Kapitel 12

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ADRIANA

Ich hörte, wie meine Familie sich in Mamás und Papás Zimmer stritt, was mir beinahe die Tränen in die Augen trieb, aber ich versuchte es zu ignorieren und ging zu Abuelas Zimmer. Ich klopfte gegen die Tür, worauf Abuela sie mir öffnete.
"Ardy? Was ist los?", fragte sie, bevor sie auf die Kette sah, die ich jetzt um den Hals trug. "Woher hast du diese Kette?"
"Carla hat sie mir gegeben", antwortete ich ihr. "Kann ich reinkommen, Abuela? Ich würde mir gerne mal dein magisches Buch ansehen." Sie sah mich verwirrt an.
"Woher weißt du davon?", fragte sie nach.
"Von Carla, sie hat gesagt, dass ich reingucken soll, wenn ich meine Gabe richtig verstehen will", antwortete ich, Abuela nickte.
"Na gut, dann komm rein. Wenn Carla dir das gesagt hat, dann... dann hat es wohl keinen Sinn, es dir zu verheimlichen", erwiderte sie und ließ mich ins Zimmer. "Du weißt also, wer Carla war?"
"Ja, Estrella hat es mir gesagt", sagte ich.
"Bist du sauer auf uns, weil wir dir nichts gesagt haben? Das war nicht unsere Absicht", fragte sie besorgt nach, ich schüttelte den Kopf.
"Ist schon ok, wenigstens war Estrella ehrlich zu mir", wehrte ich ab und zuckte die Schultern. "Kann ich jetzt das Buch sehen?"
"Natürlich, setz dich hin, Süße", stimmte sie zu und ging zu ihrem Schrank, um ein Buch herauszuholen. Ich setzte mich mit ihr auf das Bett, während Abuela mir das Buch auf den Schoß gab.
"Darf ich es mir alleine ansehen, Abuela?", bat ich, weil ich nicht wollte, dass sie sah, wonach genau ich suchte. Ich wollte, dass es eine Überraschung war, wenn ich Carla wirklich zurückholen würde! Ich konnte das alleine, ganz sicher! Ich war ja nicht mehr klein! Und Carla und Abuelo passten ja auch auf mich auf! Abuela sah mich verwirrt an.
"Wieso?", fragte sie nach. "Eigentlich wäre es mir lieber, wenn wir es uns zusammen ansehen."
"Aber ich will es alleine lesen, Abuela!", wehrte ich ab. "Bitte! Ich bringe es dir auch sofort wieder, wenn ich fertig bin, versprochen!" Sie seufzte.
"Na gut, in Ordnung, aber nur zur Ausnahmne", willigte sie unzufrieden ein. "Dann lasse ich dich mal fünf Minuten alleine, ja?"
"Danke." Sie ließ mich alleine im Zimmer zurück, worauf ich sofort das Buch aufschlug, bis ich auf Carlas Seite stieß. Neugierig sah ich darauf und las mir die Seite durch. Sie hatte Gedanken lesen können. Kein Wunder also, dass Camilo so komisch reagiert hatte, als ich ihm gesagt hatte, dass ich mir wünschte, Gedanken lesen zu können! Ich hatte alle an Carla erinnert und traurig gemacht. Das hatte ich doch nicht gewollt. Ich blätterte weiter zu meiner Seite und schlug sie neugierig auf.

ADRIANA MADRIGAL

Adriana ist die vierte und jüngste Tochter von Amalia und Bruno. Sie hat die Gabe, mit Toten zu kommunizieren und in ihre Welt zu gehen, wenn sie Kontakt zu ihnen aufgenommen hat. Sie kann Gegenstände aus diesen Welten mitnehmen und auch Gegenstände mit hineinbringen, aber keine Personen. Sie hat allerdings die Macht, Tote wiederzubeleben, dafür muss sie aber ein großes Opfer ihrer Wahl bringen.

