Überraschungsbesuch

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Überraschungsbesuch

Breit grinsend betrachtete Jonas den unter der Bettdecke hervorlugenden Haarschopf, dessen Besitzer dem leisen Schnarchen nach zu urteilen tief im Reich der Träume wandelte. Die blonden Strähnen leuchteten golden im Licht der hereinfallenden Sonne.

„Eeeerik", flötete Jonas. „Aaaaauuufwachen."

Erik brummte und drehte ihm den Rücken zu.

„Na komm, hoch mit dir. Du hast selbst gesagt, dass ich dich um zehn aus'm Bett schmeißen soll. Es is' jetzt halb elf."

Erneutes Brummen, minimal kohärenter.

Jonas entschied, seinen Joker zu ziehen. „Der Frühstückstisch ist schon gedeckt."

Das brachte Leben in Erik. „Du hast Frühstück gemacht?"

„Denkst du, ich schwindle?" Leichtfüßig krabbelte Jonas aufs Bett, um Erik einen langen Kuss auf die Lippen zu drücken. „Alles fürs Geburtstagskind. Happy Birthday."

„Hmm." Erik lehnte sich an Jonas, presste die Nase gegen dessen Schlüsselbein. Er roch nach trockenem Holz und Schlaf. „Daran könnte ich mich gewöhnen."

„Das hättest du letztes Jahr auch schon haben können, wenn du mir damals verraten hättest, wann genau du Geburtstag hast."

„Letztes Jahr um die Zeit haben wir noch nicht zusammengewohnt", erwiderte Erik. „Wir waren nicht einmal zusammen."

„Und trotzdem hätte ich dir schon damals die Seele aus dem Leib geknutscht, wenn du mich gelassen hättest." Noch bevor Jonas seinen Satz beendet hatte, schlangen sich kräftige Arme um seine Taille, hielten ihn fest gegen den Körper seines Freundes gepresst. Gegen diesen kraftvollen, vom Bett gewärmten Körper – Stopp!

Resolut schob Jonas Erik zurück. „Nope. Wenn wir jetzt damit anfangen, kommen wir heute gar nich' mehr ausm Bett. Geh ins Bad, dann koch ich derweil die Frühstückseier."

Erik folgte Jonas' Aufforderung, allerdings nicht, ohne ihm zuvor mit Blicken und Berührungen klarzumachen, was er sich da entgehen ließ. Als ob Jonas das nicht ganz genau wusste.

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„Sieht aus, als würde Marcos und Dragos Zug ohne Verspätung durchkommen", sagte Erik nach einem Blick auf sein Handy, das er gleich darauf zur Seite legte, um sich seiner Zimtschnecke zu widmen.

„Das heißt, sie sind am frühen Nachmittag in Berlin, oder? Und Marco will heut Abend echt noch für uns alle kochen? Is' doch scheißanstrengend so 'ne lange Zugfahrt."

Damit hatte Jonas genug Erfahrung, schließlich dauerte die Fahrt von Berlin nach München, die er regelmäßig antrat, um seine Familie in Bayern zu besuchen, vergleichbar lang. Das Auto zu nehmen hatte sich trotz der Möglichkeit, sich dabei mit Erik abzuwechseln, ebenfalls als wenig komfortabel entpuppt. So gerne Jonas fuhr, über Stunden hinweg die Konzentration aufrechtzuerhalten fiel ihm schwer. Nächstes Mal nahmen sie definitiv wieder den Zug, dann konnten sie sich während der Fahrt wenigstens entspannen.

Wobei es sicher eine Weile dauern würde, bis sich Erik erneut freiwillig Jonas' Familie stellte, was man ihm kaum verdenken konnte. Er hatte die Weihnachtsfeiertage herausragend gemeistert und sogar Jonas' Mutter zu zähneknirschender Akzeptanz bewegt, doch auch zwei Wochen danach sah man ihm an, wie viel Kraft ihn diese Zeit gekostet hatte.

Jonas ging es ähnlich. Er wünschte sich ein gutes Verhältnis zu seiner Familie, im Augenblick brauchte er jedoch Abstand, um alles Gesagte und Ungesagte zu verdauen. Dennoch freute er sich auf den Beginn der Semesterferien, und darauf, seiner Familie mit neuer Energie und Liebe gegenüberzutreten.

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⏰ Last updated: Aug 06, 2022 ⏰

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