Zum ersten Mal gesehen...

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Müde lehnte ich den Kopf an die Scheibe und ließ mich mit sanftem Schuckeln vom Zug davon chauffieren. Meine müden Augen folgten der dahinfliegenden Landschaft und ich dachte über die letzten Wochen nach. In mir brach in genau dem Moment der Stress wieder aus und mein Puls erhöhte sich. Der bloße Gedanke an die letzten Wochen hatte also bereits diesen Effekt auf mich. Ich holte tief Luft und versuchte mich wieder zu beruhigen, was mir nur mäßig gelang bei der Aufregung, die sowieso bereits in mir herrschte, wegen dem bevorstehenden Treffen. Lange hatte ich mit einem Daddy auf einer Internetseite geschrieben, auf der ich noch länger angemeldet war. Lange suchte ich bereits nach einem Daddy Dom, doch fündig wurde ich bisher noch nie. Der eine zu alt, der andere zu verheiratet, wieder welche mit denen man sich nicht mal richtig unterhalten konnte. Am unheimlichsten waren die, mit denen man erst eine Woche schrieb und die bereits auf ein Treffen drängten und auch immer wieder fragten, sodass bei einem durchgängig die Warnsignale blinkten. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen als ich an den Tag zurückdachte an dem ich von ihm angeschrieben wurde. Nun ja, eher „Ihnen" angeschrieben wurde. Es stellte sich schnell heraus, dass es sich um nicht einen, sondern zwei Daddys mit einem Little handelte, die auf der Suche nach einem kleinen Mädchen waren. Einem weiteren Little, um genau zu sein. Stutzig lies ich mir damals das Anschreiben durch. So neugierig wie ich war klickte ich mich zunächst durch das Profil. In mir tummelte sich die Neugier, doch zugleich auch die Abneigung. Ich wollte eigentlich sofort eine Absage zurückschicken, doch irgendetwas hielt mich zurück. Die ganzen Monate mit erfolgloser Suche fanden den Weg in meine Erinnerungen und ich erinnere mich noch, wie ich mir das Anschreiben mehrmals nochmals durchgelesen hatte und auch das Profil mehrmals las. Es ließ mich nicht mehr los. Bis ich an diesem Abend schließlich auf meinem Laptop einschlief. Im Anschrieben wurde eine Konstellation bestehend aus zwei Daddys beschrieben, die seit langem aktiv in der DDLG Community sind und mit beiden Beinen im Leben stehen. Ebenso wurde beschrieben, dass die beiden bereits einen kleinen Jungen haben, doch immer das Gefühl hatten, dass Ihnen etwas fehlte. Soweit ich aus dem Anschreiben damals herauslesen konnte, lebte ihr Little nicht bei Ihnen und war nur eine Woche im Monat da, sowie ab und an, an den Wochenenden. Als ich am nächsten Morgen aufwachte machte ich mich an meinen Laptop und schrieb eine Antwort zurück. Drei Monate war das nun her und nun saß ich im Zug und fieberte unserem ersten Treffen entgegen. Fiebern traf es recht gut, denn immer, wenn ich an die beiden Männer dachte, die ich bald treffen würde, brach mir der Schweiß aus. Ich war so nervös und aufgeregt, meine Gedanken und Gefühle spielten verrückt, meine Nerven lagen blank und meine Müdigkeit machte es auch nicht besser. Die letzten Wochen waren zu stressig. Vor zwei Tagen erst hatte ich mein Studium offiziell abgeschlossen. Mir fehlte nur noch meine Note. Den gestrigen Tag verbrachte ich Großteils damit Schlaf nachzuholen und meinen Schlafrhythmus mal so richtig schön zu versauen. Die andere Hälfte verbrachte ich damit ein nervliches Frack zu sein, meine Tasche zu packen, die Hälfte zu vergessen und dann die ganze Nacht auf zu sein da ich zum einen bereits so viel tagsüber geschlafen hatte und zum anderen einfach zu aufgeregt war, um einschlafen zu können. Desto näher der Morgen rückte, desto mehr Angst hatte ich zu verschlafen und meinen Zug zu verpassen, wenn ich einschlafen würde. Das Gute ist: Ich habe meinen Zug bekommen. Das Schlechte: Mir fielen die Augen zu und ich hatte Probleme damit meine Augen offen zu behalten. 

Es war bereits 14:43 Uhr. Ich schaute nochmal auf mein Ticket und überprüfte, wann ich ankommen sollte. Ich wusste es war 15:10 Uhr, doch ich traute mir selbst nicht über den Weg und irgendwie beruhigte es mich, wenn ich auf mein Ticket sah, und Recht hatte mit meiner Ankunftszeit. Es gab mir die Bestätigung noch nicht vollkommen Banana gegangen zu sein. Ich holte wieder tief Luft und fragte mich wie meine Nerven den Tag heute überstehen sollten. Ich bin schon immer die Person gewesen, die sich nie wohl fühlte, wenn sie neue Personen traf. Schon als Kind hatte ich mich immer hinter meinen Vater versteckt, wenn wir Freunde besuchten. Selbst Leuten gegenüber die ich bereits einmal getroffen hatte, war ich zunächst zurückhaltend gegenüber. So sehr wie ich diese schüchterne Person war, war ich aber auch die Person, die am Ende ihre Eltern anbettelte bei Fremden Leuten übernachten zu dürfen. Ich war also recht schüchtern doch sobald ich aufgetaut war, machte ich schnell Freunde. Und das hatte sich irgendwie bis heute so gehalten. Selbst bei der Frischetheke im Supermarkt traute ich mich nicht mit den Verkäufern da zu sprechen. Jedes Mal, wenn ich ging, überlegte ich und war kurz davor meinen Mut zusammen zu bekommen, bis er mir aus dem Armen sprang und sich davon machte. Ich kleines Angsthäschen ging dann immer zügig zum Kühlregal, um mir dort alles zu holen was ich brauchte, nachdem ich die Verkäufer an der Frischetheke wahrscheinlich zu lange und zu intensiv für einige Minuten unangenehm angeschaut hatte, in denen ich versuchte, meinen Mut zusammen zu bekommen. Mir stieg die Röte ins Gesicht und ich lachte leise in mich hinein beim Gedanken daran. Ein Klingeln holte mich aus meinen Gedanken heraus und ich sah auf mein Handy. Eine neue Nachricht. „Hi Kleines, wir warten bereits am Bahnsteig auf dich und holen dich da ab. Also nicht davon geistern kleiner Orca.". Ich las mir die Nachricht durch und schickte lächelnd ein „Oki" zurück. „Kleiner Orca" war einer ihrer Spitznamen für mich und zauberte mir immer ein Lächeln ins Gesicht. Ich liebe Orca. Wie könnte man aber auch nicht? Die sind schließlich superintelligent, verspielt, hervorragende Jäger, leben ihr ganzes Leben lang mir ihrer Familie und haben keine Feinde. In der Nahrungskette stehen sie deswegen ganz oben. Außerdem sehen die jeden Tag stylisch aus mit Ihrem schwarz-weißen Gewand. Darüber hinaus muss ein Orca nicht mit unheimlichen Verkäufern an einer Frischetheke sprechen. Ich fühlte mich etwas in mein Littlespace rutschen, erschrak aber als ich die Ansage hörte, dass wir in Kürze den Hauptbahnhof erreichen. Schnell fing ich an alles zusammenzusuchen und in meine große Tasche zu stecken, bedacht darauf meinem Kuschelorca genug Luft zum Atmen zu lassen. Gerade als der Zug anhielt hatte ich alles zusammen, nahm meine Tasche und machte mich auf zur Tür. 

