Kapitel 15

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Vor Wut auf mich und alle Leute, die dazu beigetragen hatten, stand ich bebend auf. Tayla schaute mich mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an. Wie sollte sie auch verstehen, was ich Unverzeihbares getan hatte? Das konnte sie nicht. Sie war noch ein Kind! Und dazu ein Alien! Meinetwegen waren sie in Gefahr, meinetwegen waren alle in Gefahr! Ich war schuld. Nein, diese Tatsache würde ich nicht auf mir ruhen lassen. Ich hatte viele Möglichkeiten an die Menschen heranzukommen und ich würde jede nutzen, die ich konnte.

Im Laufe des Tages rannte ich wie ein aufgescheuchtes Huhn herum und war die ganze Zeit am Tablet oder meinem Laptop. Ich lud auf verschiedenen bekannten Plattformen Videos oder Texte hoch, in denen ich erklärte, was in jener Nacht geschehen war. Es war riskant, meinen Namen dafür herzugeben, aber ich hatte keine Wahl, wenn ich den Lauf der Dinge noch stoppen wollte. Ich musste die Menschen überzeugen. Ihnen die Wahrheit nahebringen. Das war die einzige Rettung. Vorausgesetzt ich wurde überhaupt ernst genommen.

Ich ließ den Kopf in meine Arme auf den Schreibtisch sinken. Nur für einen Moment wollte ich mir eine Pause gönnen. Meine Lider fielen von selbst zu. Langsam dämmerte ich weg.

Gähnend löste ich mich aus meiner unbequemen Position. Ich hatte im Sitzen geschlafen, nur wie lange? Meinen steifen Gliedern nach, ziemlich lange. Müde schaute ich auf die Uhr. Es war 17 Uhr. Ich rappelte mich auf und streckte mich, sodass meine Gelenke knackten. Wo war Tayla? Ich hatte sie schon eine Weile nicht mehr gesehen - auch bevor ich eingeschlafen war. Also stand ich auf und ging ins Wohnzimmer, wo ich ein leeres Sofa vorfand. Mein Blick schwenkte zur verlassenen Küche rüber und dann zum Balkon. Dort war sie auch nicht. Wahrscheinlich war sie auf der Toilette oder sie lag in meinem Bett, um ungestört zu schlafen. Schließlich war das Gästebett, dass sie normalerweise benutzte, in meinem Büro. Sicher wollte sie mich bei der Arbeit nicht stören. Schnell checkte ich das Badezimmer ab. Ich schob die Tür auf, welche nicht verschlossen war. Meine Vermutung bestätigte sich. Tayla war auch nicht hier. Aber ein Zimmer war ja noch übrig.

Vorsichtig lugte ich in mein Schlafzimmer. Sie schlief vielleicht, da wollte ich sie nicht wecken. Tayla war ganz bestimmt hier. Wo auch sonst? Mehr Räume gab es nicht und sie wäre sicherlich nicht auf eigene Faust die Menschenwelt erkunden gegangen. Eigentlich sollte sie die Gefahren kennen. Außerdem hatten wir ausgemacht, dass ich sie morgen in die Stadt begleiten würde. Warum also sollte sie gehen? Es gab keinen Grund, also war sie in diesem Zimmer.

Ein Lichtstreifen zog sich durch den Türspalt, aber er verblasste auf dem Boden, da dieser genauso hell war. Manche schliefen halt nicht im Dunkeln. Womöglich war Tayla auch wach. Die Tür machte keinen Laut, als ich sie weiter aufschob. Meine Augen erfassten zuerst einen kleinen Hügel unter der Bettdecke. Erleichtert ging ich näher ran. Ich wusste doch, sie lag in diesem Bett. Doch zu meinem Entsetzen, stellte ich fest, dass niemand dort lag. Ich schlug die Decke zurück. Der Hügel war nur ein Hügel und nicht durch Taylas Körper entstanden. Niemand war darunter. Auch niemand war hier.

»Tayla, wo bist du? Das ist nicht witzig!« Keine Antwort. Es blieb still.

Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Tayla, entweder als Mensch oder als Alien, war verschwunden. Es war meine Aufgabe gewesen, auf sie aufzupassen. Endlich hatte ich mal etwas Wichtiges in meinem Leben zu tun. Endlich hatte ich mal eine Aufgabe bekommen. Und ich hatte sie nicht erfüllt! Mein Herzschlag beschleunigte sich. Sie war in der Wohnung, ich hatte sie nur übersehen, dachte ich, glaubte es jedoch selbst nicht wirklich. »Tayla!«, rief ich erstickt. Obwohl ich es mir nicht anmerken lassen wollte, war es doch geschehen. Aber wem sollte das auch auffallen? Es war keiner hier, der es hätte hören können. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Egal, wie oft ich schluckte, er blieb, wo er war und schnürte sich nur noch fester zu. Auch, wenn ich wusste, dass es nichts nützte, suchte ich dennoch die ganze Wohnung ein zweites Mal ab. Gründlicher als vorher. Doch es brachte mich zu demselben Schluss. Tayla war spurlos verschwunden.

Nein! Wo war sie? Wenn sie aus dem Block gegangen war, würde ich ihr den Hals umdrehen, vorausgesetzt ich fand sie. Wieso musste sie mir solch einen Schock verpassen? Einfach abzuhauen, ohne mir Bescheid zu sagen. Unentschlossen, ob ich jetzt wütend oder traurig sein sollte, rannte ich auf den Balkon und schob meine Gefühle vorerst beiseite. Ich musste sie finden, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wo ich anfangen sollte. Tayla hätte mir doch wenigstens einen Zettel hinlegen können. Obwohl, konnte sie denn überhaupt schreiben? Wahrscheinlich nicht in meiner Sprache. Das brachte mich auf eine Idee. Ich kannte doch einen Ort, wo sie hinkonnte. Die Raumschiffe ihrer Artgenossen.

Ich schaute zu dem Meer hinaus, das sich erst 18:25 Uhr wieder zurückzog. Unscheinbar schmiegten sich die Kugeln in das Bild ein. Manche lagen auf Sandbänken, an anderen spalteten sich die Wellen und verfielen zu Gischt, die tonlos auf das Metall hinab rieselte. Nichts deutete auf Leben im Inneren hin. Alles schien verlassen. Wie sollte ich ungesehen über das Meer kommen? Gar nicht. Ich würde nicht noch einen Versuch starten, erst bei Ebbe. Am Tage war es sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen. Mein Blick fiel auf den Strand. Dort waren mehr Soldaten als nur die Wachen. Plötzlich wurde mir klar, was das bedeutete. Wenn Tayla wirklich auf dem Schiff war, schwebte sie in großer Gefahr, genau wie die anderen Aliens. Vielleicht war sie deshalb gegangen, um sie zu warnen. Aber sie hätten genauso gut mit ihrem Lichttelefon kommunizieren können. Womöglich war Tayla doch woanders.

Es war sinnlos. Ich wusste weder, wo sie war, noch ob sie zurückkam. Sie konnte in Gefahr sein oder nicht. Aber eins war leider sicher: Ein Krieg war kurz davor zu eskalieren. Dann war es wirklich sinnlos, sie zu suchen, wenn ich nicht selbst hineingeraten wollte, obwohl ich es irgendwie schon längst war.

Alienwar - Ist das der Untergang?Where stories live. Discover now