19. Kleider und schwitzende Gäste

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Seit einer Woche grinst Celine mich unentwegt an und ich weiß, was dabei in ihrem Kopf vorgeht. Immerhin spricht sie es nicht aus, denn bei der Erwähnung seines Namens weiß nicht wie ich reagieren würde.
Eine Woche ist jetzt vergangen, seit Tyler's und meinem Kuss. Seitdem haben wir nicht mehr mit einander geredet. Das höchste der Gefühle war hin und wieder mal ein „hm", „ja", „nein" oder Kopfnicken. Auch mich anzuschauen vermeidet er strickt. Wieso? ER hat schließlich MICH geküsst.

Ich habe mir die Worte von Celine nochmal durch den Kopf gehen lassen. Weshalb weigere ich mich dagegen ein bisschen Spaß zu haben. Wehtun würde ich Tyler damit jawohl kaum, so wie er sich gerade aufführt.

Heute Abend schmeißt irgendjemand eine Party, bei der die ganze Stufe eingeladen ist. Celine besteht natürlich wieder darauf, dass wir uns groß rausputzen. Also gehe ich zu meinem Kleiderschrank und hole mein bestes Kleid raus.

Celine sitzt im Schneidersitz auf meinem Bett und verzieht den Mund.
„Hast du immer noch kein anderes Kleid besorgt? Ich sage dir seit Jahren, dass du das nicht mehr anziehen sollst. Du hast so eine heiße Figur, Schatz. Show me!" Sie springt auf und kommt auf mich zu. „Zur Seite." gibt sie mir den Befehl.
Ich verdrehe die Augen, gehe aber trotzdem zur Seite. Ich mag das Kleid.
Während ich mich rückwärts auf mein Bett fallen lasse und in die Chipstüte greife, wühlt Celine zwischen meiner Kleidung auf der Suche nach etwas ‚Scharfem'. Na dann mal viel Glück.
„Aufgeregt?" fragt sie mich, als sie die dritte Ebene meiner Oberteile erreicht.
„Nö, wieso sollte ich?"
Sie stoppt und dreht sich schelmisch grinsend zu mir um. „Na, du weißt schon." Sie kommt tänzelnd, mit kleinen Schritten auf mich zu. „Tyler wird doch sicherlich auch da sein."
„Celine, hör auf." Ich verstehe die Augen und nehme ihr das Oberteil aus der Hand. „Mach dich fertig, ich schaue weiter."

Da fällt mir ein, dass ich mit meinem Vater shoppen gewesen bin, anlässlich seiner Sommerparty, die er für seine Firma veranstaltet.
Ich hole die Tüte, die noch immer neben der Kommode im Flur steht.
„Was hältst du davon?" frage ich Celine und halte mir das Kleid vor den Körper.
„Wow, ich wusste nicht, dass du so etwas besitzt." Ich auch nicht. „Ich liebe es! Zieh's an, zieh's an! Los." Sie klatscht in die Hände.

Das grüne Samtkleid fällt leicht meinem Körper herunter. Es betont meine weibliche Figur. Mein Haar hab ich nach hinten zu einem Knoten gebunden, wodurch der Fokus auf meinem Schlüsselbein liegt.

Nach einer weiteren Stunde sind wir endlich fertig. Celine hat sich für ein silber-schimmerndes Kleid entschieden, dass ihr eng am Körper liegt. Ihr gelocktes Haar liegt ihr leicht über der Schulter. Große Creolen hängen an ihrem Ohr herab. Mit einem großen Grinsen und einem zufriedenen Gesichtsausdruck steht sie vor dem Spiegel.
„Wir können los." verkündet sie.

****

Die Musik ist laut und der Bass lässt den Boden unter meinen Füßen beben. Überall stehen betrunkene Teenager mit roten Bechern in den Händen. Der Geruch sticht in meiner Nase. Eine Mischung aus Schweiß, Zigaretten und Vodka.
Celine zieht mich mit zu einer Gruppe von Jungs.

„Hey." begrüsst mich einer, dessen Blick gierig an mir heruntergleitet.
„Hallo." ich lächele ihn höflich an, würde aber am liebsten gehen.
Der Junge scheint schon ziemlich betrunken zu sein. In seinem Becher sehe ich eine blaue Flüssigkeit.
Er beugt sich zu mir runter, nah an mein Ohr. Er sagt etwas, was ich bei dem ganzen Gewirr aus Stimmen und Musik nicht verstehe. Das scheint er wohl bemerkt zu haben, weshalb er sich nochmal etwas lauter wiederholt. Dabei gleitet seine Hand an meinem Rücken herunter. Als ich ihn auch nach dem zweiten Mal nicht verstehe, lacht er lauthals los. Dabei treffen mich ein paar nasse Tropfen im Gesicht. Ich zucke zurück. Bah.
„Du, war echt nett sich mit dir zu unterhalten, aber ich..." Ich schaue mich um. „... ich muss mal auf die Toilette." Schnell ziehe ich mich zwischen den Engtanzenden zurück.

Das grelle Licht der WC-Lampe reizt meine Augen. Ich setzte mich auf die Kloschüssel. Obwohl ich erst eine Mische getrunken habe, ist mir schon kotzübel. Es klopft an der Tür.
„Gleich" rufe ich.
Nach ein paar Minuten rappel ich mich wieder auf. An mir vorbei quetschen sich ein Mädchen und ein Junge ins Bad. Ich stelle mich in eine der Ecken und beobachte die Menschenmeute. Sie wirken alle so vertraut, so zufrieden mit sich. Für einen Moment gibt es kein Leben außerhalb dieser vier Wände. Sie befinden sich in einem Rausch voller Glücksgefühle. Ich muss lächeln. Irgendwann werde ich mich auch so fallen lassen können und alles andere vergessen. Und wenn auch nur für einen Moment.

Don't do it again. Dove le storie prendono vita. Scoprilo ora