Kapitel 7

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Elli POV

Ich scrollte lustlos durch mein Tablet, wechselte zwischen Wattpad, Discord und YouTube hin und her. Wie üblich hatte ich auch meine Kopfhörer plus Playlist bereit.
Ich versuchte mich von Kitas Begräbnis abzulenken, es hatte sie nicht verheilten Wunden noch einmal aufgerissen und vertieft. Würde ich je darüber hinwegkommen? Würde ich jemals lernen ohne sie leben können?

Ich erinnerte mich noch an den Tag, als wir beide mit sieben Jahren in meinem Zimmer auf meinem Bett bei Dunkelheit saßen. Kita saß vor mir, das Flackern der Taschenlampe ließ ihr Gesicht fast unnatürlich wirken. Aber ihre Augen funkelten aufgeregt, sie biss nervös an ihrer Unterlippe herum. Ihre Hände waren in ihrem Schoß gefaltet. Sie rieb sie immer wieder aneinander, als ob ihr kalt wäre. Ich strich mir eine lose Strähne aus meinem Gesicht und sah sie an. In ihren klugen Augen spiegelten sich Unsicherheit, aber auch Neugier. „Bereit?", flüsterte ich, obwohl wir ganz alleine im Zimmer waren. Kita nickte stumm und schloss die Augen. „Schwörst du, Kita, für immer mit mir auf allen Wegen zu gehen, komme was wolle? Dass wir beste Freundinnen sein, bleiben und immer sein werden? Dass wir der anderen bis in den Tod folgen und immer beschützen werden?", wisperte ich beschwörend. Ich hielt mit meinen Händen die Taschenlampe umklammert, die zwischen uns wie ein rettendes Leuchtfeuer stand.
Kita blickte auf, sah mich mit blitzenden Augen an. „Ich schwöre es, auf immer und ewig", gelobte sie mit entschlossener Stimme. Kurzes Schweigen senkte sich über den Raum. „Und...jetzt?", fragte sie nach und sah mich etwas verlegen an. „Was kommt jetzt?" Ich verdrehte kurz die Augen. Wir hatten das schon seit Wochen geplant, tausende Male besprochen. Aber kein Wunder, dass sie es vergessen hatte, so aufgeregt, wie sie war. „Jetzt musst du dieselben Worte zu mir sagen!", flüsterte ich ihr ein. Mit einer Hand hielt sie sich die Augen zu und seufzte: „Ach ja, natürlich! Ähm, schwörst du, Elli, für immer mit mir auf allem Wegen zu gehen, komme was wolle? Dass wir beste Freundinnen sind, bleiben und immer sein werden? Dass wir der anderen bis in den Tod folgen und immer beschützen werden?" Ich verzog meine Lippen zu einem entschlossenen Lächeln und antwortete: „Ich schwöre es, auf immer und ewig!"
Kita erwiderte mein Lächeln. Aber das Ritual war noch nicht vorbei. Hinter meinem Rücken zog ich ein scharfes Küchenmesser hervor. Kitas Augen weiteten sich. „Meine Güte, Elli, wo hast du denn das her?", keuchte sie. Ich grinste verschmitzt. „Ich komme eben an manche Sachen ran, an die ich nicht ran sollte", antwortete ich geheimnisvoll. Ich machte eine auffordernde Handbewegung. „Gib mir nun deine Hand!", forderte ich. Sie nickte bloß und legte ihre Hand in meine. Sie war kühl, Kita hatte selbst im Sommer immer kühle Hände. Als ihre Haut meine streifte, schauderte ich unwillkürlich. Manche Dinge an ihr würde ich niemals verstehen.
Höchst vorsichtig nahm ich das Messer hervor und stach ihr damit in den ausgestreckten Zeigefinger. Ich zitterte nicht, meine Hand war absolut ruhig und ich war konzentriert, ich wollte sie nicht verletzten. Kita verzog kurz schmerzvoll das Gesicht, aber machte keinen Mucks. Sie atmete nur hörbar aus, als ich fertig war. Sie betrachtete die Wunde und den frischen roten Tropfen Blut, der aus ihrer Fingerspitze quoll.
Mit der Schneide nach unten reichte ich ihr das Küchenmesser an dessen Spitze sich ebenfalls ein kleiner Tropfen bildete. Diesmal reichte ich ihr meine Hand und sah ihr tief in die Augen. Ebenso vorsichtig wie ich, wenn auch nicht ganz so ruhig pikste sie mir ebenfalls in den Finger. Ich konnte ein Zischen nicht unterdrücken und meine beste Freundin zuckte zurück. „Alles gut?", fragte sie besorgt nach. Gequält lächelte ich sie an. „Alles in Ordnung, und bei dir?", presste ich hervor. Sie nickte. „Dann machen wir weiter."
Wir beide hoben unsere blutigen Zeigefinger. „Für immer...", gelobte ich feierlich. „...und ewig", beendete sie meinen Satz. Nachdem wir die Worte ausgesprochen hatten, pressten wir unsere Finger aneinander, sodass sich unser Blut vermischte. Es war fast, als spürte ich sie. Ihr kluges, ruhiges Wesen, das so viel konnte, so viel dachte und doch so neugierig war. Ein Schaudern durchzuckte ihren Körper. Konnte sie vielleicht auch mich spüren?
Als wir fertig waren mit unserem Austausch lösten wir die blutverschmierten Finger von einander. Gleichzeitig sahen wir uns an und öffneten den Mund. Wir brachen in ein erleichtertes Gelächter aus und die Anspannung viel von uns ab. Blutsschwestern. Auf immer und ewig.

Schwalbenflug - Jubiläum und Special (Buch 1)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن