High

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Joko war high. Vom Moderieren, den Reaktionen der Zuschauer und diesem verdammten Song. Ein Cocktail aus Adrenalin, Dopamin und Serotonin schoss durch seinen Körper und bescherte ihm ein Hochgefühl, welches er so seit langer Zeit nicht mehr gespürt hatte.

Er hatte die Show ohne Panne überstanden, trotz Lampenfieber und den Augen der Öffentlichkeit. Sobald das rote Licht angegangen warm, hatte er alles andere vergessen. Es fühlte sich so leicht an, wie Fahrrad fahren. Den Rest des Tages würde er ruhig angehen. Keine Action mehr für ihn. Wahrscheinlich würde er sich ein heißes Schaumbad in seinem Hotelzimmer gönnen. Vom Zimmerservice ein gutes Essen und einen hervorragenden Wein bringen lassen. Und Joko würde sich eine erholsame Nacht gestatten. Die Probleme und Sorgen auf morgen verschieben.

Um der Versuchung namens Klaas Heufer-Umlauf aus dem Weg zu gehen, war er bewusst noch im Studio geblieben und holte sich nun den versprochenen Drink bei Schmitti ab. Sie feierten die aufgezeichnete Sendung. Wie konnten sie auch nicht? Es war eine Premiere, die sie in letzter Sekunde vorbereitet hatten und trotzdem war alles glattgelaufen. Der Feierabenddrink war somit mehr als verdient.

Die Krawatte eingerollt in der Hosentasche und drei Knöpfe des Hemdes geöffnet, saß Joko mit Jakob und Thomas im Studio. Mit dem Gin Tonic Glas in der Hand ließ er den Abend ausklingen. Ein Bier reichte ihm gerade nicht. Die Gedanken rasten in seinem Kopf von links nach rechts. Ließen ihn zu keinem Ergebnis kommen.

Der Song hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Die Worte waren da. Die Worte spielten mit ihm. Hielten ihm ein Leben vor, welches er haben konnte. Vermutlich haben konnte, wenn er den Sprung wagte. Die Auswahl an Songs war kein Zufall. Sie waren bewusst ausgewählt worden. Das hatte er an den Reaktionen von Jakob und Schmitti bemerkt.

Diese blickte er nun nachdenklich an und nahm einen Schluck von seinem Gin Tonic. Sie wussten mehr, als sie ihm weis machen wollten. Aber wundern sollte ihn das nicht. Niemand hatte in den letzten Monaten mehr Zeit mit Klaas verbracht. Sie waren bei den Vorbereitungen dabei. Sowohl für die Sendungen als auch für den Podcast. Wehmut legte sich auf seine Stimmung, als Joko daran dachte, wie viel er verpasst hatte. Wen hatte er mit seinem Wegbleiben eigentlich bestrafen wollen?

„Wer sagt mir jetzt, was das sollte und wieso mich keiner vorgewarnt hat?", fragte Joko und beobachtete.

Sah, wie sie einen Blick tauschten und dann stumm auf ihre Bierflaschen starrten. Jakob räusperte sich, während Schmitti einen großen Schluck nahm.

„Wir haben nicht dran gedacht ..."

„Blödsinn!"

„Wir dachten nicht, dass es ein Problem ist ..."

„Verarsch mich nicht! Was soll der Mist?", fuhr Joko erneut laut dazwischen und verstärkte seinen Griff um das Glas. „Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Es stresst mich so ultra. Die Leute da draußen sind doch nicht dumm. Die checken doch sofort, was das alles soll."

„Du machst dir viel zu viele Gedanken. Keiner achtet auf solche Sachen", sagte Jakob.

„Ich bitte dich. Jedes Bisschen wird unter die Lupe genommen. Wenn das dann nicht erst recht ..."

„Joko, jetzt beruhig dich mal! Was ist denn so schlimm daran? Wolltest du nicht immer, dass Klaas zu seinen Gefühlen steht?"

„Aber doch nicht so."

„Wie denn sonst?", fragte Schmitti und verdrehte die Augen. „Du solltest dich schon irgendwann mal entscheiden, was du willst. Dieses Theater kann nicht ewig so weitergehen."

„Oh, sorry, dass es hier nur um mein Leben geht und es dir solche Probleme bereitet", antwortete Joko sarkastisch und verzog das Gesicht.

„Jetzt bleib doch mal ernst! Wie stellst du dir das denn vor? Wollt ihr ewig umeinander herumschleichen und in diesem Zustand bleiben?"

Unbeschriebenes BlattWhere stories live. Discover now