Kapitel 88 - Museum (Teil 1)

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Ich hatte keine Alpträume, auch wenn ich mit den schlimmsten Befürchtungen eingeschlafen bin. Ich hatte erwartet mich Mitten im Meer wiederzufinden, alleine und nirgendwo Land in Sicht. Vielleicht auch auf einem kleinen auseinanderfallenden Boot inmitten eines Sturmes. Aber nein, neben zu Chishiya einzuschlafen hat mich vor alle dem bewahrt. Irgendwie unheimlich, wie selbst mein Unterbewusstsein auf ihn reagiert. 

Als ich aufgewacht bin war er schon gegangen, wahrscheinlich zu einer Besprechung. Ich kuschelte mich noch einen Moment in die weiche Decke, bevor ich meine getrocknete Kleidung aus dem Badezimmer holte und in mein Zimmer ging. Ich habe mich schnell frisch gemacht als auch schon mein Onkel vor meiner Tür stand und wir zusammen ins Restaurant essen gegangen sind. Natürlich wollte er wissen, was gestern alles geschehen ist und ich erzähle ihm das Meiste. Dabei lasse ich jedoch aus wie ich Aguni geholfen habe, es ist wahrscheinlich besser so. 

Ich wollte den restlichen Tag eigentlich mit lesen verbringen, doch kurz vor der Tür passte mich Yuudai ab und seit ungefähr elf Uhr Vormittags bestand er darauf zusammen Tischkicker zu spielen. Mittlerweile bilden sich schon Blasen an meinem Daumen doch mit jedem Seitenblick bemerke ich, dass er etwas loswerden möchte. Anscheinend traut er sich nicht es auszusprechen, weswegen ich ihm Zeit gebe und einfach weiter mitspiele. Vielleicht versuche ich mich auch einfach von dem Gedanken abzulenken, dass ich mit Chishiya wieder in ein Herzspiel geraten könnte. Die Chancen stehen eins zu vier. Diese Kategorie ist die Einzige, bei der ich mir wünsche ohne ihn eingeteilt zu werden.    

Doch gleich wie lange ich warte, Yuudai rückt einfach nicht mit dem heraus was ihn bedrückt. Als es langsam beginnt zu dämmern verabschiede ich mich höflich und verschwinde in meinem Zimmer, um mich für das Spiel heute Abend einzukleiden. Ich nehme meinen Gummiball und stecke ihn in meine Hosentasche, nachdem ich mein neues Messer hinter meinen Rücken klemme. Mein Herzschlag und Puls geht regelmäßig, wahrscheinlich weil Chishiya gesagt hat wir spielen heute wieder zusammen. Innerlich wette ich, dass es ein Diamant- oder Kreuzspiel sein  wird. 

Ich laufe zu den Treppen, doch ein gewohntes Gefühl beschleicht mich und statt nach unten zu der Eingangshalle laufe ich nach oben zu meinem Aussichtspunkt auf die Empore. Ich habe einen perfekten Blick auf den Hutmacher, welcher seine immer gleichklingende Rede hält. Auf Aguni, welcher mit verschränkten Armen hinter ihm steht, Ann welche kritisch auf die Leute herabblickt und Mira, die jeden wie einen Knochen für einen Hund ansieht. Die Nummer zwei hat ein Grinsen auf den Lippen, hält seinen Blick aber gesenkt und scheint niemanden zu beobachten was mich unsicher werden lässt. Und dann ist da noch Chishiya. An seinen starren Augen auf den Hutmacher kann ich herauslesen, dass er genau weiß wo ich bin. Auch wenn er nicht zu mir sieht weiß ich genau, dass er mich bemerkt hat und sehe wie er ein freches Grinsen unterdrückt. 

Sobald die Rede des Hutmachers zu Ende ist und die Leute schlagartig nach draußen rennen laufe ich zu den Treppen und steuere den Eingangsbereich an. Ich sehe wie Chishiya am Eingang des Hotels steht und lehnt sich an die Säulen der Tür. Ich laufe auf ihn zu, aber seiner Haltung nach zu urteilen stimmt etwas nicht. Plötzlich legt sich ein Arm um meine Schulter und ich versuche nicht zusammenzuzucken.

"Ich habe alle Fäden gezogen, damit wir heute zusammen spielen", sagt mein Onkel und sieht stolz auf mich herunter. Er trägt statt einem Morgenmantel einen eleganten Anzug und sein Gesichtsausdruck zeigt mir, dass er sehr zuversichtlich auf dieses Spiel ist. Schlimmer als mit Chishiya und meinem Onkel zu spielen kann es nicht werden. Jedenfalls bis wir zu Chishiya laufen und die Nummer zwei bei uns auftaucht. 

"Eine interessante Mischung", bemerkt er trocken aber kann sich ein überlegenes Grinsen nicht verkneifen. In mir zieht sich alles zusammen und ich versuche ein gespieltes Lächeln aufzusetzen. Chishiya würdigt mich keines Blickes und die drei Männer laufen schon zu einem Auto, doch ich bleibe noch einen Moment wie in Schockstarre stehen. 

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt