10.

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Ich kam nach Hause und fand Dag direkt auf der Feuertreppe sitzend vor. Ein Buch in der Hand und Scooby mit geschlossenen Augen auf seinem Schoss.

Ich lächelte, in diesen Momenten strahlte er solch einen Frieden aus, der in ihm drinnen scheinbar viel zu selten herrschte.

Eine Weile beobachtete ich ihn einfach nur, wie er sich immer wieder durch die Haare strich, die Stirn konzentriert in Falten gelegt. Manchmal blieb Zeit, um seinem Kater über den Kopf zu streichen.

Am liebsten wäre ich wieder gegangen, einfach, damit ich ihn nicht stören konnte, ihm einfach diesen Moment geben konnte. Aber ein viel zu großer Teil, wollte einfach bei ihm sein.

Zögerlich stieg ich aus dem Fenster und setzte mich neben ihn, leichter Wind wehte und hier oben hörte man nichts von dem ganzen Lärm der Stadt. Ich konnte verstehen, warum er diesen Platz mochte, auch wenn ich ihm noch nie so viel abgewinnen konnte, wie er.

"Du bist schon zuhause?", er blickte kurz von seinem Buch auf und lächelte mich an, rutschte eine Stück näher zu mir, "Ich dachte, du kommst erst in zwei Stunden oder so."

"Ich hab früher Feierabend gemacht, damit ich bei dir bin", er hatte seinen Blick wieder auf die Seiten seines Buches gelenkt, aber ich konnte trotzdem das Lächeln  sehen, dass sich in diesem Moment auf seine Lippen legte.

Vorsichtig strich ich erst durch seine Haare, dann durch das Fell des Katers.

"Was liest du?", fragte ich, legte meinen Kopf auf seine Schulter und schloss kurz die Augen, atmete dabei tief seinen Geruch ein, der eine Mischung aus Gras und herben Männerdeo war. Es passte zu ihm.

Er schwieg eine Weile, las einfach weiter, ehe er mich fast etwas unsicher ansah. Er strich wie in Gedanken versunken durch meine Haare und schien zu überlegen.

"Ich hab mir zwei Bücher von Stephen King gekauft", er drehte sich mehr zu mir, legte den Kopf schief, "Hab' dafür ein Vermögen ausgegeben. Aber die sind ziemlich gut."

Dag wurde immer ziemlich schüchtern, wenn er über Dinge redete, die er mochte und für die er Geld ausgegeben hatte, was ich immer als ziemlich liebenswürdig empfand.

Ich lächelte ihn an, küsste ihn auf die Wange. "Ist doch schön. Ich freu mich für dich."

Er lächelte verlegen, senkte den Blick und ich konnte die leicht roten Wangen ausmachen. Das fand ich nur noch liebenswürdiger.

Sanft stupste ich ihn an, schlang einen Arm um ihn. Er lehnte sich an mich, die Augen wieder auf das Buch konzentriert.

"Vielleicht kann ich ja auch irgendwann mal eins der Bücher lesen", schlug ich vor, wollte wissen, wieso Dag dermaßen in dieser Welt versinken konnte.

Er sah zu mir hoch, schien kurz zu überlegen, ehe er in sein Buch ein Lesezeichen legte und schnell aufstand. Etwas verwirrt sah ich ihm hinterher, der Kater, der bis eben noch auf seinem Schoss saß, sah genauso verwirrt aus.

Aber es dauerte nicht lange, bis er wieder kam, mir ein dickes Buch in die Hand drückte und etwas aufgeregt schien. "Hier. Wir können zeitgleich lesen und wenn wir fertig sind, tauschen wir einfach."

Mit großen Augen sah er mich an, schien auf eine Antwort zu warten.

"Oh ja, gerne", ich grinste ihn an, nahm das Buch entgegen, auf dem Cover nur der Name des Autors, der Titel und ein kleines Motiv gedruckt. Ich strich darüber, als wäre es unendlich wertvoll.

"'Shining', da hab ich mal den Film gesehen", ich sah ihn an und er schien erleichtert zu lächeln.

"Das Buch soll ganz anders sein", erklärte Dag mir, setzte sich wieder neben mich und schlug sein eigenes Buch auf.

Ich begann zu lesen, meine Augen huschten über die Seiten, nahm die Worte in mich auf.

Es herrschte Stille, nur hin und wieder las jemand aus seinem Buch eine Stelle vor, die er besonders mochte, besonders gut fand. Das waren die Stellen, die sich ins Gehirn brannten und wegen denen man schon auf das andere Buch gespannt sah.

Dag hatte sich an mich gelehnt, hin und wieder sah ich zu ihm herunter oder strich geistesabwesend durch seine Haare, was ihn zufrieden seufzen ließ.

Ich stellte fest, dass wir das viel öfter machen sollten.

Es war das entspannteste, was wir in den letzten Jahren gemacht hatten.

A.N.: Übrigens ist das mein Lieblingskapitel bisher :)

I'm coming home - Dagcent KurzgeschichtenWhere stories live. Discover now