Mehr stand da nicht. Aber ich konnte tatsächlich Tote wiederbeleben! Aber was für ein Opfer sollte ich bringen? Und wie genau funktionierte das mit dem Wiederbeleben? Unsicher schlug ich das Buch zu. Jetzt wusste ich zwar, dass ich Menschen wieder zum Leben erwecken konnte, aber nicht, wie genau das funktionieren sollte. Viel gebracht hatte es mir also nicht. Na ja, dann musste ich mir eben etwas einfallen lassen. Ich legte das Buch zur Seite, ging aus dem Zimmer und bedankte mich bei Abuela. Ich wartete ungeduldig, bis keiner mehr auf dem Flur war, bevor ich zu Carlas Zimmer lief. Jetzt würde ich erstmal nach diesen Briefen suchen. Ich riss die Bretter von der Tür und holte mir dabei den ein oder anderen Spreisel, aber das war mir egal. Ich musste Carla retten, das war sehr viel wichtiger als ich - für alle.
Das ist so nicht wahr, Ana! Wir lieben dich alle! Verletz dich nicht, ja?
Das war schon nicht so schlimm, nur ein paar kleine Spreisel! Sobald alle Bretter auf dem Boden lagen, öffnete ich die Tür und ging vorsichtig in das große, dunkle und staubige Zimmer. Überall schwebten mehrere Ebenen herum, auf jeder Ebene standen verschiedene Möbelstücke.
Die Briefe sind in einer Kiste unter meinem Bett.
Ich nickte und kletterte auf die Ebene mit dem Bett, bevor ich darunter eine kleine Holzkiste herauszog. Ich öffnete sie und war überrascht davon, dass die Kiste bis zum Rand gefüllt war. Ich schloss sie wieder und nahm die Kiste mit, damit ich sie mit in mein Zimmer nehmen konnte. Ich klemmte sie mir unter den Arm und kletterte dann von der Ebene, um zurück in mein Zimmer zu gehen. Ich schloss die Tür hinter mir und setzte mich in meinem Zimmer an den Schreibtisch. Ich nahm einen Brief aus der Truhe und etwas Papier, um einen Brief zu schreiben. Carlas Freund hieß also Luca. Hoffentlich antwortete er mir! Vielleicht konnte er mir ja auch helfen?
"Adriana!" Ich drehte mich neugierig um, als Mamá, Papá und Luna ins Zimmer kamen. "Wieso ist Carlas Tür offen? Warst du in ihrem Zimmer?"
"Ja, sie hat mich darum gebeten", antwortete ich. "Sie will, dass ich ihrem Freund schreibe, dass sie ihn liebt."
"Und dann reißt du einfach die Bretter ab und gehst ins Zimmer?", fragte Luna fassungslos nach. "Bist du etwa von allen guten Geistern verlassen?! Da darf aus gutem Grund keiner rein! Auch du nicht, selbst, wenn Carla es dir erlaubt!"
Hör nicht drauf, du hast alles richtig gemacht.
"Hast du dich verletzt, amor?", fragte Papá und kam zu mir. "Du hast ja Spreisel in der Hand! Komm, wir machen die dir raus, bevor noch etwas passiert!" Er nahm meine Hand und wollte mich nach draußen ziehen, während Mamá weinte, aber ich machte mich los.
"Ich muss erst Luca schreiben, Papá! Carla hat mich darum gebeten!", wandte ich ein, aber er schüttelte den Kopf.
"Du kommst jetzt erstmal mit in die Küche, ja? Die Briefe laufen dir schon nicht davon", widersprach er mir.
"Adriana, warum musst du immer alte Wunden aufreißen? Kannst du die Sache mit Carla nicht einfach ruhen lassen?", schluchzte Mamá verzweifelt, während Luna sie in den Arm nahm.
"Carla war euer Liebling, nicht ich. Also muss ich euch helfen", wandte ich ein.
"Was redest du da? Wir lieben dich genauso sehr!", wehrte Papá besorgt ab, aber ich schüttelte den Kopf.
"Ihr wolltet nicht, dass ich geboren werde, ihr wolltet immer nur Carla. Also muss ich alles tun, um sie glücklich zu machen und ihr zu helfen!", widersprach ich ihm.
"Süße, das ist so nicht wahr! Wir lieben dich doch!", wandte Mamá geschockt ein, aber ich schüttelte den Kopf.
"Nein, ihr liebt Carla! Und deswegen muss ich das tun!", wehrte ich ab und nahm mir die Briefe und das Papier. "Und jetzt gehe ich erstmal diesen Brief schreiben!" Damit rannte ich aus dem Zimmer und lief ins Dorf. Ich brauchte einen ruhigen Ort, um den Brief zu schreiben. Vielleicht konnte ich solange bei Abuela Ines bleiben. Sie würde bestimmt nichts dagegen haben, dass ich Carla helfen wollte!

Ich brauche dich, Bruno 7 - Neuer Anfang Where stories live. Discover now