II - I. Das Wiedersehen

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Edmunds Sichtweise

Wieder abgelehnt. Nur weil ich noch nicht 18 bin. Wenn die wüssten.

Lucy lief neben mir, während ich ihr mit den Einkäufen half. "Ich bin ein König. Ich habe in Kriegen gekämpft, Armeen befehligt." "Nicht in dieser Welt." "Ja. Stattdessen sitze ich hier fest und darf mich mit Eustachius Knilch rumschlagen. Niemand hat seinen Namen so sehr verdient, wie er."

Lucy strich sich die Haare aus dem Gesicht hinters Ohr und sah verträumt hinter mich. "Was machst'n du da?" "Gar nichts." Ich blickte verwirrt hinter mich, sah nur ein Pärchen und drehte mich wieder zu Lucy. Eine Erinnerung von Alina und mir schoss mir vor Augen, doch Lucy riss mich gleich aus meinen Gedanken. "Los komm, wir gehen."

Wir liefen zu unserem vorübergehendem Zuhause. Bei Tante, Onkel und unserem unausstehlichem Cousin.

Lucy versucht, mit unserem Onkel zu reden, doch dieser ignorierte sie mal wieder komplett. Ich streckte ihm die Zunge heraus, doch Eustachius petzte sofort. "Vater. Edmund schneidet wieder Fratzen." Dann schoss er eine Papierkugel auf mich. Jetzt reichts. Ich rannte zu ihm. "Du kleiner-" Aber Lucy unterbrach mich mit einem Brief in der Hand. "Edmund, sieh mal. Der ist von Susan."

Wir gingen hoch in ihr Zimmer und sie öffnete den Brief. Wir saßen beide auf ihrem Bett, während sie den Brief vorlas.

"Ich wünschte, ihr wärt hier bei uns. Es ist ein solches Abenteuer, aber kein Vergleich zu unseren Zeiten in Narnia. Amerika ist sehr aufregend, nur sehen wir Vater nie. Er arbeitet so viel. Ich war diese Woche zur Teegesellschaft des britischen Konsuls von einem Marineoffizier eingeladen. Der übrigens sehr gut aussieht. Ich denke, er hat sich in mich verguckt."

Ich stand auf und sah mir das Bild an der Wand an, ein Schiff auf hoher See. Lucy las weiter vor.

"Anscheinend machen einem die Deutschen die Überfahrt momentan schwer. Das sind schlimme Zeiten. Mutter hofft, euch machen ein paar weitere Monate in Cambridge nichts aus."

Ich drehte mich zu ihr und setzte mich wieder neben sie. "Ein paar weitere Monate? Wie sollen wir das überstehen?", fragte sie entsetzt. "Du hast noch Glück. Du hast wenigstens dein eigenes Zimmer. Ich bin bei Fischmaul." "Susan und Peter haben Glück. Die erleben Abenteuer." Sie stand auf und ging zum Spiegel, während ich mich aufs Bett legte und den Brief noch einmal durchlas.

"Sie sind eben älter und wir sind jünger. Wir zählen einfach nicht so viel." "Findest du, dass ich Susan ähnlich sehe?"

Ich legte den Brief weg und ging wieder zu dem Bild. "Lucy? Hast du dieses Schiff schon mal gesehen?" "Ja. Sieht sehr nach Narnia aus, findest du nicht?" "Ja. Das soll uns auch dran erinnern, dass wir hier sind und nicht dort."

"Vermisst du sie?" "Alina? Jeden Tag."

"Es waren zwei Waisen, beide nicht sehr gescheit, mit Märchen von Narnia, sie verschwendeten ihre Zeit", dichtete Eustachius, als er durch die Tür reinkam. "Erlaub' mir, ihn zu verprügeln", murmelte ich, doch Lucy griff meinen Arm. "Nein."

"Klopfst du nie an?", fragte ich genervt. "Das ist mein Haus. Ich mache, was ich will. Ihr seid nur Gäste." Er setzte sich auf Lucys Bett. "Was ist an dem Bild überhaupt so faszinierend? Es ist grässlich." "Von der anderen Seite der Tür siehst du es nicht", sagte ich, wieder zum Bild gedreht.

"Edmund? Es sieht aus, als würde sich das Wasser bewegen." "So ein Blödsinn. Seht ihr. Das passiert, wenn ihr diese ganzen Fantasyromane und Märchen lest."

"Es war ein Junge mit Namen Eustachius, der las Sachbücher und redete nur Stuss." Lucy lachte leicht. Wie mich dieser Bengel nervt. "Jemand, der Märchen liest, gehört immer zu den Zeitgenossen, die zu entsetzlichen Bürden werden für Menschen wie mich, die Bücher mit echten Informationen lesen."

Jetzt reichts! Ich stampfte auf Eustachius zu. "Entsetzliche Bürde? Ich habe nicht gesehen, dass du einen Finger krumm gemacht hast, seit wir hier sind." Ich hielt ihm die Tür zu, als er gehen wollte. "Ich hätte große Lust deinem Vater zu sagen, dass du Tante Albertas Süßigkeiten geklaut hast." "Lügner." "Ach wirklich?"

"Edmund. Das Bild- das-"

"Ich habe sie unter deinem Bett gefunden und weißt du was? Ich habe jedes einzelne angeleckt." "Ich hab mich angesteckt", meckerte er in seiner piepsig hohen Stimme.

Doch dann strömte Wasser aus dem Bild. "Was ist hier los?", fragte Eustachius. Das Schiff kam im Bild immer näher. "Lucy? Glaubst du, dass-?" Vielleicht sehe ich endlich Alina wieder. Hoffentlich ist sie noch da.

"Das ist doch ein Trick. Hört auf oder ich sags Mutter. Mutter! MUTTER! Ich schlag' das blöde Ding kaputt." Eustachius nahm das Bild von der Wand, aber wir hielten ihn ab, es kaputtzumachen, dabei strömte uns das Wasser nur direkt in die Gesichter. Er ließ es fallen und der Raum füllte sich immer mehr mit Wasser.

Wir tauchten alle unter, doch als wir wieder an die Oberfläche kamen, waren wir nicht mehr in Lucys Zimmer, sondern mitten im Meer und das riesige Schiff kam direkt auf uns zu.


Alinas Sichtweise

Riepischiep und ich hatten gerade eine kleine Diskussion, ob nun Degen oder Schwerter besser sind, doch wurden unterbrochen, als jemand uns aufs Deck holte.

"Alina?", rief die vertraute Stimme von Kaspian. Ich drehte mich um und ging ein paar Schritte zu ihm, bis ich bemerkte, wer neben ihm stand. Edmund. Ich strahlte wahrscheinlich schon über beide Ohren, bevor ich es überhaupt mitbekommen hatte. Er starrte mich von oben bis unten mit offenem Mund an. Ich rannte die letzten Schritte noch zu ihm und umarmte ihn fest. Wie sehr habe ich ihn vermisst. Er war zwar komplett durchnässt und kalt, aber das war mir in diesem Moment egal. "Du bist wirklich hier", murmelte ich. Ich kann gar nicht beschreiben, wie sehr ich mich freute, Ed wiederzusehen. Er sah mir direkt in die Augen, bevor er seine schloss und mich küsste. Ich erwiderte sofort.

Geschrei unterbrach uns und Edmund stöhnte genervt, während ich ihn losließ und mich herumdrehte. Ein Junge lag schreiend, wie ein Mädchen schreiend, auf dem Boden, während Riepischiep auf ihm drauf saß. Er kam anscheinend auch mit Lucy und Ed, denn ich habe ihn noch nie gesehen. Was ist los mit dem Jungen? Noch nie eine Maus gesehen?

Er warf Riepischiep zu uns. "Alles gut?", fragte ich Riepischiep. "Natürlich, danke der Nachfrage."

"Riepischiep!", rief Lucy fröhlich. "Eure Majestät", begrüßte er und verbeugte sich. "Riepischiep, welch ein Vergnügen", grüßte Edmund.

"Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Sire. Aber vorab. Was unternehmen wir wegen dieses hysterischen Eindringlings?" Der Junge zeigte auf Riepischiep und wich immer weiter vor ihm zurück. "Dieses riesige Rattenvieh wollte mir das Gesicht wegkratzen." Ich konnte mein Lachen nicht verbergen und Edmund sah grinsend zu mir. "Ich wollte lediglich versuchen, eure Lungen von Wasser zu befreien, Sir."

Der Junge stand auf und zeigte weiter hysterisch auf Riepischiep. "Es spricht! Seht ihr das? Hat das einer von euch gehört? Es hat geredet!" "Es zum Schweigen zu bringen, ist eher ein Kunststück", merkte Kaspian an. "Von dem Moment an, wo es nichts mehr zu sagen gibt, euer Hoheit, verspreche ich, es auch nicht zu sagen." "Immer einen Konter parat", murmelte ich.

"Ich weiß nicht, was das für ein dummer Streich sein soll, aber ich will aufwachen. Jetzt!" "Können wir ihn wieder über Bord werfen?", fragte ich. Edmund schien die Idee gar nicht so abwegig zu finden, doch Lucy stupste ihn leicht an und ermahnte ihn sofort.

Der Junge marschierte zu ein paar Männern in seiner Nähe. "Ich verlange, zu erfahren, wo ich bin!" Tavros, ein Minotaurus, antwortete ihm. "Du bist auf der 'Morgenröte', dem besten Schiff in Narnias Marine." Danach kippe der Kleine um. "Hab ich was Falsches gesagt?", fragte Tavros.

"Ich kümmer' mich um ihn", sagte ich. "Wie heißt er?" "Eustachius", antwortete Lucy. "Genieße die Ruhe, solange er nicht bei Sinnen ist", lachte Edmund. Ich ging zu Tavros. "Kannst du ihn runtertragen?" "Natürlich."

Tavros trug ihn runter, während ich noch kurz Kaspians Ansprache zuhörte.

"Männer! Begrüßt unsere Schiffbrüchigen. Edmund der Gerechte und Lucy die Tapfere. Hochkönig und Königin von Narnia." Alle verbeugten sich, mich eingeschlossen.

Immer bei dir ( Edmund Pevensie - Narnia )Where stories live. Discover now