Hush [Original Story]

03

'Was für ein "Schätzchen" '

Nicht erst seit heute, gestern oder einer Woche, wie man so schön sagt, denn es dürfte mittlerweile beinahe drei Monaten her sein, dass die ersten Anzeichen von Roberts Veränderung bemerkbar wurden.

Nach und nach trat es ein. Zunächst war man davon ausgegangen, dass der Unternehmer bloß eine schlechte Phase besaß, was durchaus vorkommen kann und nicht zwingend mit dem Alter oder einer Krankheit zu tun haben musste, da jeder Mensch so eine besaß, dennoch vermehrt auftritt, je älter man wird und sich nicht dementsprechend mehr Ruhe nimmt oder neue Aktivitäten dazu kommen, die zunächst ungewohnt und sich der Körper erst einmal gewöhnen muss.

Von wegen Ruhe. Es langsam angehen. Sich Zeit nehmen. Ein Punkt, der zu einhundert Prozent auf Roberts zutraf.

Einer von Roberts zwei Söhnen, Noah Roberts, wie Jeannine von Michael erfuhr, vermutete schon länger, dass irgendetwas mit seinem Vater nicht stimmen mochte. Zwar hatte Noah zwischendurch erwähnt, da dieser mit Michael befreundet war und es im Gespräch aufkam, dass sich der Mann hier und da mal, ungewöhnlich verhielt. Es war ein Glas gewesen, welches Nicolas aus den Fingern rutschte.

Sein wöchentliches Glas Whiskey. Jeden Samstag, um sechzehn Uhr, genehmigte sich Nicolas Roberts ein Glas und dies seit über fünfunddreißig Jahren. Jenen Samstag hatten Vater und Sohn zusammengesessen, sich währenddessen unterhalten und besagten Whiskey getrunken. Alles war gut, dann, im Laufe des späten Nachmittags, war das Glas auf den Boden gefallen. Ein Anzeichen dafür hatte es nicht gegeben und falls doch, hatte Noah es nicht bemerkt und auf Michaels Nachfrage damals, ob Roberts Hand an dem Tag eventuell gezittert habe, war die Antwort ein, 'Nein, nicht das ich wüsste', gewesen.

"Selbst auf seinen Sohn hört der Mann nicht", eine Sache, die Michael nur zu gut wusste, "Nicht mal auf sein Lieblingskind Noah. Wenn Nicolas noch nicht einmal auf ihn hört, dann erst recht, auf keinen anderen."

"Lassen Sie mich raten", begann Jeannine mit einem Schmunzeln im Gesicht, "Noah und Sie sind zwar Freunde, aber er ist auch Ihr Bruder. Wenn man jemanden wie Roberts als Vater besitzt, ist es nicht das Erste, was man erzählt."

"Nein, zum Glück nicht", entgegnete Michael kopfschüttelnd, "Meine Mutter hatte früher als Studentin hier gearbeitet, um sich das Studium zu finanzieren und nachdem sie gekündigt hatte, lernte sie meinen Vater kennen, der hier Mitglied war, wie sein Vater auch. Ich kenne Noah seit ich siebzehn bin, ebenso seinen älteren Bruder Oliver. Es ist witzig, denn Oliver ist genau wie Nicolas und dass die beiden Vater und Sohn sind, ist unverkennbar, und Noah könnte nicht mehr das Gegenteil sein. Vielleicht ist er gerade deswegen, dessen Liebling."