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In der Nacht wache ich schreiend auf, geplagt von Alpträumen. Dieses Martyrium durchlebe ich noch zwei weitere Nächte und nervlich bin ich total am Ende. Wie ein Häufchen Elend sitze ich auf der Couch, eingewickelt in eine Decke und weder fertig gemacht, noch hübsch angezogen. Einfach nur in Jogginghose und Shirt. „Guten Morgen. Kaffee?", begrüßt mich Kol. „Danke", seufze ich und nehme die Tasse entgegen. „Wieder eine schlechte Nacht?", erkundigt er sich. „Ja", murmele ich. „Das tut mir sehr leid", meint Kol und setzt sich zu mir. „Ich habe mir was überlegt. Diese ... Manipulation. Kannst du damit auch Erinnerungen löschen oder verändern?", erkundige ich mich. „Theoretisch schon", meint Kol. „Wird er aber nicht tun, denn mein kleiner Bruder ist ein Feigling", sagt plötzlich jemand hinter uns. Ich drehe den Kopf und sehe meinen Peiniger im Raum stehen. Ich springe auf und lasse die Tasse fallen. „Du wirst ihr nichts mehr tun", sagt Kol und stellt sich beschützend vor mich. Er nimmt meine Hand und schiebt mich komplett hinter sich, sodass ich verborgen bin. „Gib den Weg frei, Bruder", verlangt Klaus. „Niemals. Du wirst dieses arme Mädchen in Ruhe lassen. Sie hat in den letzten Tagen genug durchgemacht", knurrt mein Beschützer. „Ich werde es zu Ende bringen", sagt Klaus. „Hast du mir nicht schon genug angetan?", frage ich und wage ich einen Schritt zur Seite, um ihm ins Gesicht zu schauen. „Du wolltest es doch", grinst er. „Bitte? Ich ...", beginne ich. In diesem Moment greift Klaus hinter sich, holt aus und bevor ich blinzeln kann, widerfährt mir ein stechender Schmerz in Oberkörper und ein gewaltiger Ruck. Mich reißt es von den Beinen und ich merke, dass mich etwas durchbohrt hat. Als ich an mir runtersehe, entdecke ich einen Pfahl , der in meinem Bauch steckt und wohl am Rücken wieder herausragt. Mein Atem stockt und mein Herz rast. „Bleib ganz ruhig, Liebes", sagt Kol erschrocken und kniet sich zu mir.

„Was hast du getan, Nicklaus?", brüllt eine weitere Stimme. Ich kann sie eindeutige Elijah zuordnen. Mir steht mittlerweile der kalte Schweiß auf der Stirn. „Hey, hör auf meine Stimme. Ich ziehe dir den Pfahl jetzt aus dem Körper. Du musst mein Blut trinken, hörst du?", sagt Kol und packt das Holz. Mit einem Ruck zieht er es aus meinem Körper und ich schreie vor Schmerzen los. „Hier, trink", sagt Kol. Er beißt sich in die Hand und drückt diese an meinen Mund. Ich trinke das Blut, dass in meine Kehle rinnt und merke, wie die Wunde langsam heilt. Mein Retter legt mich auf die Couch, deckt mich zu und stürmt davon. Ich nehme an, dass er es auf seinen Bruder abgesehen hat. Nach einiger Zeit tauchen Elijah und Kol wieder auf. Ich sitze zusammengekauert auf der Couch und zittere noch immer vor mich hin. „Jana", sagt Elijah. „Wo ist ...", beginne ich. „Nicklaus ist weg", sagt Kol. Er setzt sich zu mir. „Wir haben einen weiteren Bruder. Und zwei Schwestern. Unser Bruder, Finn ... ich habe dir von ihm erzählt. Er ist auch hier, um dich zu beschützen. Ich habe ihm alles erzählt und gemeinsam haben wir unseren Bruder verfolgt", erzählt Elijah.

In diesem Moment betritt ein großer schlanker Mann mit Kurzhaarschnitt den Raum. Er sieht wahnsinnig gut aus, wie seine Brüder. „Hallo, Liebes", sagt er. Die drei Brüder stehen um mich herum, ich sitze noch immer völlig fertig auf der Couch. „Das war für heute wohl genug. Geh doch etwas schlafen", meint Kol. Ich laufe zu meinem Zimmer, hole mir frische Kleidung und entledige mich der blutigen Kleidung. Dann lasse ich mir Wasser ein und lege mich zur Erholung eine Weile in die Wanne. Nach einer halben Stunde ist das Wasser schon abgekühlt, also steige ich hinaus, trockne mich ab und ziehe mich an. So lege ich mich ins Bett und wickele mich ein. Nach wie vor kann ich nicht schlafen, die jüngsten Ereignisse tragen noch dazu bei. Irgendwann schleiche ich mich auf die Veranda und beobachte den Sonnenaufgang, der eine halbe Stunde später beginnt. Die Sonne strahlt mir ins Gesicht. „Tee? Ich hoffe, du magst Tee", sagt plötzlich jemand neben mir.

Ich schaue auf und sehe Finn an. „Danke", sage ich und nehme die Tasse entgegen. „Was machst du hier so früh?", erkundigt er sich. „Ich kann nicht schlafen. Seit Tagen", sage ich. „Du wolltest deshalb, dass dir mein Bruder die Erinnerung daran nimmt?", möchte der Vampir wissen. Ich denke, dass er auch ein Vampir ist. „Ja. Bist du auch ein ... wie deine Brüder?", erkundige ich mich. „Alle. Außer unsere ältere Schwester", meint er. „Deine Familie ... ihr seid sehr nett zu mir. Abgesehen von Nicklaus", sage ich. „Keiner weiß, was in seinem kranken Schädel vorgeht", seufzt Finn und setzt sich zu mir. „Ich denke, dass du vielleicht Schlaf bräuchtest. Darf ich dir diesen verschaffen?", meint er. Ich nicke und schaue ihn an. Finn legt eine Hand unter mein Kinn und schaut mir tief in die Augen. „Du wirst damit klarkommen, was passiert ist. Auch, wenn es nicht in Ordnung von meinem Bruder war. Du wirst wieder schlafen können und im Alltag zurechtkommen", sagt er und lässt mein Kinn wieder los. Ich fühle mich ... besser und definitiv reif für einen langen Schlaf. „Geh schlafen, Jana", meint Finn. Ich stehe auf und taumele vor Müdigkeit regelrecht. „Oh, Vorsicht", meint er, nimmt mich auf seine Arme und bringt mich ins Bett. Ich schlafe direkt ein, so müde und erschöpft bin ich. Als ich Stunden später aufwache, fühle ich mich deutlich besser. Ich weiß, dass Finn mich manipuliert hat und meine Erinnerungen trotzdem noch vollständig da sind. Langsam stehe ich auf und laufe ins Bad. Dort mache ich mich frisch und ziehe mich dann schließlich um. Im Wohnzimmer sitzt Kol. „Du bist wieder wach. Geht es dir besser?", erkundigt er sich. „Ja, danke. Finn hat mich manipuliert. Ich weiß noch alles, aber er hat es trotzdem klug angestellt", sage ich. „Das ist mein älterer Bruder. Ich wollte das gestern schon tun", meint er und steht auf. „Was?", frage ich unsicher und schaue ihn fragend an. Kol kommt auf mich zu, legt eine Hand an meine Wange und küsst mich. Ich fühle Wärme und Geborgenheit. In meinem Bauch explodieren Schmetterlinge. „Das musste ich tun", sagt er leise und streicht mir über die Wange. Ich schlinge meine Arme um ihn. Er legt seine um mich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Meine Brüder haben etwas vorbereitet. Um dich zu schützen. Wenn du die Eigentumsurkunde für dieses Haus unterschreibst, kann nur der eintreten, den du hereinbittest. Nicklaus wird so nicht mehr eintreten können", erklärt mir Kol und löst die Umarmung. „Das wollt ihr tun?", frage ich. „Ja, das tun wir. Und wenn du auch so empfindest, würde ich dir gerne irgendwann einen Ring anstecken. Dann gehörst du endgültig zur Familie", spinnt er die Geschichte weiter. „Ich bin dir so dankbar. Ich ... liebe dich", sage ich glücklich und wische mir eine Träne weg.

Der geheimnisvolle Fremde im AnzugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt