7 | Das mit der guten Fee

102 16 37
                                    

Je weiter ich mich von der Mensa entfernte, desto stärker schrumpfte meine Zuversicht. Himmel, was tat ich hier? Ich stürzte mich eigenhändig in meine Verdammnis. An Rückzug war jedoch auch nicht zu denken. Emma würde schwer enttäuscht sein, wenn ich nach dieser Diskussion mit ihr, ohne etwas getan zu haben, wieder zurückkehrte. Und ich selbst würde es mir auch nicht verzeihen. Besser, wenn ich es endlich hinter mich brachte und über meinen Schatten sprang.

Ich folgte Evas Ratschlag und ging zunächst zu den Schließfächern. Er stand mit dem Rücken zu mir und einige Sekunden schaute ich ihn einfach bloß an. Obwohl es kalt war, trug er ein T-Shirt. Seine Haare strich er flüchtig nach hinten und in seinem Nacken kräuselten sich die Haare in kleine Locken. Mir wurde warm ums Herz. Die Szene, wie er dort stand, seine Bücher aus dem Rucksack zog und in sein Schließfach verfrachtete, hatte etwas so banal Normales und an sich, dass ich mir, wenn ich mich nur kräftig genug anstrengte, vorstellen konnte, dass die letzten Wochen niemals passiert waren. Wenn ich an ihn dachte, spürte ich manchmal seine Hand gegen meine und ich könnte schwören, dass seine Finger über meine Haut streiften. Der Tagtraum endete abrupt und ich landete in der unbarmherzigen Realität.

Aiden atmete laut auf und drehte sich schwungvoll um.

„Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht... Oh, du bist es." Seine Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht. Mir wurde klar, dass ich mir eine andere Reaktion erhofft hatte als ein einfaches „Oh, du bist es.". Sehr begeistert mich zu sehen, klang er jedenfalls nicht.

„Ja, ich bin es.", antwortete ich mit zusammengebissenen Zähnen. Er mahlte mit dem Kiefer und drückte die Schließfachtür energisch zu. Der Knall ließ mich zusammenzucken. Seine Hand verharrte noch eine Weile an dem Schloss und ich sah, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Seine Haltung war unnatürlich steif, als müsse er sich selbst davon abhalten, etwas zu tun, was er wohlmöglich irgendwann bereute.

„Katara... ich..."

„Ich bin hier, um mit dir zu reden.", sagte ich mit so viel Würde, wie ich aufbringen konnte. „Unter vier Augen.", setze ich unnötigerweise hinterher. Wir waren allein.

Aiden breitete seine Hände aus und ließ sie dann kraftlos an die Seite fallen.

„Dann..."

Ich gab es zu. Ich hatte gehofft, dass er den Großteil der Unterhaltung führen würde. Vor allem, weil es immer so ausgesehen hatte, als würde er dringend mit mir reden wollen. Ich wippte abwartend mit den Fußballen über den Boden, doch als er auch nach einer geschlagenen halben Minute keine Anstalten machte, etwas zu sagen, ergriff ich das Wort.

„Paul ist jetzt in Reha und er kommt bald wieder nach Hause.", ließ ich ihn wissen.

„Okay..."

„Er läuft jetzt mit Krücken und kann das Bein langsam wieder bewegen."

„Okay...", sagte er erneut und es machte mich wütend, dass er nicht mehr dazu zu sagen hatte. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und holte zittrig Luft.

„Eigentlich wollte ich mit dir über diese Gerüchte reden, aber da du anscheinend besseres zu tun hast, gehe ich wohl besser wieder und..."

„Ich will ja mit dir reden, ich weiß... ich weiß, nur nicht wie ... wo ich anfangen soll."

„Wie wärs mit..."

Ich brach ab, als ein Schüler um die Ecke zu seinem Schließfach tapste, gefolgt von einer Traube an Menschen, die beim Anblick von Aiden und mir jedoch auf der Stelle stehenblieben. Wir starrten uns gegenseitig an. Niemand sagte ein Wort und der Junge am Schließfach trödelte merklich. Ein Mädchen grinste vielsagend und stieß ihrer kichernden Freundin in die Seite. Das war doch echt zum Kotzen. Konnte man nicht einmal mehr in Ruhe miteinander reden, ohne direkt blöd angeglotzt zu werden?

Katara - Bound To Trust (2)Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon