Kapitel 91 - Kannst du nicht einfach hier bleiben?

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Im Hotel angekommen gehen die drei Männer ohne zu zögern zu dem Hutmacher, während ich gezielt mein Zimmer ansteuere. Ich verbringe die halbe Nacht damit unter der Dusche zu stehen und zu versuchen, die Blutflecken auf meiner Wange wegzuwaschen. Obwohl das Blut schon bei den ersten Berührungen mit dem Wasser abgespült wurden, habe ich das Gefühl sie wären noch an der selbigen Stelle. Nach einer zweistündigen Dusche legt ich in mein Bett und schlafe einfach ein. 

Den nächsten Tag verbringe ich mit Yuudai am Tischkicker, da wir nur am gewinnen sind. Nicht einmal Last Boss, wie er sich nennt, kommt gegen uns an. Yuudai scheint immer noch etwas wie am Vortag zu bedrücken, aber er scheint sich immer noch nicht überwinden zu können es mir zu verraten. Irgendwann erkenne ich aus dem Augenwinkel eine weiße Weste und sehe zu dem Mann, dem sie gehört. Ich entschuldige mich bei Yuudai und folge unauffällig Chishiya. Ich nehme sogar einen Umweg zu seinem Zimmer falls mit jemand folgt und sehe mich drei Mal um, bevor ich in das Zimmer schlüpfe. 

Er hat schon längst das Schachbrett aufgebaut und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich setze mich ohne ein Wort auf einen Sessel und mache den ersten Zug. Wir spielen bestimmt drei Stunden, bis ich keine weitere Niederlage vertrage und mich mit einem Buch auf das Bett setze. Mittlerweile kann ich Kuina verstehen, weshalb sie die Trainingsstunden mit Chishiya hasst. Es drückt sehr auf das Selbstwertgefühl aber ich kann nicht leugnen, dass ich es interessant finde. Chishiya scheint es genau zu verstehen und mit einem Buch setzt er sich neben mich, kann aber sein freches, gewinnerisches Grinsen nicht verbergen. Wir sitzen eine halbe Ewigkeit so da, jedenfalls beurteile ich es nach den Seiten die ich schon gelesen habe. Aber in Wirklichkeit bin ich nur tiefenentspannt und sauge das Wissen aus der Lektüre wie einen Schwamm auf. Jedenfalls bis mein Blick auf die Uhr fällt.

"Ich muss langsam los, ich habe heute noch Küchendienst", sage ich und sehe entschuldigend zu dem Mann neben mir. 

"Kartoffeln schälen und Salat putzen?", fragt er nach aber ich schüttele den Kopf. Eigentlich wäre das meine Aufgabe gewesen, zusammen mit dem Abwasch und dem Nachfüllen an der Essensausgabe. Aber mir wurde etwas besseres angeboten, das ich einfach nicht abschlagen konnte.

"Ich helfe Katsu bei ein paar neuen Rezepten", zucke ich nur mit den Achseln. Er kam heute Mittag zu mir und hat mich gefragt, ob es mir lieber wäre als meine Hände durch Spülmittel und kratzige Handschuhe zu verunstalten. Chishiyas Miene wird emotionslos und er schnauft nur verächtlich. 

"Er ist Koch, kann er das nicht alleine machen?"

"Schaden kann es nicht wenn ich helfe", tue ich es schlicht ab.

"Kannst du nicht einfach hier bleiben?", sagt er wieder leicht grinsend, meint es aber Ernst. 

"Würde ich gerne, glaub mir"

"Dann tu es doch einfach"

Ich sehe ihn mit fragendem Blick an, aber er scheint es wirklich so zu meinen. Ich möchte etwas erwidern, beschließe aber dass ich sowieso keine Diskussion gewinnen würde. 

Plötzlich legt er seine Hand an meine Wange und dreht mein Gesicht leicht zu ihm, bevor er mich küsst. Aber es ist kein Abschiedskuss, denn als ich ihn erwidere zieht er mich zu sich. Er legt sich leicht auf mich und drückt seine Lippen nur noch stärker auf meine. Auch wenn ich kaum einen klaren Gedanken fassen kann ist mir klar was er damit bezwecken möchte.

"Chishiya", lache ich in den Kuss hinein. Aber er scheint überzeugt davon, dass ich mich so leicht ablenken lasse und den Küchendienst schwänze. Ich schließe meine Augen und versuche mich wirklich durchzusetzen, doch als er seine Lippen von meinen löst vergräbt er seine Hand tiefer in meine Haare und beginnt meinen Hals zu küssen. Ab diesem Zeitpunkt schaltet sich mein ganzes System ab und ich beiße mir auf die Unterlippe. Sein leichter Atem durch die Nase und die Berührung seiner Lippen lässt mich durchdrehen. 

Verdammt, soll man mich halt zur Strafe das ganze Hotel putzen lassen oder alleine in der Küche arbeiten! Seine Küsse machen mich verrückt und es breitet sich eine Gänsehaut auf meinem ganzen Körper aus. Ich lege meine Hand in seinen Nacken und ziehe ihn wieder zu mir, um meine Lippen auf seine zu pressen.   

Chishiya löst sich leicht von mir, doch seine Lippen sind nur wenige Millimeter von meinen entfernt. Ich schaue langsam zu ihm auf und bin für einen Moment sprachlos. Es scheint, als würde er mich stumm fragen ob er weitermachen soll oder ich immer noch den Plan habe zu gehen. Ich lege ihm meine Hand in den Nacken und es wirkt, als atmet er zitternd aus bevor er mich wieder küsst. Ich schlinge meinen Arm um ihm und ziehe ihn ein wenig mehr auf mich. Sein Gewicht auf mir stört mich nicht, sondern bringt uns nur noch näher. Meine Wangen glühen mittlerweile und ich schalte alles andere ab. Seine Hand fährt unter das Shirt und streichelt meine Seite. 

Er widmet sich wieder meinem Hals und verschafft mir somit die Möglichkeit wieder Luft zu holen. Als er sich von meinem Hals löst, bleibt er wieder knapp über meinen Lippen stehen, und macht eine kurze Pause. Er lächelt, da er genau bemerkt hat, wie mich seine Halsküsse verrückt gemacht haben und ich bekomme große Lust, ihn genauso verrückt zu machen. Ich küsse ihn wieder, doch dann knabbere ich leicht an seiner Unterlippe. Er atmet schwer und ihm entfernt ein kaum hörbares Stöhnen. 

Er löst sich wieder von mir, um mir in die Augen zu sehen. Für einen kurzen Moment habe ich Angst, etwas falsch gemacht zu haben. Doch dann küsst er mich wieder, diesmal stürmischer. Er lässt seine Zunge in meinen Mund gleiten und ich fühle mich ihm so nahe. Ich fahre ihm durch die Haare und er drück sich nur noch enger an mich. Wir lassen uns kaum Zeit zum atmen und ich öffne gerade den Reißverschluss seiner Weste, als es an der Tür klopft. 

Kann man hier nicht einmal eine halbe Stunde für sich haben, nicht einmal eine einzige Minute wird einem gegönnt! Chishiyas Körper spannt sich an und er rollt sich schnell von mir runter um aufzustehen. Wahrscheinlich hat er die Befürchtung, Niragi würde vor der Tür stehen und nicht ein zweites Mal anklopfen. Ich stehe ebenfalls aus seinem Bett auf und streiche mir durch die Haare, damit sie nicht zerzaust aussehen. Chishiya öffnet schon die Tür, doch ich kann nicht die Person sehen, die geklopft hat. Aber Chishiyas hochnäsiger und gleichgültiger Gesichtsausdruck, die Art wie er dasteht verrät mir dass es niemand aus der Führungsrege ist und auch nicht Kuina. 

Ich sehe um die Ecke und erkenne Katsu, welcher trotz Chishiyas einschüchterndem Blick freundlich lächelt und sich leicht am Hinterkopf kratzt. 

"Tut mir Leid aber Kuina meinte Sayuuri wäre vielleicht hier, wenn sie schon nicht in ihrem Zimmer ist", erklärt er und Chishiya sieht ihn weiter einfach nur stumm an, "Naja sie ist heute beim Küchendienst eingeteilt und ich wollte sie abholen"

"Ich bin hier", sage ich und winke ihm höfflich zu, "Wir haben gerade Schach gespielt"

Ich kann den Menschen wohl kaum erklären was wir machen, wenn wir alleine sind. Also strenge ich mich nicht einmal an eine komplizierte Ausrede zu erfinden, ich sage einfach wir haben das gemacht, was wir sonst getan hätten. Karten spielen, ein Buch lesen oder Schach. Chishiya scheint nichts gegen diese Taktik zu haben, er lächelt sogar immer ein wenig wenn ich das den Leuten erzähle.   

"Und wer hat gewonnen?", fragt Katsu fröhlich.

"Wenn ich einmal gegen Chishiya im Schach gewinne lasse ich es dich wissen", sage ich scherzhaft und laufe an Chishiya vorbei. Doch die beiden bleiben stehen und starren sich einfach nur an: Chishiya mit seinem emotionslosen Blick und Katsu mit seinem freundlichen Lächeln. 

"Vielleicht kann ich es ja mal versuchen", sagt Katsu höfflich an den man mit der weißen Weste gerichtet, "Meine Mutter hat es mir beigebracht, vielleicht gebe ich einen würdigen Gegner ab"

"Klar doch", sagt Chishiya abfällig. Ich nehme Katsu's Arm und ziehe ihm mit mir, kann aber ein Grinsen nicht verbergen. Es war zwar nicht gerade nett von Chishiya, aber selbst ich muss bei dem Gedanken lachen dass Katsu denkt er könnte Chishiya irgendwann einmal besiegen.

Alice in BorderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt