Teil 2

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Der Nachhilfeunterricht mit Kiara gestaltete sich entspannter als gedacht. Denn sie sprach kaum, demnach konnte sie mich mit der nervigen Art, die Kinder in ihrem Alter nunmal hatten, nicht nerven. Sie erklärte mir jediglich in was für Fächer sie Probleme hatte und was sie nicht verstand. Dass sie ziemlich viel nicht verstand, ließ ich unkommentiert: Sie sah so zerbrechlich aus, dass ich befürchtete, sie würde weinen, wenn ich ihr sagte, sie wäre dumm. Außerdem würde ich es mir sehr mit Mr. Peck verscherzen.

Sie war so klein, dass ich es kaum glauben konnte als sie mir schüchtern erzählte, sie sei schon 12 und ginge in die 7. Klasse. Auf den ersten Blick hätte ich die 5.Klasse vermutet, höchstens.

Doch sie war unkompliziert und das machte die ganze Sache wesentlich weniger nervig.

,,Richtig", lobte ich sie, als sie nach mehrmaligen Erklären endlich verstand, wie man ein Koordinatensystem beschriftete. „Und das machst du einfach für die ganze Aufgabe. Am Ende hast du dann eine Kurve, die du verbinden kannst. Dann siehst du, ob es linear oder exponentiell ist."

Sie nickte sie machte sich an die Aufgabe, während ich aufstand und meinen Rock glattstrich. Sie knabberte nervös an ihren ohnehin schon blutigen Nägeln.  ,,Ich komme gleich wieder. Danach machen wir uns an Englisch."

Es ekelte mich etwas an, als ich die dreckige Bibliothekstoilette betrat und entschied mich dagegen, wirklich auf die Toilette zu gehen. Als ich mein Handy aus meiner kleinen Tasche fischte, sah ich, dass Jenny mich mehrmals angerufen hatte, also rief ich sie rasch zurück, während ich mit der anderen Hand meinen Lipgloss aufbesserte. Außerdem fiel mir ein, dass ich meine Tabletten noch gar nicht genommen hatte. In letzter Zeit vergaß ich sie öfters, was nicht gut war, weshalb ich mit dem Handy zwischen Ohr und Schulter in meiner Handtasche kramte.

,,Endlich", rief Jenny mir prompt ins Ohr. ,,Wo warst du?!"

,,Ich gebe 'ner Kleinen Nachhilfe, das hab ich doch erzäht", erzählte ich. Dass sie es nicht mitbekommen hatte, wunderte mich nicht mehr. Jenny war eine gute Seele, die immer da war, wenn man sie brauchte, doch ihre Aufmerksamkeit beschränkte sich gewöhnlich auf Gossip, Jungs und Mode. Ich nahm es ihr nicht übel, denn so war sie eben.

,,Und wieso nochmal?"

,,Schlaftablette hat mir die Bestnote versprochen", erklärte ich ihr, was zwar nicht ganz stimmte, aber egal. Schnell würgte ich die gefundene Pille herunter.

,,Du bist so ein Streber", lachte Jenny, wurde dann aber schnell wieder ernst. ,,Hör mal, ich habe eine Vermutung. Was Lou angeht."

,,Lou?"

,,Sie ist in letzter Zeit so anders. Schrecklich nervig, ich hab das Gefühl sie widerspricht aus Prinzip gegen alles was wir sagen. Und ständig ist sie weg ohne zu sagen, wo sie hingeht. Außerdem ist sie so eklig ... nett geworden."

Ich musste lächeln. ,,Und das findest du komisch?"

,,Ja, denn wir sind nicht nett. Wir sind alles andere als nett. Und sie benimmt sich, wie die Jungfrau Maria höchstpersönlich."

,,Und was soll dahinterstecken?" Ich angelte meine Mini-Bürste aus meiner Louis Vuitton und versuchte damit einhändig meine blonden Haare zu bändigen.

,,Also entweder ist sie einer Sekte beigetreten oder sie fickt einen Priester oder so. Wahrscheinlich betet sie jetzt fünf Mal am Tag als Buße dafür, dass sie ihre Tennisröcke eine Nummer zu klein trägt und mehr als genug Sex vor der Ehe hatte."

Ich musste lachen. ,,Sprich sie doch einfach darauf an. Ich meine, es ist Lou. Du weißt genau, dass sie niemals ein Geheimnis für sich behalten könnte. Am wenigsten ihre eigenen. Und am allerwenigsten dir gegenüber."

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