Ist dir aufgefallen, dass wir nicht nur zu zweit sind? Das finde ich ziemlich befremdlich. Gerne würde ich ausschließlich mehr über dich erfahren. Deine letzte Nachricht lässt mich nicht los. Es ist grausam, dass Menschen einen so vernachlässigen. Leider kann ich mir deine Misere gar nicht vorstellen. Dir jetzt ausführlich von meinen zu erzählen, käme der Situation gleich, als würde ein Weltkrieg ausbrechen und ich mich über die steigenden Benzinpreise beschweren.

Da wir zu Beginn jedoch vereinbart hatten, ehrlich zu sein und unsere eigenen Probleme auszuführen, werde ich das hiermit tun. Es brennt mir etwas auf der Seele, das unbedingt gesagt werden muss. Es gab eine Zeit in meiner Kindheit, auf die ich nicht stolz bin. Damals hatte mich meine beste Freundin verlassen, ohne dass ich den Grund dafür kannte. Zwar kam sie schnell wieder, lieferte mir aber nicht sofort die Erklärung für ihr Fernbleiben. Zum selben Zeitpunkt erfuhr ich, dass meine Eltern mir ebenfalls etwas verschwiegen.

Obwohl sie, anders als deine, immer für mich da waren, brach eine Welt in sich zusammen. Ich nahm an, es liefe eine Art Verschwörung. Bis zu dem heutigen Tage habe ich mich nie mit meiner Freundin ausgesprochen. Irgendwann vertraute sie sich mir an, als sie bereit dafür war, aber ich schaffte es nicht, diese Geste zu erwidern. Zu viel war passiert. Leute, die mir mitteilten, ich würde ihnen am Herzen liegen, stieß ich von mir. Da war eine Stimme, die flüsterte, es verbockt zu haben. Ihr glaubte ich und schwieg, aus Angst, ansonsten alle zu verlieren.

Zu hören, dass dich deine Mitschüler verstoßen haben, macht mich traurig. Mit diesem Brief möchte ich dir sagen, dass es nicht unbedingt daran liegt, weil du weird bist. Jeder hat mit sich selbst zu kämpfen. Wenn ich deine Geschichte höre, frage ich mich, warum ich mit der Sache nicht besser umgehen konnte. Sie kommt mir wieder einmal viel dramatischer vor. Dass ich einen Fehler gemacht habe, der nicht gerechtfertigt ist, weiß ich zwar schon länger, aber es erneut vor Augen geführt zu bekommen, schmerzt.

Sich ein Hobby zur Ablenkung suchen - Improtheater - scheint mir eine gute Idee.

Sorry!

Und das letzte Wort drückte nicht mal im Entferntesten aus, wie leid es mir tat. Vielleicht demonstrierte es die klitzekleine Träne, die überraschenderweise auf das Papier im Mamormuster tropfte. Überraschend deshalb, weil ich damals, nach Abbrechen des Kontakts mit Arian überhaupt nicht geweint hatte. Nicht mal, als ich Fallsberg und meine beste Freundin zurückließ.

In dem Chaos auf dem Schreibtisch versuchte ich, ein Taschentuch zu finden. Buntstifte mischten sich mit Filzstiften. Dazwischen lag irgendwo meine Schere. Anstatt dass die Blöcke und Papiere in ihre vorgesehene Halterung lagen, bedeckten sie die komplette Arbeitsfläche. Blumen, Mamor, leere Blätter - ach, und da hatte ich die Textmarker hingelegt.

Ich schaltete meine Schreibtischlampe an, die sich in einem Messingbogen nach unten beugte. Ein paar Charakterkarten aus meinen liebsten Serien steckte ich mit einer Wäscheklammer zurück an ihren rechtmäßigen Platz direkt über den Schreibtisch. Die Gitterwand half mir, nicht vollkommen unterzugehen. Den Laptop und die Tastatur legte ich auf den Container neben mir. Tief durchatmen!

Ich fand keine Taschentücher, dafür eine Rolle Bastband. Einen Faden, etwa eine Handspanne breit, schnitt ich ab und band ihn um das eingerollte Papier. Den Brief legte ich in die Halterung, die eigentlich für das Briefpapier vorgesehen war. Das Vibrieren meines Handys ließ mich zusammenfahren. Ein Blick auf das Display verriet mir, dass es eine Gruppenachricht von unserer Kummerkasten-Truppe war.

FRÜHLINGSFEST!!!
Larson Tahiri

Wer ist dabei?
Larson Tahiri

Ist die Frage ernst gemeint?
Dina Kallinovsky

Box Nr. 7Where stories live. Discover now