Kapitel 93 - Fragestunde

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"Na wenn das so ist", lache ich.

"Also wenn du kein Schach oder Karten spielen möchtest, was dann? Monopoly?"

"Machst du Witze? Bei deinem Geschick bekommst du die besten Straßen und ziehst mir das letzte Hemd aus"

"Ich habe Monopoly gesagt und nicht Strippoker", bemerkt er trocken, doch auf seinen Lippen bildet sich ein leichtes, freches Grinsen ab. So einfach verdreht er mir die Worte im Mund herum.

"Ist mir schon klar", verdrehe ich nur die Augen, grinse aber trotzdem genauso frech.

"Ich hätte da eine Idee", sagt er und reibt sich kurz mit seiner Hand über das Kinn was mir nur noch neugieriger macht, "Wir spielen Mensch ärgere dich nicht, dass sollte ein faires Spiel sein. Jedes Mal wenn jemand eine Figur des anderen schmeißt, kann er den anderen etwas fragen"

Das gibt mir eine Möglichkeit, ihn besser kennenzulernen. Und auf der anderen Seite hat er die Chance mich besser kennenzulernen. Es klingt gut, doch ich frage mich was für Fragen er im Sinn hat. Schließlich muss er schon welche im Hinterkopf haben, sonst würde er das Spiel nicht vorschlagen. Aber trotzdem, ich setze mich auf und kneife meine Augen zusammen während ich lächelnd grinse. Er lächelt zufrieden und steht aus dem Sessel auf.

"Bin gleich wieder da", sagt er und verlässt mein Zimmer um das Spielbrett zu holen. Clever, auf dem Weg kann er sich noch einige Fragen einfallen lassen. Aber es gibt auch mir Zeit nachzudenken. Ich weiß nicht, an welche Art von Fragen er denkt. Betreffen sie das Thema Schwächen, Familie, Freunde, Persönliches, Talente... es ist wohl schlauer ihn die erste Figur werfen zu lassen, damit ich die Art seiner Fragen analysieren kann.

Als er wiederkommt stellt er das Brett auf, aber noch keine Figuren. Er spielt ein wenig mit den Würfeln wie um mir stumm zu signalisieren, dass ich mir die Farbe meiner Spielfiguren aussuchen kann. Ich entscheide mich für die gelben Figuren, aber nur aus dem Grund dass ich finde die schwarzen passen am besten zu Chishiya.

Wir fangen an zu spielen und wie nach meinem Plan lasse ich absichtlich von ihm eine meiner Figuren als erstes schlagen. Ich versuche eine ernste Miene aufzusetzen, aber ich bin zu gespannt auf seine Frage. Ob er etwas über meine Familie wissen möchte? Nein, wir haben vereinbart, dass wir darüber nur reden wenn ich es anspreche. Vielleicht über meine Fähigkeiten, die ich bis jetzt noch nicht ausgesprochen habe.

"Ich bin dran mit meiner Frage", sagt er mit den Augen siegessicher geschlossen, doch als er zu mir sieht öffnet er sie neugierig, "Wie viele hast du geküsst?"

Ich erstarre augenblicklich und werde leicht rot an den Wangen. Ich weiß nicht ob ich verlegen oder verunsichert sein soll, dass es auf diese Art von Fragen hinausläuft.

"Ähm naja", beginne ich und kratze mich am Hinterkopf, "Ich glaube achtzehn"

Ich bin ehrlich. In meinem Abschlussjahr in der Highschool war ich sehr oft feiern und mit meinen Freunden hatte ich eine aufregende Zeit. Manche Küsse sind durch Wetten oder Spiele wie Flaschendrehen entstanden, manche auch aus anderen Gründen. Die Tatsache, dass er sowas frage macht mich nervös, aber ich möchte nicht lügen.

Doch jetzt erkenne ich, dass der Spielraum meiner Fragen ziemlich weit gefächert ist und ich einen gewissen Spielraum habe.

