23.06.2014

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Montag, 23.06.SSW 26+5

Die Nacht war erstaunlich gut. Ich bin innerlich ruhig und positiv gestimmt. 

Während Jonas 2012 zur Welt kam lief ein bestimmter Song im Radio. Dieser Song hat Marco und mich seit dieser Zeit begleitet. Und genau diesen einen Song höre ich heute Morgen in Dauerschleife in der Hoffnung, dass alles gut gehen wird.

Eines weiß ich: Trotz Kaiserschnitt will/muss ich heute unser Kind sehen. Komme was wolle!! Marco muss mir versprechen, sobald es uns erlaubt wird zu unserem Kind in die Kinderklink zu gehen. Ich weiß, dass er warten möchte bis ich mitgehen kann, aber meine Angst ist viel zu groß, dass unser Kind in den ersten Stunden versterben könnte und keiner von uns bei ihm war. Das würde ich mir niemals verzeihen.

Um 07:00 Uhr werde ich abgeholt und in den Kreissaal gefahren. Hier werden alle nötigen Vorbereitungen getroffen. Der Professor und der Kinderarzt schauen nochmal bei mir vorbei und Marco bekommt seine Kleidung, damit er beim Kaiserschnitt dabei sein kann. Zum Legen der Anästhesie darf er nicht mit in den OP. Der Kaiserschnitt wird im Notfallsaal durchgeführt direkt gegenüber vom Kreissaal. Wären die Türen offen könnte Marco mich sehen. Langsam werde ich nervös. Es sind die gleichen Anästhesisten wie bei der Cerclage was mich irgendwie beruhigt. Der Anästhesist muss mir versprechen, dass sollte etwas schief gehen, er mir sofort etwas zur Beruhigung gibt.

Die Spinalanästhesie liegt, alle sind bereit nur Marco fehlt. Da sagt mir der Professor, dass es ihm lieber wäre wenn er nicht im Kreissaal mit dabei ist. Das macht mich noch nervöser aber irgendwie bin ich auch froh. Mir kann man sofort was zur Beruhigung geben wenn etwas Schlimmes passiert – ihm nicht.

Und dann geht’s los.

Vielleicht sollte ich vorab erwähnen, dass so ein Kaiserschnitt eine ziemlich schnelle Sache ist.

Ich bin so aufgeregt, habe Angst und bin aber auch froh, dass heute die Ungewissheit endlich vorbei ist.

Auf einmal wird es hektisch im Raum. Ich kann alles hören, wodurch meine Nervosität nicht unbedingt weniger wird. Anhand des Überwachungsmonitors bemerkt auch der Anästhesist meine steigende Aufregung. Für einen winzigen Moment ist es ganz still im Raum - und plötzlich hält der Himmel den Atem an und ein Wunder geschieht!

Ich bekomme die erste Mitteilung von der Hebamme, dass mein Kind, das lebt, gerade an die Kinderärzte übergeben wird. Ehrlich gesagt kann ich die Gefühle in diesem Moment nicht beschreiben weil es einfach unfassbar ist. Niemand, wirklich niemand hat vor 55 Tagen daran geglaubt, dass dieses Kind je das Licht der Welt erblicken wird. Und hier ist Sie!

Wie schon vermutet, ist unser Kind ein Mädchen.

Das Zunähen und Öffnen der Cerclage, ist auch eine schnelle Sache. Als ich anschließend wieder über den Flur geschoben werde, winkt mir der Kinderarzt zu und fragt ob wir noch kurz unser Kind sehen möchten. Da wusste ich, dass alles nicht so schlimm sein kann. Denn mal ganz unter uns, welcher Arzt würde fröhlich winken und uns unser Kind zeigen, wenn es in akuter Gefahr wäre. Ich sehe nur ein winziges Näschen mit einem Schlauch darin. Aber diese Minute macht mich unglaublich glücklich. Im Anschluss kommt sie in die Kinderklinik wo wir sie in 2-3 Stunden besuchen können.

Nach 3 Stunden hat meine Betäubung noch nicht ganz nachgelassen. Deshalb muss Marco erstmal alleine gehen. Am späten Nachmittag fährt er mich dann aber im Rollstuhl in die Kinderklinik. Und da liegt sie im Inkubator – unsere Maja, 720 Gramm leicht eine Kämpferin durch und durch – umgeben von Monitoren. Einfach unglaublich.

Wie erwartet ist ihre Lunge nicht gerade in Topform weshalb sie beatmet wird. Damit ihre Haut nicht austrocknet ist die Luftfeuchtigkeit im Inkubator sehr hoch und Maja ist in Folie eingewickelt. Viel sieht man nicht von ihr, aber das ist egal. Sie lebt und das ist die Hauptsache. So krass es sich anhört, aber die nächsten Stunden bzw. Tage entscheiden über Leben und Tot.

23.06.14 11:52:25: Jutta: Heute um 08:57 Uhr kam unsere Maja mit stolzen 720 Gramm auf die Welt. Jetzt ist Daumen drücken angesagt das sie auch außerhalb Mamas Bauch eine Kämpferin bleibt. Wir bedanken uns bei allen die schon dir ganze Zeit über mit uns gehofft und gebetet haben. Vielen Dank dafür.

Nach 89 Tage, 6 Tage vor dem errechneten Geburtstermin, durften wir Maja, 2380 Gramm  schwer, mit nach Hause nehmen, und Jonas lernte endlich seine kleine Schwester kennen.

Es waren harte, anstrengende und wundervolle 89 Tage.

Ich kann meine Gefühle in dieser Zeit nicht beschreiben, weil es einfach so überwältigend war. Ich bin unendlich dankbar für jeden Einzelnen der sich so liebevoll um Maja und auch um uns in dieser Zeit gekümmert hat. Alle in der Kinderklinik, egal ob Schwester, Pfleger, Ärztin oder Arzt waren einfach, ja mir fehlen die Wort, liebevoll. Wir haben uns wirklich wohl gefühlt und ich war auch irgendwie traurig als wir heim durften, seltsam ich weiß, aber so war es.

Maja konnte nach 110 Stunden extubiert werden. Sie wurde weiterhin beim Atmen unterstütz. Seit Mitte Oktober kann sie komplett alleine atmen. Sie hatte keine Hirnblutung und auch sonst weiter keine größeren Probleme. Zweimal bekam Maja eine Transfusion. Ihre Augen sind, toi toi toi, soweit in Ordnung. Das einzige was bis heute noch nicht in Ordnung ist, ist ihre Hüfte. Am 16.04. wird sie zum Zweiten Mal an der Hüfte operiert und wir hoffen, dass dann auch das Gut wird und Maja sich weiter normal entwickeln kann.

Maja wollte leben, und das wird mir immer mehr bewusst. Sie ist so ein willensstarker und fröhlicher Mensch.

Es vergeht kein Tag, an dem sie morgens die Augen aufschlägt und mich anlächelt.

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe ich konnte irgendwem da draußen der in der gleichen oder einer ähnlichen Situation ist Mut und Hoffnung schenken!

Alles Liebe

Jutta 

... und plötzlich hält der Himmel den Atem an und ein Wunder geschieht!Where stories live. Discover now