Mit einem großen Schritt sprang ich aus dem Zug auf den Bahnsteig. Der Sprung wäre zwar nicht wirklich nötig gewesen, da ich zwar recht klein war, aber mit meinen 160cm auch nicht sooooo klein war. Allerdings weiß jeder, dass in den dunklen Spalten die Monster wohnen und die könnten ja nach dem Knöchel greifen, wenn man nicht aufpasst. Ich schaute mich auf dem Bahnsteig um und zitterte leicht vor Aufregung und der vielen Menschen um mich herum. Auf einmal legte jemand seine große Hand auf meine Schulter und sagte mit tiefer Stimme: „Hi Kleines". Ich fuhr erschrocken herum und schaute in eines der attraktivsten Gesichter, welches mir je vor die Augen gekommen war. „Oh nein! Habe ich dich erschreckt Baby?", fragte mich Mateo mit besorgter Stimme und legte beide seiner Hände an sein Gesicht. „Ah, du hast sie gefunden!", rief ein Klon... eh... Mann, der auf einmal hinter dem Mann auftauchte, der leicht gebeugt über mir stand. An der Hand des Mannes, der ein Ebenbild von dem Mann vor mir abzeichnete, war ein junger Mann in den Anfängen seiner 20er. „Hi Baby", sprach Nathan mit einem herzlichen Lächeln. Alle drei Männer waren größer als ich und ich musste förmlich hochschauen. Nathan und Mateo waren eineiige Zwillinge und beide etwas über 2 Meter groß. Neilo, der immer noch Nathans Hand hielt, war kleiner als die Zwillinge aber immer noch größer als ich. „Bestimmt 20cm größer als ich", dachte ich mir und beäugte alle drei Männer vor mir mit eindringlichen Augen. Ein Räuspern holte mich zurück in die Realität. Die Röte stieg mir ins Gesicht. Ich hatte die Männer vor mir gerade wahrscheinlich regelrecht angestarrt. Nathan zog die Augenbrauen hoch und schaute mich eindringlich an. „Hi Nathan", begrüßte ich ihn leise, während ich unbewusst anfing mit meinen Fingern zu spielen. Überraschung spiegelte sich in den Gesichtern von Mateo und Nathan. „Du kannst uns auseinanderhalten?", fragte Mateo und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Ja?", entgegnete ich und legte meinen Kopf leicht schief. „Du bist mir ja eine! Normalerweise brauchen die Leute immer lange bis sie uns auseinanderhalten können.", lachte Nathan und auch aus Mateos Brust ertönte ein tiefes Lachen. „Hi, ich bin Neilo!", quietschte der Junge an Nathans Hand fröhlich und winkte. Nathan und Mateo sahen zu Neilo mit warmen Augen runter. Mit einem „Hi" begrüßte ich Neilo schüchtern und kaum hörbar. Meine Hände hatten mittlerweile den Weg in meine kurze Latzhose gefunden und hielten sich oben an meinem Shirt fest, was man durch die Latzhose nicht sah. Ich weiß zwar nicht warum ich es tat, aber es war zum einen beruhigend sich an etwas festzuklammern und zum anderen mit das interessanteste auf der Welt auf einmal, wenn andere Personen mit einem sprachen oder man generell mit Menschen interagieren musste. Meine Schüchternheit und soziale Inkompetenz hatten es sich mal wieder in der Situation bequem gemacht.  

„Ok, machen wir uns auf den Weg. Wir halten sowieso schon alle auf.", meinte Mateo und griff sich meine große Tasche. Nathan nickte Mateo zustimmend zu. „Ehm... also... ich kann meine Tasche auch selbst nehmen. Du musst sie nicht für mich tragen.", sagte ich und guckte zu Mateo hoch. „Daddy trägt deine schwere Tasche, Baby.", erwiderte Mateo mit einem Zwinkern und ließ keinen Raum für Widersprüche. Nathan und Neilo waren schon ein paar Schritte vorausgegangen, worauf wir ihnen zügig folgten und kurz darauf aufschlossen. Ich lief dabei neben Mateo her und versuchte schrittzuhalten. Die entgegenkommenden Menschen machten es mir schwer, aber ich kämpfte mich tapfer an ihnen vorbei, immer darauf bedacht Mateo und Nathan nicht aus den Augen zu verlieren. Als ich einen Bettler sah, der Leute ansprach und penetrant nach Geld fragte, ließ ich mich unbewusst etwas hinter Mateo zurückfallen, damit ich mich hinter ihm verstecken konnte und mich der Bettler nicht sah. Ich ließ den Mann nicht aus den Augen und atmete sichtlich angespannt aus, als wir an ihm vorbei waren. Das ich meinen Atem angehalten hatte war mir gar nicht aufgefallen, doch noch immer war ich sichtlich angespannt und war davon überzeugt, dass das auch jeder sehen konnte. Wir gingen weiter und ich legte Augen auf eine Gruppe von jungen Männern die uns lärmend entgegenkamen. Sie schubsten sich gegenseitig und schienen zum Leid der anderen Menschen im Bahnhof hier zu viel Spaß zu haben. Desto näher wir ihnen kamen, desto schneller atmete ich und wäre am liebsten umgedreht, davongerannt und hätte unter allen Umständen einen anderen Ausgang gefunden. Als wir nur noch ein paar Meter von ihnen entfernt waren, hielt ich es nicht mehr aus und griff mit einem Händchen das Hemd von Mateo. Mateo zuckte zusammen und schaute zu mir runter. Er inspizierte mich mit seinen Augen und sah, wie sich mein Brustkorb schneller hieb und wieder senkte. Meine Augen klebten derweil immer noch auf der Gruppe von lärmenden Jungs. Mateo löste meine Hand von seinem Hemd und hob mich dann mit nur einem Arm hoch. „Daddy hat dich, Baby. Keine Sorge.", sagte Mateo liebevoll und ich klammerte mich an ihm fest. Meinen Köpfchen schob ich in seine Halsbeuge und versteckte mich so vor der Außenwelt. Mateo stützte mich mit einer Hand unter meinem Hintern und lief dann zusammen mit mir auf dem Arm weiter in Richtung Auto. 

Ein neues Kapitel im Leben von JojoDär berättelser lever. Upptäck nu