Unentschlossen

452 13 1
                                    

Joko war unentschlossen. In seinem Inneren schlugen zwei Herzen. Er wollte sich von Klaas los reißen, aus dem Büro rennen und nie wieder zurück blicken. Aber er wollte sich genauso sehr umdrehen, Klaas in die Augen blicken und nie wieder damit aufhören. Dieser Zwiespalt machte ihn fertig.

Klaas' Hand in seiner fühlte sich wie der Himmel an. Immer noch standen sie still da, genossen einfach die Nähe und Joko hatte das Gefühl, dass auch Klaas diesen Moment nicht unterbrechen wollte. Nicht mit der harten Realität zerstören wollte, die da Mitten im Raum stand und sich langsam in den Vordergrund drängte. Bis sie nicht mehr zu ignorieren war. Vorsichtig trat Joko einen Schritt vor und somit einen Schritt von Klaas weg, der seinen Griff daraufhin verstärkte.

All seinen Mut steckte Joko in die nächste Bewegung, als er immer noch Klaas' Hand haltend sich zu ihm umdrehte. Sie sahen sich an. Nach all diesen Monaten standen sie wieder voreinander und blickte sich in die Augen.

Jetzt sah Joko auch die Schatten in den blauen Augen. Sie waren versteckt hinter einer Mauer, die nicht jeder überwinden durfte, aber Joko sah es. Vor Joko brauchte er sich nicht verstecken. Vor Joko konnte er sich gar nicht verstecken.

Er sah auf ihre Hände. Noch fester wurde seine Hand umklammert, als hätte Klaas Angst, dass er sich in Luft auflösen würde. Das dieser Moment gar nicht real war. Er verstand ihn, weil es sich für ihn genauso unwirklich anfühlte.

„Wieso hast du deine Meinung nun doch geändert?", fragte Klaas leise.

Joko lächelte ein bisschen verlegen.

„Vielleicht hat unser letztes Telefonat ja ein bisschen was damit zu tun."

„So so, hat es das?"

„Möglich."

Jetzt lächelten sie beide verlegen, wobei Klaas' Grinsen schnell breiter wurde. Es war ein komisches Gefühl. Es fühlte sich neu an. Irgendwie fremd. Als lägen nicht all diese Erinnerungen hinter ihnen und all diese Jahre der Zusammenarbeit. Einfach zwei Menschen, die sich neu kennen lernten und neugierig in die Zukunft blickten. Fremd und doch irgendwie vertraut. Ein Gefühl, welches...

„Au! Alter, was soll das?"

... sich als trügerisch herausstellte. Joko rieb die schmerzende Stelle an der Schulter und blickte Klaas fragend an. Der war sauer. Eindeutig. So viel konnte Joko an seinem Gesicht ablesen.

„Du tauchst hier nach all diesen Monaten auf, lässt mich durch die Hölle gehen und glaubst, du kannst einfach in die Firma spazieren ohne mir zu sagen, dass du zurück kommst?"

Klaas war eben immer noch Klaas. Da sollte Joko eigentlich nichts mehr überraschen. Trotzdem blinzelte er ihn verwirrt an. Seinen Gegenüber, der nun die Hände in die Hüften stemmte und wütend die Stirn runzelte. Die Gefühle, die sich scheinbar in all den Monaten aufgestaut hatten, schienen jetzt einen Weg nach draußen zu suchen.

„Ja, schon. Wie sollte es denn sonst sein? Ich wusste doch nicht mal, ob du da bist", sagte Joko und rieb sich über die Schulter. „Hättest allerdings auch nicht so feste zuschlagen müssen."

„Du bist so ein Blödmann. Das war noch viel zu leicht. Wenn ich gewusst hätte, dass du heute zurück kommst, wäre ich doch nicht zum Dreh gefahren. Eine kurze Nachricht wäre in dem Fall nett gewesen."

„Was hätte es denn geändert?"

„Ich hätte heute zum Beispiel keine Sendung aufgezeichnet", sagte Klaas augenrollend, schien aber nicht mehr ganz so wütend zu sein.

Da wurde Joko zum ersten Mal bewusst, was heute für ein Tag war. Verfluchter Jetlag. Der zerrte wohl doch ganz schön an ihm. Es war Dienstag. Late Night Berlin. Deswegen hatte er vorhin so viele Mitarbeiter hier angetroffen. Alle bereiteten sich darauf vor ins Studio zu fahren und die Sendung aufzuzeichnen.

Unbeschriebenes BlattWhere stories live. Discover now