16.05. - 22.06.

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In den nächsten Tagen bzw. Wochen läuft eigentlich jeder Tag gleich ab. Ich bekomme intravenös dauerhaft den Wehenhemmer, 5x tägliche Antibiotika, Blut Entnahme, CTG und 2x wöchentlich ein Ultraschall. Bis auf kleine Depots sammelt sich kein Fruchtwasser an. Ab und zu habe ich Blutungen oder meine Entzündungswerte steigen an. Dann wächst auch meine Angst wieder. Meine größte Sorge ist, dass das Kind per Notkaiserschnitt geholt werden muss. Ich wünsche mir, dass wir bis zum geplanten Kaiserschnitt durchhalten. Ich bin ruhiger wenn ich weiß, dass „mein“ gewünschtes Ärzteteam vor Ort ist.

Das Kleine hält prima durch und wächst langsam aber stetig. Gelegentlich versucht es sich auch zu bewegen. Leider muss ich sagen ist das sehr schmerzhaft für mich.

Dienstag, 27.05. SSW 22+6

Nur eine Hand voll Menschen glaubten daran, dass wir es soweit schaffen würden. Aber heut steht die erste Lungenreife an. Es hört sich sehr egoistisch an aber ich weiß, egal was jetzt auch passiert, das Kind kann per Kaiserschnitt geholt werden und ich, sollte das Herz vorher aufhören zu schlagen, muss es nicht auf normalem Weg zur Welt bringen. Wenigstens eine Last die mir von den Schultern genommen wird.

Wie soll es auch anders sein, aber durch die Lungenreife bekomme ich einen Hautausschlag der zum Glück aber nach 3 Tagen wieder verschwunden ist.

 

Mittwoch, 04.06. SSW 24+0

Langsam aber sicher machen meine Venen schlapp. Teilweise werde ich mehrmals am Tag gestochen. Mein Körper und auch meine Psyche können nicht mehr. Deshalb wird mir heute auch eine Psychologin geschickt, die mich etwas aufbauen soll. Es sind genau 5 Wochen wo ich jetzt hier liege. Die Welt dreht sich weiter nur bei mir bleibt einfach alles stehen. Manchmal liege ich stundenlang da und höre immer und immer wieder das gleiche Lied. Ich glaube wirklich ich werde depressiv.

 

Samstag, 07.06. SSW 24+3

Unglaublich aber wahr heute wird mir mitgeteilt, dass für den 24.06 (SSW 26+6). der Kaiserschnitt geplant wird. Ich bin total aufgeregt. Endlich habe ich einen Anhaltspunkt wann dieser (Alp)Traum ein Ende hat. Allerdings kommt es mir ab jetzt vor als hätte ein Tag plötzlich 48 Stunden. Jeden Morgen wache ich auf und denke mir „nur noch …. Tage“ Ich kann nicht sagen was schlimmer ist. Zu wissen, oder nicht zu wissen wie lange man noch in der Klinik ist.

Montag, 16.06. SSW 25+5

Heute habe ich wieder Blutungen. Die Angst steigt, dass wir es nicht bis zum geplanten Termin schaffen. Vorsorglich wird ein „Ausweichtermin“ für Freitag den 20.06. festgehalten. An diesem Tag ist allerding der Professor und auch Dr. Kinderarzt nicht da. Seine größte Sorge ist die Lunge des Babys, deshalb wird am 18.06., SSW 26+0 erneut eine Lungenreife durchgeführt.

Da feststeht, dass unser Kind auf die Kinderintensivstation kommt, wird uns angeboten die Station vorab zu besichtigen. Aber das kann und will ich nicht. Ich will ehrlich gesagt nicht wissen, was alles auf uns zukommen kann. Denn wir müssen mit allem rechnen. Niemand kann uns sagen, ob das Kind bei der Geburt lebt, überlebt und/oder welche körperlichen bzw. geistigen Schäden es haben wird.

Mittwoch, 18.06. SSW 26+0

Gerade habe ich die 2. erste Lungenreife bekommen. Da die Blutungen aufgehört haben und sich meine Entzündungswerte nicht weiter verschlechtert haben, wird der Ausweichtermin für den 20.06. gestrichen. Der behandelte Oberarzt, der täglich telefonischen Kontakt mit dem Professor hat, teilt mir mit, dass der Professor schon am 23.06. statt am 24.06. aus dem Urlaub kommt und der Kaiserschnitt deshalb schon am Montag stattfinden wird.

Freitag, 20.06. SSW 26+2

Der Kinderarzt will/muss uns grob mitteilen, was auf uns zukommen kann bzw. zukommen wird. Ich sage im nochmal, dass ich auf keinen Fall möchte das unser Kind leiden muss. Wenn keinerlei Hoffnung besteht, möchten wir, dass nichts unternommen wird. Die Ärzte sollen in diesem Fall nur schauen das unser Kind so wenig Schmerzen wie möglich erleiden muss.

 

Sonntag, 22.06. SSW 26+4

Der Tag davor. Ich bin unheimlich aufgeregt. Seit ein paar Tagen bin ich alleine auf meinem Zimmer und die Schwestern versuchen auch, dass das so bleibt. Sollte morgen etwas schief gehen möchte ich einfach nur alleine sein.

Wenn ich möchte, darf ich heute mit dem Rollstuhl das Zimmer verlassen. Aber so komisch sich das jetzt anhört, ich kann das nicht. Seit fast 7 Wochen liege ich jetzt hier. Ich glaube wenn ich heute raus an die frische Luft „fahren“ würde, könnte ich mich anschließend nicht wieder einsperren lassen. Diesen letzten Tag halte ich jetzt auch noch durch!

Chatverlauf zwischen Jutta und Marco

22.06.14 21:45:06: Jutta: Lass den Kopf nicht hängen. Es wird alles gut. Weil WIR eine Familie sind und zusammen halten. Bis morgen. Ich liebe dich. 😘

22.06.14 21:45:18: Marco: Oh man es ging grad wieder. Und ja ich weiß, dass alles gut wird. Ist jetzt halt der letzte Meter.

22.06.14 21:46:07: Jutta: Ich weiß. Es ist komisch.

22.06.14 21:46:07: Marco: Und es zerrt an den Nerven

22.06.14 21:46:21: Jutta: Frag mich mal 😁

22.06.14 21:46:46: Marco: Ich lieb dich😘 Mehr kann ich grad nicht sagen

22.06.14 21:47:17: Jutta: Musst du auch nicht. Bis morgen. 😘

22.06.14 21:47:29: Marco: Bis morgen...😘

Das Leben ist wie eine Zugfahrt, mit all den Haltestellen, Umwegen und Unglücken. Wir steigen ein, treffen unsere Eltern und denken, dass sie immer mit uns reisen, aber an irgendeiner Haltestelle werden sie aussteigen und wir müssen unsere Reise ohne sie fortsetzen. Doch es werden viele Passagiere in den Zug steigen, Kinder, unsere Geschwister, Cousins, Freunde, sogar die Liebe unseres Lebens. Viele werden aussteigen und eine große Leere hinterlassen. Bei anderen werden wir gar nicht merken, dass sie ausgestiegen sind. Es ist eine Reise voller Freuden, Leid, Begrüßungen und Abschied.

Der Erfolg besteht darin: Zu jedem eine gute Beziehung zu haben.

Das große Rätsel ist: Wir wissen nie an welcher Haltestelle wir aussteigen müssen.

Deshalb müssen wir leben, lieben, verzeihen und immer das Beste geben! Denn wenn der Moment gekommen ist, wo wir aussteigen müssen und unser Platz leer ist, sollen nur schöne Gedanken an uns bleiben! Ich wünsche mir, dass meine Reise, jeden Tag schöner wird, ich immer Liebe, Gesundheit, Erfolg und auch etwas Geld im Gepäck habe.

... und plötzlich hält der Himmel den Atem an und ein Wunder geschieht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt