Sie brauchte etwas, sie war schließlich vierundneunzig und mit dem Rollator unterwegs, ehe sie mir die Tür öffnete. Mrs. Stephens hatte ihr Nachthemd und ihre Schlafhaube auf, die mich immer an die Großmutter von Rotkäppchen erinnerte. Durch ihre runde Brille sah sie mich an und ein lächeln bildete sich auf ihren schmalen Lippen.
»Liebchen, alles gut bei dir? Du bist ja ganz nass und bringst die Kälte ins Haus.« Ich zwang mir ein Lächeln auf.
»Alles gut, Mrs. Stephen. Mir geht es gut, ich müsste nur ihr Telefon benutzen.«, sagte ich und nestelte an dem Saum des ausgewaschenen Oberteils herum.
»Wollen Sie wieder den Charmanten Arzt anrufen? Sind Sie mit ihm endlich liiert?«, fragte sie aufgeregt. Mir wurde bei dem Gedanken mit Eddison zusammen zu sein kotzschlecht. Und Charmant? Vielleicht für Außenstehende.
»Nein, wir sind nicht zusammen, Mrs. Stephen.« Ich trat ins Innere und sah zum Telefon.
»Oh schade. Sie sind doch so ein nettes Mädchen. Sie sollten sich endlich einen Mann suchen, der sich um sie kümmert.« Ich brauchte keinen, der sich um mich kümmerte. Und das wollte ich auch nicht. Ich war in letzter Zeit gut alleine ausgekommen.
»Ich habe doch noch mein ganzes Leben vor mir, um einen Mann kennenzulernen, Mrs. Stephen.« Ich griff nach dem Telefon und wählte Eddisons Handynummer.
Nach dem ersten Klingeln nahm er ab.
»Crave!«, meldete er sich mit herrischer Stimme. Eine Gänsehaut bildete sich auf meinem Körper. Ich musste mich zwingen, den Mund zu öffnen und zu sprechen.
»E-Eddison, ich bins, Peyton. Ich brauche deine Hilfe.«, sagte ich und trat von einem Fuß auf den anderen.
»Peyton, wieso sollte ich kommen?«
»Es geht um ein Menschenleben.«, flüsterte ich ins Telefon. Mrs. Stephen sollte sich keine Sorgen machen.
»Ich bin in fünf Minuten bei dir. Aber das wird dich etwas kosten, Peyton.« Vor meinem inneren Auge tauchte unser letztes Zusammentreffen auf. Ich hatte etwas Geld für die Miete und Lebensmitteln gebraucht. Eddison gab mir alles, was ich fürs Überleben benötigte, wenn ich nur etwas dafür gab, was ich nicht wollte. Doch ich hatte keine andere Wahl, wenn ich überleben wollte.
Eddison beendete den Anruf und ich legte das Telefon auf die Ladestation zurück. Ich bedankte mich bei Mrs. Stephen und lief zu meiner Wohnung, um eine Decke zu suche, die ich über den Mann legen konnte. In meinem Wandschrank im Flur fand ich eine alte Decke, die ich für alle Fälle dort aufbewahrte. Ich nahm sie heraus und ging zu dem Mann in die Gasse.
Ich hoffe, dass er nicht gestorben war.
Ich kniete mich neben den Mann, legte die Decke über seinen Körper und strich über seine Wange. Sie war eiskalt.
»Du solltest mich hier sterben lassen.« Ich erschrak, als der Mann mit leiser, kratziger Stimme zu mir sprach. Seine Augen waren ein kleines Stück geöffnet.
Mein Herz raste wie verrückt und ich traute mich kaum zu antworten.
»Das kann ich nicht.«, meinte ich mit dünner Stimme.
»Warum?«, krächzte er und stöhnte auf.
»Du liegst in einer Gasse vor den Mülleimer von Mrs. Stephen. Sie würde gleich neben dir tot umfallen. Sie ist eine alte Dame von vierundneunzig Jahren.«
»Du wirst mich hier liegenlassen. Soweit ich es sehe, wirst du einen ein Meter neunundachtzig großen Mann wegtragen können.«
»Peyton, mach Platz!«, erklang Eddisons barsche Stimme. Ich zuckte erneut zusammen und sah zum Eingang der Gasse. Ich zog mich etwas zurück und machte somit Eddison Platz.
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• I N S P I R A T I O N •
RomanceVeröffentlicht werden hier Ideen, die mir im Kopf herumspucken. Darunter: • New Adult • Romantasy • Dark Romance • Lets talk about
M a f i a R o m a n c e / Dante & Peyton
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