu sein.

Seufzend drückte Tarik einen Torflügel auf und ohne sich noch einmal umzusehen, schritten sie hindurch.
Auf der anderen Seite begrüßte sie herbstlicher Sonnenschein.
Fast schon synchron griffen beide in ihre Taschen, holten ihre Handys hervor und schalteten sie ein.
„Ist es nicht komisch, dass die Zeit hier und in Namra gleich verläuft, seit wir hier sind?", wunderte sich Charlie, nachdem sie auf ihrem Display Datum und Uhrzeit nachgesehen hatte.
Tarik, der bereits Dimitris Nummer gewählt hatte, konnte ihr dafür auch keine Erklärung liefern.
Bevor sie Namra entdeckt hatten, war die Zeit dort langsamer verlaufen. Während nach Armans Fluch dort nur wenige Jahre vergangen waren, waren es in der Außenwelt mehrere Jahrzehnte gewesen.
Tariks einzige Vermutung war, dass sie, die Wächter, möglicherweise wirkten, wie ein Anker in der Zeit, aber es wurmte ihn, dafür keine Beweise finden zu können.

„Hey Dimmi, wir sind schon am Tor, braucht ihr noch lange?" Seiner Stimme war anzuhören, wie sehr er sich auf das Wiedersehen freute.
Vor ein paar Wochen, als Tarik seine Eltern besuchen war, hatte er sich mit Dimitri ausgemacht, wann er Charlie und ihn abholen sollte.
Er war der einzige der Freunde mit einem eigenen Auto und das Portal befand sich fernab irgendwelcher erreichbaren öffentlichen Verkehrsmittel.
Dimitri antwortete und Tarik legte auf.

„Wir müssen noch diesen Feldweg da lang", deutete er Charlie, „An der nächsten Kreuzung sollen wir warten, sie sind gleich da."
Also hatte er Jenny auch mitgebracht, stellte Charlie freudig fest. Sie wünschte, sie könnte ihre Freunde öfters besuchen, aber die Hochzeitsvorbereitungen und die Arbeit auf dem Pferdehof hatten mehr von ihrer Zeit beansprucht, als ihr lieb war.

Als die beiden die Wegkreuzung erreichten, sahen sie Dimitris knallblauen Audi S3 schon von Weitem.

Kaum war das Auto stehen geblieben, sprang auch schon die Beifahrertür auf und Jenny fiel Tarik und Charlie in die Armen.
„Mann, was hab ich euch vermisst", murmelte sie in Charlies Schulter und drückte die beiden fest.
Lachend wand sich Charlie aus der Umarmung. „Ich hab dich auch vermisst."
„Und was ist mit mir?" Grinsend lehnte Dimitri an seinem Auto und beobachtete amüsiert die rührende Szene. Charlie lief auf ihn zu und umarmte ihn. „Dich hab ich natürlich auch vermisst."

Nach der glücklichen Begrüßung stiegen die Freunde ein und machten sich auf den Weg nach Köln.
Während der Fahrt ließen sie sich von Jenny die wichtigsten Neuigkeiten aus Deutschland und der Welt erzählen.
Da in Namra keine technischen Geräte funktionierten und es somit auch kein Internet gab, mussten sie up-to-date gebracht werden.

Vor dem Haus von Charlies Familie in einem ruhigen Vorort von Köln, ließ Dimitri sie aussteigen. Mit einem „Viel Glück" von ihren Freunden verabschiedete sich Charlie.

Erst als das Auto nicht mehr zu sehen war, wandte sie sich ihrem Zuhause zu. Mit nun doch etwas zittrigen Händen kramte sie den Schlüssel hervor und öffnete das Gartentor. Vor der Haustür holte sie noch einmal tief Luft.

Da musst du jetzt durch! Alles wird gut laufen, sagte sie zu sich selber.

Sie öffnete die Tür und betrat das Vorzimmer.
„Mama? Bist du zuhause?", rief sie in den Raum hinein.
Plötzlich hörte sie ein lautes Klirren in der Küche und einen Augenblick später erschien ihre Mutter im Türrahmen.
Erschrocken und mit großen Augen sah sie ihre Tochter an. „Charlie?"
Sie schoss über die letzten Meter zwischen ihnen und fiel ihrer Tochter um den Hals.
„Wo zum Teufel bist du gewesen?!"

***
Hallo, ihr Lieben.
Ja, ich lebe noch. Ich hatte einfach überhaupt keine Zeit, zu schreiben (TT.TT)

Ich kann euch noch nicht versprechen, wie oft ich hier updaten kann, aber ich verspreche euch, dass es 100000%ig nicht wieder ein Jahr wird, bis ihr das nächste Kapitel bekommt.

Übrigens, wenn euch dieses Kapitel gefallen hat, dann gebt mir doch ein Sternchen dafür :)

Die zersplitterte Zeit // Armans GeheimnisWhere stories live. Discover now