60~Nervosität

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Den ganzen Abend lagen wir aneinander gekuschelt auf dem Sofa und wechselten immer wieder zwischen unsere Serie und irgendwelchen Liebesschnulzen ab. Es tat wirklich gut, für einen Tag einfach nichts zu tun.

Mein Handy vibrierte auf dem Tisch neben der Couch. Ich lehnte mich über Louis und griff danach, um kurz darauf Isabelle's Namen zu lesen. Etwas nervös nahm ich ab. Sie könnte nun entweder meine Welt zerstören, oder aber mich zum glücklichsten Menschen auf dieser Welt machen.

„Also." sprach sie durch den Hörer, nachdem wir uns begrüßt hatten. „Wir haben gesagt, dass wir möchten, dass Mia bei euch aufwächst. Wir haben nächste Woche Montag um vierzehn Uhr zusammen einen Termin beim Jugendamt." Ich bedankte mich und wir quatschten noch etwas, bevor sie schließlich das Telefonat beendete.

„Wir haben am Dienstag einen Termin beim Jugendamt." sagte ich nun zu Louis gewandt. Dieser nickte lächelnd und ich merkte, wie sich Freude in ihm breit machte. Anders war es bei mir. Ich hatte tierische Angst vor diesem Termin. Davor, dass Louis und ich als ungeeignet für diese große Verantwortung aufgenommen werden. Dass Mia in eine andere Familie kommt und sie der Meinung sind, dass wir ihr nicht das ermöglichen können, was sie verdient.

„Harry! Hör auf, so schnell zu Atmen. Du machst dir viel zu viele Gedanken." unterbrach Louis meinen Gedankengang.

„Aber was ist wenn-"

„Nichts aber. Es wir alles gut und wenn sie uns als ungeeignet sehen, was offensichtlich nicht der Fall ist, zieh ich meine Anwältin hinzu. Sie ist wirklich gut und kann uns dabei helfen." beruhigte er mich. Ich nickte bedrückt und kuschelte mich wieder zu ihm unter die Decke.

Ehe man sich versah, klingelte es an der Tür und Gemma trat ein. Sofort nahm ich ihr Mia aus der Hand und verteilte sehnsüchtig Küsse auf ihrer Wange. Ja, ich hatte meine Selbstzweifel, aber nach der ruhigen Nacht gestern hat sie mir unfassbar gefehlt. Ich hatte mich schon so an dieses freudige Krümelchen gewöhnt. Das sollte nie wieder anders sein.

„Wie war's bei Tante Gemma?" fragte ich in kindischer Stimme dem Kleinkind zugewandt. Sie lachte vor sich hin, was meine Frage wohl beantwortete.
„Danke, dass du auf die aufgepasst hast." sagte ich, diesmal auf meine Schwester bezogen.

„Hab' ich gern gemacht. Olivia hat sie direkt in ihr Herz geschlossen. Es gab kaum eine Sekunde, wo sie sie nicht vergöttert hat." lachte sie vor sich hin. Auf meinen Lippen bildete sich sofort ein breites Lächeln. Dass Gemma's Tochter sich so gut mit Mia verstand, machte mich wirklich glücklich.
„Ich muss dann auch. Olivia wartet im Kindergarten auf mich." Erneut bedankte ich mich, bis sie anschließend die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ.
Ich legte Mia vorsichtig auf das Sofa ab und verteilte unzählige Küsse auf ihrem kleinen Körper, wobei ich auch alberne Töne von mir gab. Mein Glück schien in diesem Moment einfach so vollkommen und die Zweifel der letzten Stunden waren verflogen.

„Da ist aber jemand glücklich." rief Louis, während er gemütlich die Treppen hinab lief. Als er jedoch den Grund für mein erfreutes Verhalten sah, beschleunigte er seine Schritte und schloss das Kleinkind erfreut in seine Arme. Wie sollten wir jemals wieder ein paar Stunden ohne sie auskommen, wenn wir uns schon nach nicht einmal vierundzwanzig Stunden so verhielten?


Die Tage vergingen wie im Flug und nun standen wir im Anzug gekleidet im Wohnzimmer und sahen uns starr in die Augen.

„Ich hab' Angst." gestand ich meinem Freund. Meine Beine fühlten sich an, wie Wackelpudding und mein Herz, als würde es gleich heraus springen. Louis ging noch einen kleinen Schritt auf mich zu, mehr Platz war da nicht, und verband seine Hände mit meinen.

„Ich weiß. Ich auch. Aber das wird bestimmt nicht schlimm. Versuch einfach, dich so zu verhalten, wie immer. Dann werden sie dich schon mögen. Ich meine, jeder mag dich. Man kann dich einfach nicht nicht mögen." lächelte er und gab mir einen sanften, aber kurzen Kuss, ehe er seine Schuhe anzog und bereit vor der Tür stand.
Ich befreite mich aus meiner Starre und folge ihm.

Mia setzten wir unterwegs bei Gemma ab. Isabelle und Alain würden selbst dort hin kommen. Von ihnen war das Jugendamt schließlich keine zehn Minuten Gehweg entfernt.

Ich starrte gedankenverloren aus dem Fenster, während Louis versuchte, mit etwas Musik, die Stimmung zu lockern. Doch es brachte nichts.
Je näher wir dem Ziel kamen, desto nervöser und angespannter wurde ich. Louis legte seine Hand auf meinen Oberschenkel ab und strich leicht auf und ab.

„Schatz." Er sah mich kurz an, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Komm runter. Sonst verhältst du dich auffällig und das macht keinen guten Eindruck. Je natürlicher du dich verhältst, desto besser." versuchte er, mich zu beruhigen. Ich war mir nicht sicher, ob sich mein Herzschlag tatsächlich allmählich beruhigte, oder, ob es nur Einbildung war. Die Worte taten mir aber auf jeden Fall gut.

Etwa eine Stunde später stellte Louis den Motor ab und bevor wir ausstiegen, sprach er noch einmal auf mich ein.

„Egal, wie das hier ausgeht. Wir gehen da gemeinsam durch. Verhalte sich einfach so wie immer, dann wird das schon." Ich nickte und öffnete die Autotür. Louis wickelte sich noch einen Schal um und setzte sich eine Kappy auf, welche er sofort wieder abnahm, als wir das Gebäude betraten.
Kurz nach uns kamen auch die Großeltern von Mia herein und liefen auf uns zu. Mein Körper zitterte, was zum Glück nur schwer zu erkennen war. Aber meine Stimme war jetzt schon total zittrig. Wie sollte ich da bitte anständige Sätze herausbringen können?

Die beiden drückten uns in eine Umarmung, bis eine Frau mit schulterlangen braunen Haaren auf uns zu kam.

„Sie sind dann wohl die Angehörigen von Familie Griezmann, mit dem Fall Mia Griezmann." las sie monoton von ihrem Block in ihrer Hand ab. Als Antwort nickten wir alle und jetzt war meine Nervosität am Höhepunkt. Ich versuchte, mich an die Worte von Louis zu erinnern. Trotzdem schlug mein Herz so schnell, dass es schon in meinem Kopf unangenehm bebte.
„Folgen Sie mir bitte." Mit einer Handbewegung wies sie uns in einen großen, kalten Raum. Es war ein brauner, runder Tisch mitten drin und unzählige Stühle außen rum akkurat verteilt. Für meinen Geschmack zu akkurat.
„Setzten Sie sich bitte." Wir folgten ihrer Anforderung und nahmen Platz. Links saß Alain, dann Isabelle und dann ich und Louis. Sofort nahm er meine Hand, als wir saßen, sodass es niemand erkennen konnte. Bei dieser winzigen Berührung von seiner warmen Hand entspannte sich mein Körper ein wenig und ich konnte wieder klar denken. Hoffentlich konnte ich auch normal reden, wenn mich diese Frau ansprechen sollte.

Sie setzte sich gegenüber von uns und tat einen auf professionell, als sie einen Stapel Papiere auf den Tisch klopfte.

„Mein Name ist Mrs. Payne. Ich werde über die Zukunft von Mia einen Teil zur Entscheidung beitragen." Sie sah in die Runde, als ihr Blick auf Louis und mir hängen blieb. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, als sie uns von oben bis unten musterte, wobei sie nicht weiter als unserer Oberkörper sehen konnte. Ihre Mimik konnte ich dabei überhaupt nicht zuordnen. Es konnte ein freundlicher Blick sein, aber auch ein total hasserfüllter und verabscheuender.
Nach einigen Sekunden nahm sie ihren prüfenden Blick endlich von uns und widmete sich wieder ihrem Stapel Papieren.
„Also Sie, Mr. Styles und Mr. Tomlinson, möchten Mia adoptieren?" Wir nickten.
„Sie sind nicht verheiratet?"

„Nein." antwortete Louis, wobei ich merkte, wie er es möglichst freundlich aussprechen wollte.

„Sie wissen, dass bei unverheirateten Paaren zuerst eine Person als Vater infrage kommt?" Erneut nickten wir. Dennoch wollten wir diesen Prozess hinter uns haben, damit, wenn wir irgendwann heiraten würden, Louis direkt als zweiter Vater anerkannt werden konnte.
„Gut." Sie überkreuzte ihre Hände miteinander auf dem Tisch und sah wieder zu uns.
„Wer möchte als erstes als Vater infrage kommen?" fragte sie Louis und mir zugewandt.

„Harry." sprach mein Freund und zeitgleich hob ich meine Hand leicht, um ihr dies zu verdeutlichen. Louis und ich hatten dieses Thema ausführlich ausgesprochen und wir waren beide mit dieser Entscheidung einverstanden. Das, was auf den Papieren stand, spielte für uns keine Rolle. Falls wir wirklich das Glück haben sollten, sie adoptieren zu dürfen, wären wir beide die Väter und nicht nur einer von uns.

𝚂𝚞𝚗𝚏𝚕𝚘𝚠𝚎𝚛 ~ Larry Stylinson Where stories live. Discover now