War das alles nur ein Spiel für dich?

Kapitel 7

24.1.2022 – 12:00

Tag 1 in der Quarantäne. Schon seit ich wach bin, telefoniere ich mit Tanja. Nebenbei habe ich mit einem Puzzle begonnen. Daran sehe ich, wie langweilig mir gerade ist. Oder eigentlich mache ich ein Puzzle, weil ich über mein Handy mit Tanja telefoniere und somit nicht die ganze Zeit auf den sozialen Medien abhängen kann. Serien schauen geht auch etwas schlecht, weil ich schon von Tanja durch das Handy ihre Serie höre.

Mit Dario habe ich Heute auch schon kurz geschrieben. Er hat gefragt, ob ich arbeiten gegangen bin. Ich habe ihm erklärt, dass ich die 5 Tage in Quarantäne muss und nicht arbeiten gehen kann. Aber immerhin bin ich bis am Samstag wieder aus der Quarantäne.

Ich habe ihn gebeten, am Samstag mit dem Zug zu mir zu kommen. Am späten Nachmittag können wir ihn dann schon nach Hause stellen. Aber mein Vater ist nicht bereit dazu, zwei Mal auf Oppigen und zurückzufahren. Was ich verstehen kann. Schliesslich wäre er nur Beifahrer und etwas fehl am Platz.

Dario hat aber auch zugestimmt mit dem Zug zu kommen. Deshalb ist das alles kein Problem. Jedoch merke ich langsam, wie ich nervös werde. Ich kann nicht einschätzen, was mich erwarten wird. Entweder werden wir uns von Anfang an toll verstehen, wie an Tanjas Geburtstag, oder es wird ganz viele peinliche Stillen geben. 

24.1.2022 – 20:00

Was ist eigentlich dein Lieblingslied?

Frage ich Dario gerade. Wir haben am Nachmittag noch über Musik gesprochen und die Frage hat mich brennend interessiert. Meistens sagt das Lieblingslied nämlich etwas über die Person aus.

Strip für mich von Sido

Ich muss schlucken. Wie reagiert man auf so eine Aussage? Ist das wirklich einfach nur sein Lieblingslied oder ist das eine versteckte Botschaft? Sollte ich das als Aufforderung verstehen? Und wenn das so sein sollte, hat er sich die Falsche ausgesucht. Deshalb möchte ich von ihm wissen, weshalb es sein Lieblingslied ist. Jedoch antwortet er mir nur mit

Keine Ahnung, ich finde es einfach geil

Und damit habe ich meine gesuchte Antwort. Es sollte vermutlich eine implizite Aufforderung sein. Jedoch bin ich nicht darauf eingegangen.

Okey

Ist alles was ich darauf antworte. Das war ein richtig kurzes Gespräch über Lieder, deshalb wechsle ich das Thema und frage ihn, ob er mir gute Filmideen hat. 

24.1.2022 – 22:30

Dario hat sich seit etwas über einer Stunde nicht mehr gemeldet. Deshalb gehe ich davon aus, dass er schon schlafen gegangen ist und schreibe ihm «gute Nacht».

Keine fünf Minuten später, erhalte ich von ihm eine Antwort auf meine erste Frage, bezüglich der Filmideen. Die nächsten paar Nachrichten sind ein durcheinander von Gute Nacht Nachrichten und austauschen von Filmideen.

Ein Lächeln will einfach nicht von meinem Gesicht verschwinden. Ich habe mich viel zu schnell an seine Nachrichten gewöhnt. So sehr, dass es komisch ist, wenn wir einmal länger nicht schreiben. Und länger bedeutet ein paar Stunden.

Nebenbei bin ich mit Tanja am Telefonieren und wir üben unseren Vortrag, den wir nächstens halten müssen. Die Vorgabe war einen Vortrag über eine Familie mit Migrationshintergrund zu machen. Da meine Grosseltern, väterlicher Seite, aus Italien in die Schweiz eingewandert sind, habe ich angeboten, dass wir über meine Familie berichten. Da die ganze Gruppe einverstanden war, halten wir in ein paar Tagen einen Vortrag über meine Familie. Irgendwie bin ich jetzt trotzdem etwas nervös. Meine Familie ist das wichtigste in meinem Leben. Ich wüsste nicht was ich ohne sie machen würde. Und sie dann vor der Klasse zu präsentieren ist komisch. Aber das wird schon gut kommen. Ich vertraue da auf meine Klasse.

Da Dario wissen will, was ich am Machen bin, sage ich ihm, dass ich am Vortrag üben bin. Schnell stellt sich heraus, dass wir in dieser Hinsicht unterschiedlich sind. Er sagt, er muss Vorträge eher spontan halten, ohne viel zu üben. Ich hingegen muss im Text sattelfest sein, ansonsten wird das nichts.

Ich gehe davon aus, dass Dario jetzt wirklich eingeschlafen ist, da seit mehreren Minuten keine Antwort mehr gekommen ist. Also konzentriere ich mich wieder auf meinen Vortrag und auf Tanja, die immer noch mit mir am Telefon ist. 

25.1.2022 – 19:30

Heute haben Dario und ich nicht sehr viel geschrieben. Die Konversation war irgendwie stocken und auf meine Frage, Heute Nachmittag, was er am Machen ist, hat er erst vor 15 Minuten geantwortet.

Jetzt schreibt er mir, dass er Heute hauptsächlich geschlafen hat. Auf seine Gegenfrage antworte ich mit Netflix und Puzzle. Denn damit habe ich mich Heute davon abgelenkt, dass Dario nicht geschrieben hat. Dazu habe ich stetig mit Tanja telefoniert. Wir sind beide richtig gelangweilt. Tanja schaut so ziemlich die ganze Zeit Violetta und ich bin am Puzzle machen. Ich wünsche mir sehnlichst den Freitag her. Denn dann bin ich wieder aus der Quarantäne raus.

Schau ich muss dir noch etwas sagen. Ich kann am Samstag nicht zu dir kommen, um Harry Potter zu schauen. Meine Schwester muss arbeiten und jetzt muss jemand mit dem Hund laufen gehen. Meine Eltern können beide nicht und jetzt bleibt es an mir hängen.

Kommt die erschütternde Nachricht. Ich muss sie ein paar Mal durchlesen, bis der Inhalt zu mir durchdringt. Wir werden uns am Samstag nicht sehen. Dario hat mir gerade abgesagt. Jetzt ist meine Woche endgültig ruiniert.

Also ich könnte auch gut zu dir kommen. Wäre für mich kein Problem. Natürlich nur wenn es für dich stimmt.

Versuche ich unser Treffen noch zu retten.

Nein, wenn ich mit dem Hund laufen gehe, konzentriere ich mich gerne voll auf den Hund. Damit dieser dann auch beschäftigt ist. Sorry

Schmettert er meinen Vorschlag ab.

Okey, das verstehe ich natürlich. Dann verschieben wir es doch

Versuche ich positiv zu bleiben, während mein Herz innerlich blutet. Den Korb hätte man auch netter formulieren können. Aber das scheint nicht seine Stärke zu sein.

Sorry nochmal

Gute Nacht

Schreibt er mir noch.

Alles gut

Gute Nacht

Erwidere ich. Dabei bleibe ich genauso fad wie er auch. Ganz plötzlich ist die Stimmung hinüber, die wir zwei Wochen lang hatten. Aber wir haben ja einfach nur verschoben. Nur weil es diesen Samstag nicht klappen will, heisst das noch nicht, dass wir uns gar nicht mehr sehen werden. Wir vereinbaren einfach ein neues Datum, um uns zu treffen. Kann ja nicht so schwierig sein, eines zu finden.

Weil ich wieder einmal mit Tanja am Telefonieren war, hat sie alles mitbekommen. Mein enttäuschtes Gesicht konnte ich nicht verstecken. Das war unmöglich. So sehr hat mich die Absage getroffen. Am liebsten würde ich gerade weinen. Ich verstehe nicht, weshalb das Leben gerade so hart zu mir ist.

Die Quarantäne die mir die Fahrprüfung versaut, den letzten Tag in der Kita und jetzt noch das Treffen mit Dario.

Doch was bringt es mir, mich jetzt darüber aufzuregen? Ändern kann ich an den Tatsachen eh nichts mehr. Die Fahrprüfung ist verschoben. Der letzte Tag in der Kita Morgen vorbei und das Treffen mit Dario schon abgesagt. Es wird sich nichts mehr daran ändern. Das kann ich vergessen. So nett ist das Leben nicht mit mir.

Da ich jetzt aber keine Lust mehr auf Gesellschaft habe, sage ich Tanja, dass ich richtig müde bin und schlafen möchte.

«Okey, dann bis Morgen. Rufst du mich an, sobald du wach bist?» fragt sie noch. Ich nicke und lege auf.

Esist noch nicht spät. Trotzdem kuschle ich mich in meine Decke und unterdrückedie Tränen während ich versuche einzuschlafen und mir gut zuzureden.