Teil 30

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Ich sitze an der Nähmaschine, als es klingelt. Da ich niemanden erwarte, frage ich mich, wer das sein könnte. Ich mache die Tür auf und sehe dann etwa zwanzig Pakete und einen UPS-Fahrer, der nicht erfreut aussieht.

»Da hat die Kreditkarte wohl geglüht, Miss«, meint er, bevor er mir das Gerät zum Unterschreiben hinhält.

»Vielen, vielen Dank!«

Aber er nimmt es mir wohl persönlich übel, dass ich so viel Post bekommen habe. Wobei ja nicht ich, sondern River. Ich habe nichts bestellt. Dann sehe ich aber, dass mein Name auf den Paketen steht und werde neugierig. Ich hole die Kartons herein – was nicht so leicht ist, denn manche sind echt schwer. Einen ziehe ich in die Küche, nehme ein Messer, um es aufzuschneiden, bevor ich verzückt aufjuchze. Stoffe!

Ich lasse meine Hände über den Stoff gleiten, der oben aufliegt. Dann sehe ich eine Karte.

Liebe Gemma,

wir freuen uns sehr, dass du dein Geschäft wiederbelebt hast. Wir senden dir Muster von all unseren Stoffen, damit du in Ruhe auswählen kannst, was zu deinem Shop passt.

Auf eine gute Zusammenarbeit.

Liebe Grüße

Stephanie

Ich erinnere mich an Stephanie vom Stoffgroßhandel, bei dem ich einen Teil meiner Stoffe bezogen habe. Es war immer mein Wunsch, auch besondere Stoffe anzubieten, aber man braucht natürlich auch die Basics. Hier war das Preis-Leistungs-Verhältnis immer am besten. Oh, so viel Stoff. Ich hole mein Handy, mache ein Foto für River von den Stoffen und all den Paketen, die unseren Flur belagern. Sorry, schreibe ich dazu, gefolgt von dem Affen, der sich die Augen zuhält.

Und dann hole ich alle Muster aus dem Karton, breite sie auf dem Küchentisch aus und betrachte sie. Es wird wahr. Es wird endlich wahr.

Ich öffne die anderen Kartons, die ebenfalls Stoffmuster von anderen Anbietern enthalten, von den kleinen Geschäften, mit denen ich damals zusammengearbeitet habe, und die alle enthusiastisch reagiert haben, als ich wieder Kontakt aufgenommen habe. Zusätzlich wurden mir auch Garne, Knöpfe und jede Menge andere Accessoires geschickt. Wobei ich mir nicht sicher bin, was ich alles anbieten möchte.

Garn muss sein, damit man farblich abgestimmtes Garn zu den Stoffen kaufen kann. Knöpfe? Ich wäre eingeschränkt, wenn ich keine Modelle mit Knöpfen nähen könnte, und dann muss ich sie auch anbieten, das ist mein Konzept. Aber vielleicht biete ich nur solche an, die ich auch verarbeitet habe, und nicht jeden Knopf, der mir geschickt wurde. Wobei die Knöpfe mit Marie von den Aristocats allerliebst sind. Nein, ich kann nicht zu viel ins Lager nehmen. Zum einen wäre das eine zu große Investition und zum anderen auch nicht mein Konzept.

Dann muss ich einfach ein Modell mit diesen Knöpfen schneidern ...

Oh, gute Idee.

Ich schüttele über mich selbst den Kopf. Wieso sabotiere ich mich selbst?

Und dann sehe ich den Stoff.

Meine Nähleidenschaft reicht weit zurück. Mit zwölf habe ich erste Versuche mit der Nähmaschine meiner Mutter unternommen. Diese hatte sie jahrelang im Keller verstauben lassen, daher hatte sie kein Problem damit, ein Kind an die Maschine zu lassen. Da sie aber überhaupt keine Ahnung hatte, wie man sie bedient, musste ich mir alles selbst beibringen. Schon damals hat mir das Einfädeln übrigens die meiste Mühe gemacht.

Ich war in der Bibliothek, habe mir Ratgeber ausgeliehen und es gab auch Hefte mit Schnittmustern. Mit der Zeit wurde ich immer besser. Habe ich am Anfang Kissenbezüge und Geschirrtücher genäht, bin ich irgendwann zu herausfordernden Dingen umgeschwenkt. Mein Meisterstück war mein Kleid zum Abschlussball.

Playground - River & GemmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt