𝕶𝖆𝖕𝖎𝖙𝖊𝖑 𝟏

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„Du könntest auch echt mehr im Haushalt helfen Aria!", höre ich meine Mutter von unten schreien. Ich verdrehe die Augen. Seitdem meine Eltern sich haben scheiden lassen, ist sie unausstehlich geworden. Als würde sie praktisch nach Fehlern suchen. Mach dies und das, ich kann es wirklich nicht mehr hören. Mein Bruder rührt natürlich keinen Finger. Er ist aber auch nicht das schwarze Schaf der Familie, sondern der gute Musterknabe, der in Yale studiert. Beim letztens Thanksgiving kam er mit seiner komischen Ökö-Freundin Lydia, die einen halben Nervenzusammenbruch hatte, als sie uns in der Küche mit dem riesigen Truthahn gesehen hat. Vor Schreck ist ihr beinahe die vegane Lasagne aus der Hand gefallen, die sie extra für uns zubereitet hatte. Schade, dass sie diese nicht doch noch hat fallen lassen, hätte ich mir den Würgreiz sparen können.

Robert und ich hatten damals das perfekte Geschwisterbündnis, wie im Bilderbuch, doch seit er fort ist und studiert, hat er sich schlichtweg verändert und unsere Bindung ist den Bach runtergegangen. Er hat sich lediglich von seiner Familie distanziert – vorallem von mir.

Obwohl der Weg zur Universität noch weit entfernt ist, bleibt mein Traum an der NYU zu studieren. Architektur hat mich schon immer interessiert.

„Aria, wenn du jetzt nicht sofort runterkommst! Die Wäsche hängt sich nicht von selbst auf. Ich muss ins Krankenhaus, eine Nachtschwester hat sich gerade krankgemeldet", wiederholt sie sich. Ich schnaufe laut. Meine Mutter ist Krankenschwester und seitdem mein Vater ausgezogen war, ständig nur arbeiten. Sie arbeiten beide sehr hart, um Robert und mir ein gutes Leben zu ermöglichen, trotzdem bringen sie mich jedes Mal zur Weißglut. Nun hört sich das Gebrüll tiefer an, es ist mein Großvater dieses Mal: „Aria hör auf deine Mutter, verdammt nochmal!" Nun setze ich mich auf, verdrehe die Augen und trampele die Treppe runter, damit auch jeder merkt, wie sauer ich bin.

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„Ich habe die Reisepässe, Flugtickets und das Bargeld. Hast du die restlichen Sachen in das Handgepäck gepackt? Hast du auch an die Zahnbürste gedacht? Du weißt doch ich hasse Langstrecken-Flüge, da muss meine Mundhygiene nicht auch noch drunter leiden", frage ich Lorence. Er nickt bemüht mit dem Kopf, rennt dann aber nochmal in den Flur, um nachzuschauen. Er weiß ganz genau, dass ich ein Kontrollfreak bin.

Während Lorence fleißig die Koffer in den Wagen packt, kläre ich mit meiner Assistentin noch die letzten Details ab - denn ich fahre in den Urlaub. Das Problem ist, ich weiß gar nicht mehr was Urlaub ist, da mir meine Arbeit das normalerweise nicht ermöglicht. Doch mein Bruder heiratet und für ihn mache ich da gerne eine Ausnahme.

„Felicitas, wenn was sein sollte, ich habe mein Geschäftshandy dabei. Meine E-Mails werden an dich weitergeleitet. Nein - wenn irgendwelche Angebote oder Führungen gemacht werden sollten, leitest du diese einfach an Mike. Zu irgendwas muss dieser Typ ja gut sein, sonst hätte ich ihn nicht eingestellt", kommt es aus mir rausgesprudelt.

Ich bin nervös mit der ganzen Situation. Zwar vertraue ich meinen Mitarbeitern, aber wenn es um meine Firma geht, werde ich sehr besitzergreifend. Es werden keine Fehler geduldet, da ich mir einen Namen gemacht habe und niemanden enttäuschen möchte. Mein Imperium steht und fällt mit der langjährigen und treuen Kundschaft, die ich eigenständig aufgebaut habe. Felicitas ist nun meine achte Assistentin, denn ihre Vorgänger waren alle ihren Aufgaben nicht gewachsen. Selbst die Masterabsolventen einer Elite-Uni konnten mich nicht überzeugen. Doch bis jetzt macht Nr. 8 ihren Job ganz gut.

Draußen hupt der Chauffeur zweimal. Das ist wohl der Zeitpunkt meinen Arsch aus dem Haus zu bewegen, bevor wir den Flug wegen mir und meiner Arbeit verpassen. Lorence kennt die engsten Familienmitglieder bereits, da wir mittlerweile seit vier Jahren ein Paar sind.

Im Flugzeug lassen wir uns in der ersten Klasse nieder, so lässt sich ein 13-Stündiger Flug besser aushalten. Robert wollte ursprünglich in der alten Scheune auf der Range meiner Eltern heiraten, doch nun haben sie entschieden, sich auf den Weinbergen liieren zu lassen, irgendwo in der Toskana. Wenn Lydia einen Wunsch hat, wird dieser ihr auch nicht ausgeschlagen, sondern direkt von den Lippen gelesen. Ich wundere mich, wie mein Bruder es nach so vielen Jahren mit ihr immer noch aushält. Lorence findet sie sehr nett und er unterhält sich gerne mit ihr über Golf. Ich glaube dazu muss ich nichts beifügen. Nett und Golf, das klingt für mich nach einem Country-Club Magazin.

Der Flug ist sehr holprig und die Böen machen sich stark bemerkbar, weshalb ich mich in der kleinen Badkabine, dann auch noch mit der Zahnpasta vollkleckere. Na toll. Die Zähne sind nun sauber, dafür hat mein Busen einen neuen Anstrich verpasst bekommen. Beschämt eile ich sofort zu meinem Platz und greife in die Tasche, in der ich für den Notfall, noch ein zweites T-Shirt eingepackt hatte. „Ary-Schatz, hätte ich Zahnpasta gebraucht, hätte ich mir doch einfach welche aus der Tube genommen. Du musst doch nicht alles mit mir teilen", macht er sich über mich lustig. Ich bewerfe ihn mit meinem Kissen. „Schatz, ich hoffe dein Hintern schläft ein." Mit den Worten verlasse ich meinen Platz, um mir dann auf der Toilette das saubere Shirt anziehen zu können.

Ich warte auf dichحيث تعيش القصص. اكتشف الآن