Kapitel 1

33 3 2
                                    

„Mist, Mist, Mist, Mist, Mist!!“ grummelte ich, während ich über Stock und Stein sprang. Mein Vorsprung den ich vor fünf Sekunden noch hatte, war nicht mehr zu sehen und diese Bestie hing mir an den Fersen. Lange konnte ich nicht mehr davonkommen. Die Beweglichkeit eines Fuchses nahm nicht ab nur, weil er urplötzlich die Größe eines Bären hatte. Ich hörte ihn hinter mir hecheln. Wie werde ich den wieder los? Ich bog scharf um eine Ecke und merkte, dass die Bestie um einen Schritt überfordert war… doch dann war er auch schon wieder hinter mir. Es quietscht leise und knackte fast gleichzeitig unter meinen Füßen. Wahrscheinlich bin ich auf etwas draufgetreten, doch darauf kann ich jetzt keine Rücksicht nehmen, nicht wenn mein eigenes Leben auf dem Spiel steht. Ich rannte an dutzend weiteren Bäumen vorbei und langsam kam es mir wieder bekannt vor. Ein Grinsen schlich sich auf mein Gesicht. Jetzt letzter Endspurt, bis zu dem umgestoßenen Baumstamm.
Mein lieber Fuchs, auch heute werde ich nicht sterben. Ich rannte, sprang mit einem Fuß ab, landete auf dem Baumstamm und sprang nochmal. In dem Moment griffen zwei Klauen mich an den Oberarmen und hoben mit mir ab, hoch in die Luft und über die Baumkronen der kleineren Bäume.
Zur Hölle war das knapp… Ich sah zurück. Ein letzter Blick fiel auf diesen Fuchs mit Geweih, der mir hinterher schaute. 
Das erste, was ich vorhin entdeckt hatte, war dieses Geweih. Nicht so, wie bei anderen Bestien mit Geweih, war es nach oben gerichtet, sondern nach hinten. Als ich näher schlich um mir das Wesen anzuschauen, stellte ich wie so oft aufs neue fest, was es doch für mystische Kreaturen gab. Inmitten dunkler Bäume unter dichten Kronen, steckte ein Fuchs seine Nase unter eine hervorstehende Wurzel. Dieser Fuchs war groß und dünn, er hatte leuchtend rote Augen und sein Fell war pechschwarz. Nur an manchen Stellen glimmerte es rot-orange. Das waren die Stellen an denen es die Hitze der Hölle wieder von sich gab. Die Orange-roten Adern pulsierten im Gesicht, im Inneren seiner hängenden Ohren, am Hals, den Rippen und der Wirbelsäule entlang, und an seiner Rute. Das gute ist, in der Nacht kann man diese Bestien nicht übersehen.
In der Zeit als ich es beobachtet hattee, wird es wohl meinen Geruch aufgenommen haben, denn es starrte irgendwann in meine Richtung und spannte seine Muskeln zum Sprung an. Zu dem Moment fiel mir dann ein, es wäre klug zu fliehen. Ich bin erst langsam rückwärts, und als ich eine Sekunde hinter einem Baum, aus seiner Sicht war, drehte ich um und rannte los.
Wie viel Ausdauer ich in den letzten Jahren auch bekommen hatte, nach einer Hetzjagd um ‚Leben und Tod‘, ist man am Ende immer außer Atem. Obwohl dieser Schwall von Adrenalin was erfrischendes an sich hat.
Mein Blick wanderte hinauf zu der Bestie, die mich in ihren Klauen hielt. Lange, schwarze, weiche Federn, diese Federn sehen vereinzelt aus wie Fell an Beine, Bauch und Hals und besonders ab dem Bürzel, die langen Schwanzfedern erinnern an eine Rute. Beim Kopf ist kein richtiges Gesicht zusehen, es sieht aus wie eine Skelett Maske, weiß und statt Augen große, schwarze Löcher und bei der Nase war ein kleiner schwarzer gekrümmter Schnabel. Kurz gesagt, es war eine Eule. Die Flügelschwinge hatte beinahe die doppelte Länge, wie ich hoch war. Und mit Leichtigkeit trug sie mich zu einem großen Baum mit breit gefächerter  Krone.
