Kapitel 8

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Die drei Lichtwesen hatten mich umzingelt. Ich hatte die Befürchtung, dass ihre lila Farbe für Wut stand und dass ich bei den anderen nicht willkommen war. Nur Zischß war nett gewesen. Hoffentlich konnte sie die anderen überzeugen. Vorausgesetzt sie tat es überhaupt. Immerhin kannte sie mich genauso wenig, wie ihre Begleiter.

Andererseits, was könnte Licht mir schon antun? Es konnte mich ja nicht berühren. Wollten sie mich blenden? Irgendwie auch wirksam, wenn der Gegner sich nicht wehren konnte, weil er nichts sah.

Ich musste sie überzeugen. Ich musste ihnen erklären, dass ich nichts Böses wollte. »Ich wollte wirklich nur wissen, wer ihr seid«, betonte ich.

»Bist du allein oder ist das ein Hinterhalt?« Der Erste war echt gerissen. Aber wenigstens sprach er es offen an, statt mich sofort zu verjagen. Womöglich hätten sie es tatsächlich geschafft, mich einzuschüchtern und zu gestehen, würde ich sie in einen Überfall locken wollen.

»Nein, ich bin allein.« Ich straffte die Schultern, doch es gab mir nicht wirklich mehr Selbstvertrauen. »Vielleicht seid ihr es ja, die einen Hinterhalt planen«, konterte ich, auch wenn dieses Argument ziemlich sinnlos war. Wenn ich ihnen von selbst in die Hände lief, brauchten sie es ja nicht mehr tun.

»Du bist nicht in der Position dafür, das infrage zu stellen!«, zischte mir der Dritte entgegen. Das war eindeutig eine Drohung. Ich musste hier weg, und zwar schnell. Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, die Außerirdischen zu besuchen? Ich war leichtsinnig und deshalb musste ich jetzt die Konsequenzen dafür tragen. Niemand konnte mir helfen, egal wie laut ich schrie. Keiner konnte mich hören. Ich war verloren.

Mühevoll unterdrückte ich meine Angst und räusperte mich. Wenn sie sahen, dass ich Angst hatte, zeigte ich Schwäche und das könnte zu meinem Nachteil werden. Das schaffte ich ganz einfach, indem ich wütend und herrscherisch klang. »Ich meine es ernst, woher soll ich wissen, ob ich euch trauen kann?« Das war das Problem. Keiner traute dem anderen, weil wir uns nicht kannten.

»Das kannst du«, meldete sich nun Zischß zu Wort. Sie war auf meiner Seite, stellte ich erleichtert fest. »Xiß, Kendra ist ungefährlich, glaub mir.«

Der zweite, Xiß, antwortete. »Du kennst sie erst seit ein paar Minuten. Woher willst du es wissen? Selbst nach mehreren Zyklen kann dir ein Freund immer noch in den Rücken fallen!« Konnte Zischß etwas ausrichten? Meine ganze Hoffnung sollte nicht auf ihr ruhen. Und doch war sie meine einzige. Was sollte ich dann tun? Worte schienen nicht zu helfen. Ich war verzweifelt. Wieso war ich nur so dumm gewesen, herzukommen?!

»Wir hatten doch ausgemacht, dass wir nur analysieren und keine Menschen hereinlassen.«

»Schon, aber sie sah echt enttäuscht aus ... Irgendwie tat sie mir leid.« Wow. Ihre Worte zauberten ein Lächeln auf meine Lippen. Sie war netter, als ich dachte.

Der Dritte zeigte dagegen kein Verständnis. »Mitleid! Wegen Mitleid hätten wir draufgehen können. Die Kugel ist sicher. So schnell bekommt die niemand kaputt, es sei denn, man lässt einen Menschen rein!« Ich verstand, dass er sauer war und Zischß ein Risiko eingegangen war, aber das Gleiche galt für mich genauso. Niemand wusste, wie der andere reagieren würde. Manchmal muss man es wagen, sonst tritt man nur auf der Stelle herum und kommt nie einen Schritt vorwärts.

»Hey! Rede nicht so mit meiner Tochter!«, sagte Xiß und erzeugte ein Knistern. Dann bemerkte ich, dass in ihm kleine Blitze hin und her zuckten.

Bevor noch ein heftiger Streit unter ihnen ausbrach, trat ich dazwischen. »Ich weiß, dass es ein Risiko Ihrerseits war, sich zu öffnen«, setzte ich an, »aber das Gleiche galt auch für mich. Mehr als wissen, wollte ich nicht ... Ich glaube, ich sollte jetzt gehen.«

»Ja, das solltest du«, bestätigte der Dritte.

»Geh noch nicht«, sagte Zischß. Ich schenkte ihr nur einen tut-mir-Leid-Blick und wandte mich zum Gehen.

»Warte.« Erstaunt drehte ich mich um und sah, dass Xiß vorgerückt war. »Vielleicht sagst du ja die Wahrheit ...«

»Das tue ich.« Worauf wollte er hinaus? Es klang jedenfalls gut.

»... dann wäre es nur fair, wenn du auch die Chance bekommst, mehr über uns zu erfahren.« Ja! Er hatte seine Meinung geändert. Und endlich bekam ich das, was ich wollte. Endlich würde ich erfahren, wer diese Wesen waren. Ich würde die Erste sein, die es erfuhr. Der allererste Mensch.

»Danke, Xiß«, sagte Zischß fröhlich. Für einen kurzen Moment glühten gelbgrüne Farbtupfer auf.

»Danke«, sagte auch ich. Als ich zu ihrem Vater sah, schaute ich mir seine Farben genauer an. Vielleicht fand ich heraus, welche Farbe zu welchem Gefühl passte. Bis jetzt glaubte ich, dass Lila zu Wut gehörte und Gelb zu Fröhlichkeit. In Xiß spielten gelbe und hellgrüne Tupfer miteinander.

»Stell uns eine Frage und wir geben dir die Antwort. Im Gegenzug würde ich gern ein bisschen mehr von eurem Planeten wissen.« Endlich erfuhr ich alles und die Bedingungen waren mir recht.

Doch nun zuckten in dem Dritten gefährliche Blitze. »Nein!«, donnerte er und ich erschrak, aber ließ mir meine Unsicherheit nicht anmerken. »Wie kannst du das nur zulassen? Das gehört nicht zu unserer Expedition. Sie kann das Wissen gegen uns verwenden, denkt denn niemand an das Volk?« Jetzt wurde er richtig wütend. Hoffentlich konnten die anderen ihn wieder beruhigen. Warum konnte er sich nicht einfach freuen, schließlich haben sie auch etwas davon? Wo blieb sein Optimismus und seine Offenheit? Ihm fehlte definitiv einiges davon. Hätte ich nicht zu viel davon gehabt, stände ich nicht hier. Manchmal würde ich gern ein wenig abgeben, er bräuchte es auf jeden Fall. Leider ging das nicht. Er blieb sauer und wurde für mich zu einem Problem.

Er färbte sich grau und violett im Inneren. Welches Gefühl war wohl grau? Das musste ich unbedingt fragen. Aber eins nach dem anderen.

»Natürlich tun wir das, deshalb erfahren wir von ihr, was wir nicht wissen. Für das Volk«, bestätigte Xiß.

»Ich bin dafür, dass wir abstimmen. Die Entscheidung hängt nicht bei dir allein. Cintz? Was ist deine Entscheidung?« Xiß gab keine Einwände. Hatte er doch nicht so viel zu sagen, wie ich zuvor noch glaubte?

Der erste, Cintz, hatte sich bisher nicht groß an dem Gespräch beteiligt. Ich hatte keine Ahnung, wie er zu der Situation stand, also versuchte ich seine Stimmungsfarben zu deuten. Ein blasses Orangerot. Sagte mir doch nichts. An seiner Entscheidung hing viel. Entweder konnte ich bleiben oder es war Gleichstand.

»Ich bin jedenfalls dafür«, sagte Xiß.

»Ich auch!«, rief Zischß. Zwei zu eins für mich.

»Du hast kein Mitspracherecht, Zischß. Das geht nur die Erwachsenen etwas an, du bist noch zu jung«, widersprach der dritte. Er musste aber auch immer alles anders machen. »Außerdem sind wir sonst eine gerade Zahl, dann geht es nicht auf.« Warum hatte er immer so gute Gegenargumente? Das war ungerecht!

»Ich bin alt genug, um selbst Entscheidungen zu treffen!« Ihr gerade noch so strahlendes Gelb verblasste. Stattdessen zogen sich lila Streifen durch das Lichtwesen. Zischß war wütend und das machte mich wütend. Er musste ja noch unnötigen Streit beginnen. Gerade als alles gut gelaufen war. Auch wenn ich Zischß noch nicht lange kannte, genau genommen erst seit ein paar Minuten, aber sie war nett zu mir gewesen, im Gegensatz zu ihren Gefährten. In unserer Zeit wären wir mit sechsundzwanzig bereits erwachsen, aber umgerechnet war sie erst dreizehn, wenn ihresgleichen zweihundert Zyklen alt wurde. Dann war sie tatsächlich noch ein Kind. Es sei denn, unsere Jahre entsprachen zeitlich nicht ihren Zyklen. Trotzdem sollte sie mit abstimmen dürfen - eigentlich nur, weil sie für mich war.

»Wenn sie alt genug für die Expedition ist, dann ist sie auch alt genug, um abzustimmen«, erklärte Xiß nun auch gereizt. Sie stritten sich um mich und es lief nicht gut.

»Meinetwegen, dann hat sie eben eine halbe Stimme«, sagte der dritte. Die halbe Stimme machte allerdings keinen Unterschied. Wenn Cintz sich nicht für mich entschied, dann hatte ich verloren oder es gab einen größeren Streit. Daran war ich schuld.

Alienwar - Ist das der Untergang?Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon