Kapitel 3 - Der Hogwarts-Express

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Kapitel 3 – Der Hogwarts-Express

Mein Koffer war gepackt, meine Eule in ihrem Käfig und das Ticket in der Tasche. Athene klapperte mit ihrem Schnabel, sie war genauso aufgeregt wie ich. Athene war die schönste Eule von allen, sie war schwarz mit tiefgrünen Streifen, dasselbe grün wie in meinen Augen. Die Tür flog auf und Mary stürzte ins Zimmer. „Bist du fertig? Dann komm runter, wir müssen fahren!" Ich schaute auf meine Armbanduhr. „Es ist doch erst zehn Uhr, warum müssen wir jetzt schon fahren?" Doch Mary ging einfach an mir vorbei nahm meinen Koffer und zog ihn zur Treppe. Dort blieb sie stehen und rief: „Nun komm schon, nimm Athene und komm runter!" Ich sah mich noch ein letztes Mal um, ich würde erst an Weihnachten wieder herkommen und das waren fast vier Monate. Mary rief ungeduldig: „Oh man Riley!" Grinsend ging ich die Treppe herunter und stellte den Käfig zu meinem Koffer, der schon an der Türe bereit stand. Plötzlich hielt mir jemand die Augen zu. „Mary? Was soll denn das?" „Du wirst schon sehen!" antwortet sie vergnügt. Sie führte mich ins Speisezimmer und nahm die Hände von meinen Augen. „ÜBERRASCHUNG!!!" riefen Alle. Peinlich berührt sah ich mich um. Alle Bewohner des Waisenhauses waren da: Mrs. Evion und Erma, Mary natürlich und alle anderen Waisen. Mrs. Evion kam auf mich zu und schloss mich in die Arme. „Was soll ich nur machen, wenn du nicht mehr da bist?" sagte sie scherzend. Ich lächelte nur und sah mich dann nach Mary um, um sie wütend anzustarren. Doch sie lachte nur und umarmte mich auch. „Hätte ich etwas gesagt, wäre es keine Überraschung mehr gewesen und du hättest es nicht gewollt!" Ganz genau, ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen und das wusste Mary nur zu gut.

Inzwischen war es viertel nach zehn. „Wir sollten fahren, du musst noch das Gleis suchen", erinnerte mich Mary. „Okay, ich komme!" Ich winkte noch einmal zu Abschied und ließ mich dann auf den Rücksitz des Autos neben Mary fallen. „Auf zum Bahnhof!" rief Mary vergnügt, doch ich hörte, dass ein wenig Trauer in ihrer Stimme war. „Du wirst mir fehlen!", bestätigte sie meine Vermutung. „Du mir auch! Wer muntert mich denn jetzt immer auf?", lächelte ich sie traurig an. „Du wirst bestimmt Freunde finden, die das übernehmen werden. Aber vergiss bloß nicht mir zu schreiben!" Ich grinste zurück: „Wie könnte ich das je vergessen?"

Fünf Minuten später kamen wir schon an. Am Bahnhof war viel los, als wir ausstiegen. Mrs. Evion, die uns gefahren hatte, holte meinen Koffer aus dem Kofferraum und stellte ihn vor mir hin. „Auf Wiedersehen, Riley! Bis Weihnachten!", verabschiedete sie sich. „Ja, bis Weihnachten! Tschüss!", antwortete ich. Mary begleitete mich noch bis zum Gleis 9. „Und wo ist jetzt Gleis 9¾?", fragte Mary mich. Ich hatte nur ihr etwas von der komischen Gleisnummer erzählt. „Keine Ahnung!" Als ich mich um sah entdeckte ich einen Jungen mit einem Eulenkäfig und einem Koffer. „Vielleicht weiß der Junge ja wo es ist?!" Wir gingen auf ihn zu und als er uns bemerkte blickte er uns freundlich entgegen. „Hallo ich bin Mary und das ist Riley! Weißt du wo Gleis 9 ¾ ist?", sprudelte Mary los. Der Junge grinste sie an und antwortete: „Ich bin Logan und ja ich weiß wo das Gleis ist! Ich muss auch dorthin!". „Du bist auch ein Zauberer?", rutschte es mir heraus, eigentlich war ich recht schüchtern gegenüber Fremden. Ich lief rot an und sah auf den Boden. „Ja! Ihr auch?", fragte er. An seiner Stimme hörte ich, dass er grinste. Mary kam mir zu Hilfe und antwortete: „Nein, nur Riley, ich bin eine Freundin!". „Ach so! Dann nehm' ich Riley einfach mal mit! Du kannst nach Hause fahren!", sagte Logan plötzlich kühl. „Danke aber ich bleibe bei Riley, bis sie im Zug sitzt!", giftete Mary zurück. „Du kannst nicht auf das Gleis! Das ist nur für Zauberer zugänglich!", spottete Logan. „Mary du kannst ruhig gehen. Ich komm schon klar!", sagte ich plötzlich mit kräftiger Stimme. Ich funkelte Logan an und sagte mit deutlicher Verachtung (was mich selbst überraschte): „Lass meine Freundin in Frieden, oder du bekommst es mit mir zu tun!" Jetzt lächelte  Logan nicht mehr ganz so spöttisch. „Na gut! Verabschiedet euch und dann komm mit! Oder willst du den Zug verpassen?" Immer noch wütend über seinen Ton drehte ich mich zu meiner überraschten Freundin um und schloss sie in die Arme. „Ciao Mary, wir sehen uns an Weihnachten!". Mary drückte mich noch einmal, funkelte Logan wütend an und verschwand dann Richtung Ausgang.

Seufzend drehte ich mich zu Logan um, der plötzlich wieder freundlich lächelte. Was war denn mit dem los? „Zeigst du mir jetzt bitte das Gleis?", fragte ich forsch. Er drehte sich einfach um und ging mir mit seinem Koffer und seinem Käfig voraus.

Wir hielten vor einer der Säulen zwischen den Gleisen neun und zehn. „Du musst darauf zu rennen!", sagte Logan nur und sah mich dann auffordernd an. War er verrückt geworden? Ich renn doch nicht in eine Steinsäule! „Nun mach schon, es ist schon halb elf!", meinte Logan abwartend. „Du zuerst!", sagte ich und sah ihn forschend an, um festzustellen ob das ein Scherz war oder nicht. Doch er drehte sich zu der Säule um und rannte darauf zu. Ich riss die Augen auf, als er kurz vor der Säule verschwand. Er war einfach verschwunden! Na gut. Jetzt war ich dran. Ich nahm meinen Koffer und den Käfig mit Athene fester in die Hand und rannte los. Die Säule kam immer näher, kurz davor wollte ich bremsen, doch plötzlich stand ich auf einem anderen Gleis! Staunend sah ich mich um und entdeckte ein Schild: Gleis 9 ¾ - Hogwarts-Express stand darauf. Und darunter war eine scharlachrote Dampflok. Daneben standen Familien mit Koffern und verschiedenen Käfigen. Logan war schon verschwunden, also musste ich mich allein durch die Menge schlagen. Ich kam an eine Wagentür  und wuchtete meinen Koffer hinein, um danach selbst hineinzuklettern. Kaum war ich drin, bekam  ich ein seltsames Gefühl. Ich konnte es nicht richtig zuordnen, aber es fühlte sich an, als ob jemand auf mich wartete. Doch so schnell wie es gekommen war, verschwand es wieder. Verwirrt schüttelte ich den Kopf und fing an ein leeres Abteil zu suchen. Ich fand gleich eins, hob meinen Koffer auf die Ablage und stellte Athene auf den Sitz neben mich. Ich setzte mich ans Fenster und beobachtete das Treiben auf dem Bahnsteig.

Es war kurz vor elf, als ein Mädchen in meinem Alter herein kam. Sie hatte schulterlange, blonde Haare, strahlend blaue Augen und eine süße Stupsnase mit Sommersprossen. Man sah ihr an, dass sie gerne lachte, wie auch jetzt. „Hallo, kann ich mich zu dir setzen?", fragte sie. „Hi! Klar komm rein!", antwortete ich lächelnd. Sie erinnerte mich an Mary, vielleicht würden wir ja auch Freundinnen werden?! „Danke!". Sie holte ihren Koffer und einen Katzenkorb, in dem eine süße, kleine, weiße Katze saß. „Ich heiße Alexes Ellow! Aber du kannst mich auch Alex nennen!" , sagte sie lächelnd. „Ich bin Riley Alon." Alex setzte sich mir gegen über und fragte mich: „Kommst du auch ins erste Jahr?" Ich nickte und lächelte sie freundlich an. „Du redest wohl nicht so viel was? Keine Angst, das mach ich für dich!" grinste sie. „Stimmt, ich bin ein wenig schüchtern!", antwortete ich leise. Sie grinste immer noch, als sie fragte: „Was bist du Halbblüter, Reinblüter oder muggelstämmig?" „Was meinst du den bitte damit?" Sie lächelte entschuldigend "Sorry! Ich wollte wissen ob deine Eltern Zauberer sind." "Naja, ich habe meine Eltern nie kennen gelernt", flüsterte ich. „Oh, das tut mir echt leid!", sagte Alex entsetzt. Um davon abzulenken fragte ich schnell: „Was bedeutet denn Muggelstämmig?" "Dass deine Eltern Muggel, also nicht magische Leute, sind!" Alex stellte mir noch viele Fragen und mit der Zeit wurde ich immer offener.

Wir hatten gar nicht bemerkt wie die Zeit vergangen war, als eine Stimme durch den Zug tönte: „In zehn Minuten sind wir in Hogwarts! Lassen sie ihr Gepäck bitte im Zug, es wird für sie nach oben gebracht!"

„Na endlich!", rief Alex, sie nahm meine Hand und zog mich auf den Bahnsteig. Wir hörten eine Stimme rufen: „Erstklässler! Erstklässler zu mir!" Die Stimme gehörte einem Mann, der doppelt so groß war wie ein normaler Mensch und braune, zottelige Haare hatte und einen passenden Bart. Alex sah staunend zu ihm auf, während ich mich ängstlich hinter ihr versteckte. „Nu mal los, mir nach – noch mehr Erstklässler da? Passt auf, wo ihr hintretet! Erstklässler mir nach!" Das Grüppchen von Erstklässlern setzte sich in Bewegung und Alex und ich folgten ihnen. Als wir um eine Kurve gingen gab es ein lautes: „Ohhhh....", da wir endlich Hogwarts sahen. Ein großes, eindeutig magisches Schloss mit riesigen Türmen und hell erleuchteten Fenstern. Davor war ein dunkler See und an dessen Ufer lagen Boote, in die wir nun stiegen. Mit einem Wink von dem Riesen, fuhren die Boote alle gleichzeitig los und wir kamen Hogwarts immer näher, bis der Riese rief: „Köpfe runter!" Wir fuhren in eine Höhle, in einem Felsen unterhalb von Hogwarts und stiegen aus den Booten aus. Nachdem ein kleiner, molliger Junge seine Kröte aus einem der Boote geholt hatte, gingen wir eine Treppe hinauf, bis wir vor einem Tor ankamen, an dem der Riese dreimal klopfte.

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