War das alles nur ein Spiel für dich?

Kapitel 1

30.12.2021 – 18:00

Etwas gelangweilt sitze ich am Tisch und scrolle durch die sozialen Medien. Weil meine Züge zu blöden Zeiten fahren, bin ich ausnahmsweise zu früh bei Tanjas Geburtstagsfeier aufgetaucht. Eigentlich hat die Feier noch gar nicht begonnen, denn als ich angekommen bin, steckten sie noch in den Vorbereitungen. Natürlich habe ich mit angepackt. Und jetzt sitze ich am Tisch und warte auf die anderen Gäste, die jeden Moment kommen sollten.

Ich bin gespannt, was die anderen Gäste tragen werden. Denn Tanja hat für ihren Geburtstag ein Motto bestimmt. "Elegant" soll es sein. Also habe ich mich für mein eng anliegendes Kleid in Petrol entschieden. Dazu schwarze Strümpfe und eine schwarze Jacke. Meinen dunkelblonden Undercut habe ich in einen kunstvollen Zopf geflochten. Meine blauen Augen sind mit einen goldenen Liedschatten betont. Und ausnahmsweise, habe ich etwas Farbe auf den Lippen. Sie sind in einem knalligen Rot geschminkt. 

Es klingelt. Mein Puls beginnt zu rasen. Ich mag unbekannte Situationen nicht wirklich. Und gerade befinde ich mich in so einer Situation und die wird sich an diesem Abend noch einige Male wiederholen. Denn auf die Feier kommen hauptsächlich Leute, die ich noch nicht kenne.

Tanja kommt die Treppe runter, um dem mysteriösen Gast zu öffnen. Sie trägt ein schönes, bodenlanges Kleid mit einem schwarzen Oberteil und einem roten Rock. Ihre blonden Haare trägt sie, leicht gewellt, offen. Der braune Glitzerliedschatten bringt ihre braunen Augen wunderbar zur Geltung.

Doch meine Aufmerksamkeit wird auf die Person gezogen, die gerade das Haus betritt. Ein breit gebauter, gutaussehender Mann betritt den Raum. Er trägt eine Schwarze Anzugshose und ein weisses Hemd. Sein braunes Deckhaar reicht ihm etwa bis zum Kinn, die Seiten sind kurz rasiert. Ich bin geflashed, wie ich es noch nie war. Dieser Mann raubt mir den Atem.

«Fabiola, darf ich vorstellen? Dario. Dario, dass ist Fabiola» stellt Tanja uns gegenseitig vor. Dario... ein schöner Name. Er kommt direkt auf mich zu. Etwas überfordert stehe ich auf. Ohne zu zögern, umarmt er mich kurz «Freut mich.»

Immer noch etwas perplex erwidere ich «Freut mich auch.» Eigentlich bin ich mit der Erwartung an die Party gekommen, wir werden nur Frauen sein. Ausser Tanjas Freund, ihr Vater und Bruder natürlich. Doch jetzt steht ein attraktiver junger Mann vor mir und ich muss tief durchatmen, um meine Atmung wieder in den Griff zu bekommen. 

30.12.2021 – 23:59

Nach Dario sind noch fünf weitere Gäste gekommen und wir haben den Abend entspannt mit einem lustigen Spiel gestartet. Mittlerweile sitzen wir am Tisch und haben gerade fertig gegessen. Es gab ein richtig leckeres Fondue Chinoise mit vielen Beilagen.

Tanja hat sich mit den meisten Gästen aufs Sofa gesetzt. Ich sitze aber noch am Tisch und unterhalte mich mit Dario. Irgendwie haben wir uns von Anfang an gut verstanden. Wir sprechen über unsere Ausbildungen, die Berufsschule und unsere Hobbies. Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut unterhalten. Es ist richtig leicht mit ihm zu sprechen. Das Gespräch fühlt sich so normal an. Das hatte ich seit längerem nicht mehr. Ich denke ich mag ihn.

«Hey Leute macht euch bereit. Der Countdown geht gleich los.» ruft Tanja zum Tisch rüber. Wir schauen uns schmunzelnd an. Sie macht jedes Jahr ein Geburtstagsfest vom dreissigsten auf den einunddreissigsten Dezember, da sie an Silvester Geburtstag hat.

Sektgläser werden herumgereicht und wir stehen auf. «10, 9, 8, 7, 6...» beginnen wir gemeinsam herunterzuzählen. «5, 4, 3, 2, 1, Happy Birthday!» jubeln wir zusammen. Einer nach dem anderen umarmen wir Tanja und gratulieren ihr zum Geburtstag.

Dario und ich wollten uns gerade wieder an den Tisch sitzen, doch Tanja ruft uns zu «Kommt, wir machen ein Foto»

Ohne gross zu widersprechen, gesellen wir uns zu den anderen und posieren für ein gemeinsames Bild. Dario steht jetzt direkt neben mir. So nahe, dass sich unsere Arme berühren. Meine Haut beginnt zu kribbeln und ich fühle, wie mein Gesicht warm wird. Ich hoffe inständig, dass ich nicht gerade zur Tomate werde.

«Leute, ich verabschiede mich von allen. Ich gehe nach Hause.» beginnt sich Dario zu verabschieden. Ich bin enttäuscht. Er will jetzt schon nach Hause gehen. Dabei haben wir uns gerade noch so gut unterhalten. Das Gespräch würde ich gerne noch weiterführen.

«Ach nein. Musst du wirklich schon gehen? Bleib doch noch etwas.» fragt Tanja. «Ne ich muss noch nach Hause laufen. Ich sollte langsam los.» erklärt er und beginnt sich von allen zu verabschieden.

Zum Schluss kommt er zu mir. «Hei, Schade musst du schon gehen. Ich habe den Abend mit dir genossen.» sage ich in meinem Kopf. Zu ihm sage ich nur «Na dann. Gute Nacht.» und umarme ihn kurz. «Gute Nacht» antwortet er und lächelt mir noch kurz zu. Und dann ist er auch schon weg.

31.12.2021 – 2:00

Ich konnte mich die restliche Nacht nicht konzentrieren. In Gedanken war ich ständig bei Dario. Jetzt liege ich auf dem Sofa und scrolle durch Tanjas Follower, um sein Profil zu suchen. Ich weiss, voll stalkerhaft, aber ich muss irgendetwas tun und mir ist nichts Besseres in den Sinn gekommen, als ihm eine Freundschaftsanfrage zu schicken.

Nach fast zehn Minuten suchen, habe ich ein Profil mit dem richtigen Namen gefunden. Jedoch sind die Beiträge schon sehr alt und auf den wenigen Fotos, auf denen man sein Gesicht sieht, ist er vielleicht gerade mal acht oder neun Jahre alt. Also ist das vermutlich nicht sein aktuelles Profil. Das heisst, ich kann noch einmal auf die Suche gehen.

Lange muss ich nicht suchen, bis ich ein Profil mit gleichem Namen finde. Leider ist das Profil privat. Aber vermutlich werde ich Dario nicht so schnell wieder sehen. Also kann ich ihm auch gut eine Freundschaftsanfrage schicken.

Seufzend lege ich mein Handy zur Seite. Ich ziehe meine Decke bis zur Nase hoch und versuche einzuschlafen. Jedoch kann ich meinen Kopf nicht abstellen. Der Abend wiederholt sich immer und immer wieder. Und jedes Mal denke ich, ich hätte mich anders verabschieden sollen. Ich hätte ihm ehrlich sagen sollen, wie sehr ich den Abend genossen habe. Wie sehr ich das gebraucht habe und wie gut es mir getan hat. Aber das habe ich nicht und ich muss damit klarkommen. Ich atme tiefdurch, drehe mich auf die andere Seite und schliesse meine Augen.