Sie landete auf einem dicken Ast, versteckt unter dem Blätterdach. Es war ziemlich dunkel hier. Kaum hat die Eule mich abgesetzt, spürte ich viele Blicke auf mir Ruhen. Ich sah mich um. Die schwarze Eule, starrte mich mit ihren leeren Augenhöhlen an und kam immer näher mit ihrem Gesicht. Ich strecke meine Hand aus und streichelte die dichten Federn auf ihrem Kopf, ich legte meine Stirn zwischen ihre Augen.
„Danke.“ Sagte ich leise. Wenn sie gerade saß so wie jetzt, war sie ein Kopf größer als ich. Doch es gab noch größere Eulen. Die Mutter Eule zum Beispiel war unbeschreiblich groß, sie war die größte, die ich bisher je gesehen hatte. Sie sitzt in einem der größten Bäume im Shimori, ihre Füße konnte man mit Ästen verwechseln und ihr gesamter Körper war im Blätterdach versteckt, ihre Flügel liegen ausgebreitet auf den herum stehenden Bäumen und ihr Blick ist auf den Waldboden gerichtet. So soll sie sich dort versteckt halten und niemand hat sie je aus Zufall entdeckt.
Sie hat mich gefunden, als ich ausziehen musste. Warum auch immer sie das getan hat, aber sie hat mich mit sich genommen. Anfangs war ich echt erschrocken und hatte Angst sie würde mich fressen – ich wäre nicht mal ein Snack für sie. Doch sie brachte mich zu ihrem Baum. So wie jetzt wurde ich damals von sehr vielen Augen beobachtet, die aus dem Dunkeln jede meiner Bewegungen im Auge hatten. Durch diese ganzen Augen dachte ich, ich werde noch paranoid, denn ab dem Moment wurde ich jeden Tag, immer und zu jeder Sekunde beobachtet. 
Ich korrigiere, ein wenig paranoid bin ich deswegen schon geworden. Auf jeden Fall merke ich, wenn ich beobachtet werde. 
Sie starrten mich an, wie ich perplex und ohne zu wissen was ich tun sollte, auf dem Ast vor der Mutter Eule stand. Und brauchte eine lange Zeit, bis ich endlich verstand, das sie mir nichts böses wollten. Bis dahin hab ich ab und zu einen Fluchtversuch unternommen… bin aber fast jedes Mal in Gefahr geraten aus welcher mich die Eulen gerettet hatten. Rückblickend war es eine lustige Zeit.
Mittlerweile bin ich mit einigen Eulen in diesen Baum hier gezogen. Es ist dem Zentrum näher und doch versteckt mitten im Wald. Auf dem höchsten Ast des Baumes konnte ich das Höllentor sehen. 
Eulen die während meiner Ankunft noch Küken waren, haben mich bis hier her begleitet und für mich sind sie das wichtigste was ich habe. Ich weiß nicht ob man sowas Familie nennen kann, aber ich könnte nicht ohne sie, das ist klar. Sie kümmern sich um mich, sie sorgen sich, sie beschützen mich, sie geben mir ein Zuhause. Sie haben mir bisher immer einen sicheren Ort gegeben, an dem ich bleiben konnte. Und - was besonders gut ist – sie unterstehen keinem Herrscher, sie tun und lassen was sie wollen, wie fast alle der anderen Biester.
Ich lebe ebenfalls nach ihren Prinzipien. So kann mir nichts was mit dem Zentrum zu tun hat anhaben. Ich bin ein Bunsu Creeve und somit unabhängig.

Der Rabe und die EuleWhere stories live. Discover now