Kapitel 5

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Iris

„Wie hast du Leif besiegt?"

„Hast du ihn irgendwie abgelenkt?"

„Wo hast du so kämpfen gelernt?"

Genervt stiere ich in mein Buch und versuche die Schüler im mich herum zu ignorieren. Was aber überhaupt nicht klappt.

„Verrätst du mir dein Geheimnis? Ich würde Leif liebend gern auf die Matte werfen", sagt ein rothaariger Typ. An seinem linken Handgelenk ist ein Pflock tätowiert. Wie geschmacklos. Finde ich zumindest.

„Es gibt keins. Ich habe einfach nur gekämpft", sage ich und konzentriere mich wieder auf den Inhalt meines Lehrbuchs.

„Ach komm schon. Hast du deine Gabe benutzt?", fragt ein blonder Typ mit krassen blauen Augen. Das er krasse, blaue Augen hat weiß ich, weil ich ihm wütend in die Augen sehe.

„Nein und so etwas würde ich nie tun. Wenn du noch einmal so etwas behauptest, erfährst du am eigenen Körper, wie ich das geschafft habe", zische ich, schlage mein Buch zu und quetsche mich an diesen Vollidioten durch. Ich muss irgendein Ort finden, wo ich in Ruhe lernen kann. Im Flur schauen mich alle an. Das Mädchen, das den großen Leif besiegt hat. Ganz große Klasse. Entweder hat sich nie jemand wirklich getraut, gegen Leif zu kämpfen, oder die komplette Schule ist inkompetent, was das Kämpfen belangt. Wenn das wirklich der Fall ist, sind wir schlecht dran.

„Genießt du deine Beliebtheit?"

Ich bleibe stehen und sehe Leif an, der an den Schließfächern gelehnt, steht.

„Nicht wirklich."

Ich rechne schon mit beleidigenden Kommentaren. Doch er überrascht mich.

„Kannst du mir zeigen, wie du das gemacht hast?"
„Was?"
Ich starre ihn perplex an.

„Bring mir bei, wie du mein Kampfstil gelesen hast. Mit anderen Worten. Kannst du mich trainieren?"

Ich blinzele ein paar Mal. Ich habe mich nicht verhört, oder?

„Hör zu, wir sind hier keine Konkurrenten. Wir haben alle das gleiche Ziel. Ehrlich gesagt, will ich nicht draufgehen, nur weil mein Gegner mein Kampf durchschaut."

Ich sehe ihm in die grau-blauen Augen. Mit verschränkten Armen vor der Brust, mustere ich ihn.

„Du sagst die Wahrheit", stelle ich fest.

„Wenn es um meine Ausbildung geht, dann lüge ich nie. Also, hilfst du mir?"

„Erhoffst du dir, mich dadurch zu besiegen?", frage ich. Er verzieht seine Lippen zu einem Grinsen.

„Um dich zu schlagen, muss ich eine Menge trainieren. Mir ist gestern klar geworden, dass ich mich nur damit zufrieden gegeben habe, immer die Gleichen beim Zwei-Kampf zu besiegen. Das will ich ändern."

„Also gut. Aber ich will im Gegenzug auch etwas."

„Schieß los."

„Soweit ich weiß, bist du gut darin Gifte und Gegengifte zu mischen. Stimmt das?"

„Jedes Mal volle Punktzahl."
Ich nicke.

„Gut, ich helfe dir bei deinem Training und du hilfst mir mit Alchemie."

Ich strecke ihm meine rechte Hand entgegen. Woraufhin er erneut grinst. Schließlich greift er meine Hand und wir haben eine Abmachung.

„Wieso grinst du so?", frage ich misstrauisch.

„Ach, es ist nur, dass mich nie Jemand um Nachhilfe in der Theorie gebeten hat."

„Das ist keine Bitte."
„Wie würdest du es dann nennen?"
„Win-Win Situation. Unser Training beginnt morgen früh um fünf Uhr. Seit pünktlich."

Daraufhin lasse ich ihn stehen und gehe weiter. Ich weiß, dass einige Schüler das mitbekommen haben. Mal schauen, was die Gerüchteküche hervorbringt. Wo könnte ich in Ruhe lernen? Bis elf habe ich frei. Selbstständiges Lernen. Die meisten nutzen die Zeit zum Trainieren, aber ich muss ziemlich viel Theorie nachholen.

„Das ist sie", höre ich ein Mädchen ihrer Freundin zu flüstern.

„Sie ist hübsch. Klar, da darf Talent nicht fehlen", sagt die andere.

„Sie besitzt ja auch die krasse Gabe."

„Sie hat vorhin mit Leif gesprochen", sagt eine Dritte.

Oha, wow, dass ging ja mal richtig schnell. Auf halbem Weg kommt mir Quirin entgegen.

„Die Schule brodelt vor Gerüchten", sagt er, statt einer Begrüßung.

„Dir auch einen guten Morgen", murmele ich.

„Sorry. Guten Morgen, Iris."
Zufrieden sehe ich ihn an, doch dann wird mein Blick skeptisch

„Was für Gerüchte meinst du?"

„Das es zwischen dir und Leif funkt und ihr ein Date habt?"

Er antwortet zwar, aber es klingt eher nach einer Frage. Ich bleibe stehen und sehe ihm in die Augen.

„Kannst du dir wirklich vorstellen, dass ich ein Date mit dem Typ hätte? Vor allem hat er eine Freundin."

„Ich habe nie behauptet, dass ich diesen Gerüchten glaube", sagt er und zuckt mit den Schultern.

Ich seufze.

„Sorry, ich wollte dich nicht anfahren. Aber ich versuche seit einer Stunde in Ruhe zu lernen. Aber das Einzige was ich höre ist Getuschel und Fragen, wie ich Leif im Kampf besiegt habe."
„Wenn du in Ruhe lernen willst, kenne ich den perfekten Ort dafür."

„Wirklich?" In meiner Stimme schwingt Hoffnung.

„Klar, komm mit."

Quirin ist einfach die Ruhe in Person. Ich glaube nicht, dass ihn etwas sehr schnell wütend machen könnte. Also folge ich Quirin. Zu meiner Überraschung verlassen wir das Gebäude und überqueren den Garten. Er sieht sich um und geht dann um die Ecke, hinter die Hecke. Irritiert folge ich ihm. Wir laufen am Zaun entlang, bis er schließlich stehen bleibt. Er schiebt das Efeu zur Seite, welches am Zaun entlang wächst. Eine kleine Lücke kommt zum Vorschein.

„Hier kannst du aus dem Schulgelände. Draußen wird dich sicher niemand nerven. Komm aber pünktlich zum Unterricht."

Ich werde ihn erst gar nicht fragen, ob das erlaubt ist.

„Danke Quirin."

Ich umarme ihn und krabbele durch die kleine Öffnung. Ich will gar nicht wissen, wie er diese Lücke gefunden hat, oder er selbst dafür verantwortlich ist. Endlich habe ich ein Stück Ruhe. Ich laufe zum Waldrand und setze mich auf das Gras. Ich lehne mich an einen breiten Baum und genieße die Sonnenstrahlen. Mit geschlossenen Augen lege ich den Kopf in den Nacken und lasse die Sonne mein Gesicht wärmen. Dann mache ich mich an die Arbeit. Herrliche Ruhe...bis ich Geräusche aus dem Wald höre. Nach einer Weile sind die Geräusche verschwunden. Vermutlich war es nur ein Tier. Ich schüttele mein Kopf und schlage mein Buch auf.

Bis(s) in die DunkelheitWhere stories live. Discover now