"Und hattest du für sie alle Gefühle?", fragt er weiter, obwohl es die Spielregeln überschreitet. Aber ich möchte es nicht einfach so stehen lassen, also beschließe ich zu antworten.

"Nein."

Er nickt nur leicht und trotz dass er nicht weiß, dass ich eigentlich nur ihn mit Gefühlen geküsst habe, scheint er einigermaßen ruhig. Wir spielen weiter und als nächstes schmeiße ich eine seiner Figuren. Ich habe viele Fragen, doch nachdem ich seine gehört haben entschließe ich mich die selbe Richtung einzuschlagen.

"Wie viele Dates hattest du bis jetzt", sage ich entschlossen und er legt seinen Kopf schief und scheint ein wenig zu lang nachzudenken.

"Ich denke per Definition mehr als zwanzig", sagt er nachdenklich aber auch emotionslos. Ich sehe ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an weil mich die Worte 'per Definition' verwirren. "Naja sie würden es als Date bezeichnen, aber es war für mir eigentlich nur eine Möglichkeit Informationen zu bekommen oder etwas herauszufinden"

"Eine Verabredung beinhaltet, dass du es auch als solches siehst", sage ich als er nur seine Achseln zuckt. Er sieht mich einen Moment schweigend an, dann sieht er gerade aus.

"Dann hatte ich noch keines denke ich"

Vielleicht hängt er ein wenig in Gedanken, aber ich habe einen speziellen. Wenn er noch kein richtiges Date hatte, könnte ich mir ja was ausdenken. Jedenfalls falls er mich anders sieht als die über zwanzig Mädchen vor mir. Ich schüttele den Gedanken ab während wir weiterspielen und obwohl ich ab jetzt mein Bestes gebe, verliere ich diese Runde.

"Mit wie vielen hattest du bis jetzt eine Beziehung?", fragt er und ich lache laut auf.

"Mit niemanden", sage ich mehr beherrscht und sehe direkt in seine Augen, "Und du?"

"Auch keine", sage er, trotz dass diese Frage außerhalb unseres Spielbereiches liegt. Das bedeutet er ist zwar auf das Spiel konzentriert, lässt aber persönlich solche Fragestellungen zu. Mit derartigen Fragen löchern wir uns weiter, wobei wir unsere Antworten zu haben scheinen. Wir stellen nicht mehr so persönliche Fragen, aber trotzdem erfahren wir kleine Details übereinander. Jedenfalls bis wir irgendwann beschließen unsere Augen einen Moment auszuruhen und wegtreten.

Das nächste was ich mitbekomme ist, wie Kuina selbstbewusst in das Zimmer tritt und ihre laute Stimme reißt mich letztendlich aus dem Traumreich.

"Aufstehen, Mädelsabend", sagt sie nur und ich nicke. Obwohl ich hoffe, dass sie Chishiya nicht geweckt hat schnellt er hoch und entspannt sich erst nach wenigen Sekunden.

"Ich warte dann draußen", grinst die Frau und schließt die Tür hinter sich. Ich stehe aus dem Bett auf und ziehe mir ein anderes Oberteil an als das schwarze Shirt.

"Versuche nicht wieder Niragi mit Tabasco zu vergiften", grinst Chishiya und ich sehe überrascht zu ihm.

"Du und Yuudai reden miteinander?"

"Naja, letztens habe ich gelernt dass er gar nicht so übel ist", sagt er nur unbekümmert. Doch weder an seiner Stimmlage noch aus seiner Haltung kann ich etwas herauslesen. Chishiya stellt sich press vor mich und sieht mich einfach nur an.

"Versprichst du mir keine seltsamen Pillen von Niragi zu schlucken?", meint er mit einem belustigtem Ton aber gleichzeitig Tod ernst.

"Versprochen", sage ich und gebe ihm einen leichte Kuss auf die Wange, damit er sich keine Sorgen machen muss. Doch er greift meinen Unterarm und zieht mich für einen Moment zu sich, um mich zum Abschied zu küssen.

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt