Kapitel 4

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Herbst 2013
Der Tee half ein wenig, zumindestens zitterte ich nicht mehr am ganzen Körper. Die Polizei war seit ungefähr zwanzig Minuten da, aber bis jetzt hatte ich noch kein Wort herausgebracht. 
"Lottie du musst mit den Polizisten reden, sonst können wir dir nicht helfen." Versuchte Scarlett mich zum Reden zu bewegen, aber ich schüttelte den Kopf. Ich bin doch nicht dumm. Wenn ich über meinen Vater reden würde, würde er mich eines Tages finden und sich an mir rächen. Außerdem war es nun mal meine Schuld, wenn ich meine Mutter nicht getötet hätte, hätte er mich nicht bestrafen müssen. 
"Miss Johansson." Der eine Polizist sprach Scarlett an. Sie sah auf und seufzte. 
"Eine Sekunde. Lottie, baby ich komme gleich wieder. Lizzie wird bei dir bleiben." 
Ich nickte nur kurz, meine kalten langen Finger schlossen sich enger um meine Teetasse. Der warme Dampf und der leichte Geruch nach Kamille stiegen aus der Tasse hervor. Irgendjemand hatte mir eine Decke um die Schultern platziert, die ich inzwischen um mich geschlungen hatte. 
Ich sah wie Scarlett mit Lizzie redete, die dann nickte und auf mich zu kam. Ich beobachtete wie die Brünette sich auf den Stuhl mir gegenüber sinken ließ. Sie schenkte mir ein trauriges Lächeln, dass ich nicht erwidern konnte. All die Energie in meinem Körper wurde dazu verwendet nicht wahnsinnig zu werden. 
"Hey Lottie." Sagte sie sanft, aber ich schaute nicht auf. Auf keinen Fall wollte ich jetzt einem meiner 'Freunde' ins Gesicht schauen. Die mitleidigen Blicke sehen, die sie mir nur zu warfen, weil sie nicht die ganze Wahrheit kannten. Wenn sie sie kennen würden, würden sie meinen Vater wieder rauslassen, denn dann würden sie erkennen, dass er nicht falsch gemacht hat.
Ich trank einen Schluck des Tees und spürte die Wärme des Getränkes mich von innen heraus auf wärmen. 
"Lottie." Hörte ich die Stimme eines Mannes. Robert wahrscheinlich.
"Kannst du mich angucken. Darling?" Ich schüttelte den Kopf, aber eine große Hand legte sich sanft unter mein Kinn und zwang mich ihn anzusehen. 
"Ich weiß, dass dein Vater betrunken war und ich bin mir sehr sicher, dass es nicht das erste Mal war." 
Ich sah ihm in die Augen bevor ich meinen Blick wieder senkte. 
"Ich weiß nicht ob er dir schon vorher weh getan hat, aber ich bin mir sicher, dass er schon länger trinkt. Und was ich auch weiß ist das Süchtige den größten Scheiß erzählen. Also egal was er dir gesagt hat, egal was es ist, vergiss es." 
Ich schaute wieder auf. In seinen braunen Augen standen Tränen. 
"Woher?" Murmelte ich leise. 
Er schien überrascht, dass er den Zauber gebrochen hatte und ich was gesagt hatte. Seine Augen weiteten sich leicht und er lächelte.
"Als ich jünger war, habe ich selbst viele Drogen konsumiert, aber ich habe Hilfe bekommen und gelernt, damit umzugehen. Aber ich weiß, dass ich damals viele Leute verletzt habe, denn wenn du einmal in diesen Gedanken bist, ist dir egal was andere fühlen oder denken. In dem Moment ist nur die Droge wichtig." Er atmete schwer, anscheinend hatte ihn es sehr viel Kraft gekostet das alles zu erzählen.
Ich nickte leicht und begann zu verarbeiten was er gesagt hatte. 
Nach dem was Robert sagte, müsste ich alles was mein Vater gesagt hatte vergessen und nicht ernst nehmen, aber er war doch im Recht. Er hatte nur den Mörder seiner Frau bestraft. In meinem Kopf herrschte ein einziges Chaos und ich hatte absolut keine Ahnung was ich davon halten sollte.
Scarlett kam zurück. Sie schien besorgt, aber auch zufrieden. 
“Hey Lottie. Ich habe mit den Polizisten geredet. Für die Zeit des Drehs kannst du hierbleiben. Ich habe solange das Sorgerecht über dich. Wenn der Dreh zu Ende geht sehen wir weiter.” Ich nickte. Robert war aufgestanden und Scarlett hatte seinen Platz vor mir eingenommen. Sie nahm mir sanft die Teetasse aus der Hand und stellte sie auf den Tisch neben mich. Genau wie Robert zuvor legte sie ihre Hand unter mein Kinn und zwang mich sie anzugucken.
“Baby. Du musst mit uns reden. Ich verspreche dir, dass du nie wieder zu ihm zurück musst, aber dafür musst du mit uns reden.” Ihre Stimme war sanft und liebevoll. In diesem Moment wünschte ich mir nichts mehr als mich in ihre Arme zu kuscheln und zu weinen, aber das ging nicht. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht nach alledem was passiert war.
“Lottie bitte.” Jetzt klang ein Flehen mit. Als ich in ihre Augen schaute erkannte ich nichts als Besorgnis und Fürsorge. 
“Mir geht’s gut.” Murmelte ich. Was dazu führte, dass sie ein Seufzen ausstieß und mich in den Arm nahm. 
“Dir geht’s nicht gut. Du bist verletzt.” Erwiderte sie daraufhin, aber ich zuckte nur mit den Schultern. 
“Ich hab’s verdient.” Ein Schluchzen erklang. Definitiv nicht ich. Scarlett war am weinen. Die Tränen liefen über ihre Wangen und sie war heftig am schluchzen. Sie zog mich enger an sich und küsste mich auf den Haaransatz.
“Nein hast du nicht. Niemand hat das. Und wenn das hier irgendetwas mit deiner Mutter zu tun hat. Es war nicht deine Schuld.” Brachte sie hervor als sie sich einigermaßen beruhigt hatte. Ich zuckte nur mit den Schultern, aber diesmal ließ sie mich nicht so leicht davonkommen.
“Sag es. Sag, dass du weißt, dass ihr Tod ein Unfall war.” Ich schüttelte nur den Kopf.
“Vater sagt etwas anderes.” Murmelte ich was sie wütend machte. Ihre ganze Körperhaltung veränderte sich von sanft und liebevoll zu wütend, rasend und in Mordlust.
“Lottie. Er hat gelogen. Er kommt nicht mit dem Tod deiner Mom klar und gibt dir die Schuld, aber du bist nicht Schuld.” Jetzt liefen auch über meine Wangen wieder Tränen und das Zittern, das ich hatte abschütteln können, stellte sich wieder ein.
“Komm Baby. Du musst mit der Polizei reden. Sie werden dir einige Fragen stellen, die du ehrlich beantworten musst.” Sie zog mich sanft auf die Beine und führte mich zu den beiden Polizisten.
“Setz dich Baby.” Sie war dabei wieder zu gehen, aber meine Hand hielt ihr Handgelenk im Schraubstockgriff. “Lass mich nicht alleine.” Sie sah zu den Polizisten, die nickten, und setzte sich neben mich.
“Also erstmal die Grundlagen. Wie ist dein vollständiger Name?”
“Charlotte Lousie Young:”
“Geburtstag?”
“09.05.2002”
“Eltern?”
“Mary Young und Charlie Young.”
“Okay.” Der Polizist nickte und notierte sich meine Antworten.
“Nun zu den schwierigen Themen. Wann hat dein Vater dich das erste mal verletzt?”
“Der Tag nach dem meine Mom gestorben ist.” 
“Was genau hat er denn getan?” Fragte der andere Polizist und ich verdrehte innerlich die Augen. 
“Am Anfang nur geschrien. Irgendwann hat er mich dann geohrfeigt. Danach war es als wäre ein Damm gebrochen und er hat sich nicht mehr zurückgehalten. Aber es ist okay ich habs verdient. Ich habe schließlich meine Mom getötet.”
Die Blicke beider Männer lagen nun auf mir. Aufs äußerste angespannt; während Scarlett nur seufzte.
“Zu ihrer Information. Ihre Mutter ist in einem Autounfall gestorben, als sie sie von der Schule abholen wollte. Ich glaube ihr Vater hat ihr seitdem eingeredet, dass sie ihre Mutter umgebracht hat:” Sagte Scarlett und die beiden Polizisten nickten.
“Nur noch eine Frage. Aufgrund der Erzählungen von Mister Evans und Miss Johansson wissen wir, dass dein Vater dich am entkleiden war, als sie die Tür aufgebrochen haben. Hat dein Vater dich jemals sexuell misshandelt?” Ich zuckte zusammen. Mit der Frage hatte ich nicht gerechnet.
“Lottie.” Scarlett neben mir hatte angefangen meinen Arm zu streicheln um mich zu beruhigen.
“Es war nicht seine Schuld. Ich sehe aus wie sie und er war betrunken und…” Tränen brachen aus mir heraus. Ich war offiziell am Ende meiner Kräfte. Ab jetzt war mir alles egal, ich wollte nur noch schlafen und nie wieder aufwachen. 
“Komm Baby. Du kannst in meinem Wagen schlafen.” Sagte Scarlett und half mir hoch, aber ChrisH der anscheinend irgendwo hier herumgelaufen war, war schneller. Er hob mich hoch und trug mich zu Scarletts Wagen, wo sie mich dazu überredete schlafen zu gehen.
“Schlaf Baby. Ich passe auf dich auf. Niemand wird dir etwas tun.” Hörte ich die Blondine noch sagen, als ich an sie gekuschelt, ihre eine Hand sanft durch meine Haare fahrend, einschlief.
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1351 Worte

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