Kapitel 4 - Gemeinsam allein

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Ich ließ meine Augen über seine Gestalt wandern, die beinahe das ganze Licht abschirmte und mich in den Schatten tauchte.

»Tut mir leid.« Ich räusperte mich, um meine Stimme wieder zu finden. »So habe ich das nicht gemeint.«

Er runzelte die Stirn, fuhr mich zu meiner großen Erleichterung aber nicht an. Stattdessen atmete er geräuschvoll aus, schlenderte zur Wand gegenüber und murmelte: »Schon gut. Aber behalt deine seltsamen Gedanken für dich, Sonnenschein.«

Er lehnte sich an die Wand und ich senkte den Blick.

»Hmm«, gab ich nur von mir, in Ermangelung einer richtigen Antwort.

Eine seltsame Stille legte sich über den Raum.

Als die Minuten eine nach der anderen verstrichen, zog ich die Knie wieder an meine Brust und legte meine Arme darum.

Die Sonne ging langsam unter und wir würden hier bald in gänzlicher Finsternis sitzen. Bereits jetzt legte sich die Dunkelheit wie ein schweres Tuch über uns und drängte sich in jede Nische, um dort zu lauern. Sie kroch über die Möbel und den Boden und verschluckte nach und nach den Raum.

Plötzlich war ich froh, dass ich nicht allein hier unten war.

Es war tröstlich zu wissen, dass ich jemandem zum Reden hatte. Denn selbst wenn wir nur stritten, so lenkt es mich wenigstens ab und ich kam mir nicht so ausgeliefert vor. Im Moment war es sogar beinahe friedlich, gerade so als hätten wir uns darauf geeinigt, uns eine Weile in Ruhe zu lassen, und so schloss ich schließlich die Augen und ließ meine Gedanken treiben.

Erst als Alexej sich mit lautem Geräusch auf dem niedrigen Tisch niederließ, den wir genutzt hatten, um ans Fensterchen zu kommen, schreckte ich wieder auf. Er rutschte nach hinten und machte es sich bequem. Auf dem Boden konnte er schließlich nicht sitzen, da alles voller Splitter war.

Er schaute nicht zu mir, sondern lehnte sich zurück, bis sein Kopf an der Wand ruhte, und starrte ins Leere.

Ein schmales Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.

Hätte uns jemand vor ein paar Tagen gesagt, dass wir einmal in friedlicher Eintracht unseren Gedanken nachhängen würden, hätte ich ihm nicht geglaubt. Aber ich wäre auch nie davon ausgegangen, dass ich mich gegen den Russen wehren würde und ich schluckte, als ich darüber nachdachte, wie ich in den letzten Minuten mit ihm geredet hatte.

Meine Augen blieben am offenen Fenster über ihm hängen und ich fragte mich unwillkürlich, ob ihm nicht genauso kalt war wie mir. Mittlerweile bereute ich unseren Ausbruchsversuch beinahe. Hier drin war eindeutig nicht geheizt.

Mit etwas Neid stellte ich aber fest, dass die Kälte Alexej nicht zu kümmern schien, was aber auch kein Wunder war, wenn man bedachte, dass er einen warmen Kapuzenpulli trug. Dieser sah gegen meine leichte Bluse geradezu kuschelig aus.

Ich seufzte ergeben.

Mitten in meinem Gedankengang fiel mir aber wieder ein, dass ich Alexej ja noch gar nicht gesagt hatte, dass es hier Wasser gab, und ich fühlte mich verantwortlich, es zu erwähnen. Könnte ja sein, dass wir das ganze Wochenende hier hockten und früher oder später würden wir Durst bekommen. Sobald das Licht jedoch gänzlich entschwunden wäre, würden wir nicht mehr sehen, ob das Wasser überhaupt genießbar war.

Bevor ich mich versah, hatte ich schon gesprochen. Meine Stimme klang eigentümlich laut in der allgegenwärtigen Stille: »Da hinten ist übrigens ein Waschbecken. «

Ich zeigte in die ungefähre Richtung.

»Ich wollte vorhin ausprobieren, ob es geht, als du reingekommen bist.«

Das Licht in unseren SchattenWhere stories live. Discover now