1🍂

602 50 7
                                    

Jungkook

Ich geniesse die Wärme der Sonnenstrahlen auf meiner Haut und nehme den Lärm der Stadt nur zu gut wahr, während ich über die Brücke laufe. Neben mir brausen Autos vorbei, Menschen drücken sich eilig an mir vorbei, doch keiner hat die Zeit, wenn auch nur für wenige Sekunden, die Schönheit zu betrachten, die sich vor allen erstreckt. Wie das Licht sich auf dem Fluss spiegelt und bricht, tausende, tanzende Lichtpunkte darauf kreiert.

Wie der sanfte Luftzug, der herrscht, die Blätter der Bäume, die bereits in einem hübschen Rot und Gelb verfärbt sind, mitreisst und sie langsam zu Boden segeln.

Keiner erkennt es, keiner schenkt dem Schauspiel Beachtung, keiner hat die Zeit dazu.

Diese Tatsache entlockt mir ein trauriges Seufzen.

Doch es ist im Grunde nicht meine Angelegenheit, wenn niemand die Kleinigkeiten, die das Leben einem bieten kann, zu schätzen weiss. Ich kenne sie, ich sehe sie mir an, ich erfreue mich daran, das reicht mir doch schon. Trotzdem betrübt es mich irgendwie, dass es niemand ausser mir bemerkt.

Für Herbst ist es erstaunlich warm, um ehrlich zu sein, ich trage ein T-Shirt und eine offene Stoffjacke, sonst ist das um diese Jahreszeit praktisch nicht möglich, wenn man nicht frieren möchte.

Ich schiebe meine Hände in die Jackentaschen und laufe weiter durch die Strassen, immer näher in Richtung Stadtzentrum, um zu meinem Lieblingscafé zu gelangen. Es ist klein und süss, ein Geheimtipp und den Kaffee, den man dort kriegt, ist der Beste, den ich je probiert habe. Es ist also kein Wunder, dass ich immer wieder zu dem Geschäft zurückkehre und dort auch gerne mein Geld ausgebe.

Ich nehme den Weg dahin recht gemütlich und kann nicht verhindern, dass sich ein Lächeln hinter meinem schwarzen Mundschutz auf meinen Lippen ausbreitet, als ich das Schild sehe, was das Café kennzeichnet. Ich schlängle mich zwischen den vielen Körpern auf dem Gehweg hindurch, zur Tür, öffne sie und trete ein, während die kleine Glocke oberhalb der Glastür das altbekannte Klingeln von sich gibt.

Kaum stehe ich in den zwar nicht sonderlich grossen, dafür gemütlich eingerichteten Raum, kann ich den Kaffeegeruch wahrnehmen und lecke mir automatisch über die Lippen, beim Gedanken an den mit Americano gefüllten Becher, den ich mir gleich gönnen werde.

Ich stelle mich hinter den letzten Menschen der Schlange, die sich bereits bis zur Theke gebildet hat und krame erst mein Portemonnaie hervor, bevor ich ein paar Wonscheine herausziehe und mein Blick wie automatisch zu der Tafel wandert, die hinten an der Wand hängt und jeden Tag neu mit weisser Kreide beschrieben wird.

Ich will nur eines wissen; den Tageskuchen und heute ist es Schokoladenkuchen. Allein der Gedanke an ein solches Stück lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen und vorfreudig sehe ich zur Theke nach vorne, nur um die vielen, köstlichen Gebäcke zu mustern und unter anderem auch der geschnittene Schokoladenkuchen.

Während die Menschen vor mir immer weniger werden, lasse ich meinen Blick einmal mehr durch das niedliche Café wandern. Es ist nicht sonderlich gross, wie bereits erwähnt, aber es reicht alle Mal und die schöne Einrichtung wirkt wie ein Magnet. Wenn ich einen schlechten Tag hatte und hierherkomme, dann ist mein Tag doch gar nicht mehr so schlecht gewesen, denn es ist so gemütlich und schön hier, der Kaffeegeruch lullt einen ein und man kann sich herrlich in die Ecke verkriechen, in der das bequeme Sofa steht und mit einer heissen Schokolade dazu, ist die Welt schon gar nicht mehr so schlimm.

Schliesslich wendet sich auch die letzte Person vor mir von der Theke ab und lässt mich bestellen. Den Blick noch immer auf die gut bestückte Theke gerichtet, spiele ich etwas mit meinen Geldscheinen und meine dazu: "Hi, ich hätte gern einen Americano und dazu ein Stück Schokoladenkuchen."

"Aber natürlich", erwidert die Bedienung. Sobald die helle Stimme erklingt, halte ich inne, bevor ich überrascht aufschaue und den Rücken der Person erkenne, die meine Bestellung aufgenommen hat. Es ist ein junger Mann, mit pechschwarzen Haaren und sonderlich gross ist er nicht.

Aber selbst wenn ich nur seinen Rücken sehe, der in einem dunklen Hemd steckt, dass jeder Mitarbeiter hier tragen muss, weiss ich ganz genau, wer das ist. Diese Stimme kenne ich und ich würde sie immer wieder erkennen, egal wie viel Zeit verstreicht.

Ich halte die Geldscheine noch immer in der Hand, doch mittlerweile umklammere ich sie und meine Handfläche ist schwitzig. Meine Knie fühlen sich weich an und mein Herz hämmert ungewohnt schnell in meiner Brust, so als würde ich einen Marathon laufen. Dabei ist es nur diese riesige Nervosität und auch diese nicht genau definierbare Angst, die plötzlich in mir herrschen.

Wie in Zeitlupe dreht er sich um und meint dabei mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht: "Das macht dann..." Er beendet seinen Satz nicht, als unsere Blicke sich kreuzen, er lässt ihn einfach so in der Luft stehen und ich weiss ganz genau, dass ihm gerade dieselben Dinge durch den Kopf gehen müssen.

Ich dachte, ich sehe dich nie wieder.

Ich bemerke auch, wie ihm mein Kaffee beinahe aus der Hand rutscht und nur im letzten Moment kann er den Griff um den Becher wieder festigen und so eine ziemliche Sauerei am Boden verhindern. Er stellt den Becher schliesslich auf der Theke ab, neben dem Stück Kuchen, das bereits dort auf einem Teller liegt, die Bewegung wirkt mechanisch und steif und das Lächeln ist mittlerweile ebenfalls von seinen roten Lippen verschwunden, stattdessen presst er diese zu einer dünnen Linie zusammen und sieht mich weiterhin an.

Keiner von uns spricht; ich wüsste nicht, was ich ihm sagen soll und ich denke, ihm ergeht es genauso.

"Schön, dich wiederzusehen - nachdem du mich einfach verlassen hast?"

"Hey, so sieht man sich wieder. Aber eigentlich wollte ich dir nie mehr begegnen?"

Ist beides kein guter Gesprächsanfang. Ich bin nicht böse, um ehrlich zu sein, bin ich einfach nur heillos durcheinander. Ihn zu sehen, ist wirklich das Letzte, womit ich heute oder generell noch gerechnet hätte. Es freut mich, denn ich habe ihn vermisst, ich habe ihn vermisst, wie die anderen auch.

Aber es wirft mich auch völlig aus dem Konzept, denn ich war mir sicher, sie nicht mehr zu sehen, nachdem, was alles geschehen ist. Keiner wollte den anderen mehr sehen, nur ich habe versucht, sie zusammenzuhalten.

Doch ein einstürzendes Kartenhaus kann man nicht retten. Und schon gar nicht, ein 18-jähriger Teenager.

Erst als sich der Kunde hinter mir laut räuspert, voller Ungeduld - was ich diesmal auch durchaus verstehen kann - schaffen wir beide es, uns zusammen zu reissen und während der Schwarzhaarige nun doch noch schafft, mir den Preis für meine Bestellung zu nennen, händige ich ihm ein wenig mehr des Betrages aus und wispere leise: "H-hyung..."

Young Forever [Vkook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt