Hühner - Lara

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Es war ein Schock gewesen. Ohne jeden Zweifel. Die Verabschiedung von ihrer Mutter, die Busfahrt hier her und sogar der Müsliriegel den sie unterwegs noch schnell verschlungen hatte. Nichts davon war wahr. Außer vielleicht der Riegel, aber das war Nebensache. Und nachdem Asher die Bombe endlich hatte platzen lassen, war sein Hologramm abgebrochen und sie hatten über die Textfunktion ihrer Systeme kommunizieren müssen. Keine Chance mehr etwas zu machen, ohnehin nicht. "Ab jetzt müsst ihr einfach nur noch tun was ihr schon die letzten Monate getan habt." Leichter gesagt als getan. Auf der Erde war es irgendwie leichter gewesen die Hühner zu beobachten, sie zu dokumentieren. Keine schwere Arbeit, eher langweilig. Etwas dümmlich pickten die kleinen Kreaturen in dem Heu auf dem Boden herum, während Lara ihre Aufzeichnungen durchging. Der Übergang von Erde zu Weltraum war fließend, keine Veränderung in Verhalten oder Aussehen. Nur das kleine "W" über dem durchgestrichenen "E" in der linken Ecke des Papierbogens versprach eine Neuerung. Gelangweilt schweifte ihr Blick auf die Bakterienkolonie die sie seit letzter Woche züchtete. Nichts weltbewegendes aber ohne jeden Zweifel interessant, zumindest im Vergleich zu Hühnern. Wie sich die weißen Punkte langsam über die Biomasse ausbreiteten war etwas neues, Biologie auf diesem Niveau hätten sie in der Schule nie gemacht.

"Hey." Sie zuckte zusammen als Ronalds Stimme hinter ihr ertönte.

"Hallo."

"Wie geht's dir so?" Eine seltsame Frage. Der Südafrikaner schien an sich nicht sonderlich sozial, überraschenden für einen Verhaltenswissenschaflter.

"Hä? Wie es mir geht?"

"Ich meinte wegen dem überraschenden Abflug."

"Achso. Was soll ich groß davon halten, es ist halt beschissen so." Er nickte und begutachtete die Vitrine neben der er stand. In ihr bewahrte Lara verschiedene Säuren auf, das Glas war eine Sonderanfertigung. Für den Fall dass eines der Glasfläschchen zerbrach. Er hatte seine dunkle Stirn in Falten gelegt, die braunen Augen schienen unruhig.

"Sonst noch etwas?" Es hörte sich härter an als Lara es beabsichtigt hatte. Fast als hätte sie besseres zu tun.

"Ja, tatsächlich." Das kam allerdings sehr überraschend. "Hast du bemerkt wie Akemi sich vorhin verhalten hat?"

"Nein."

"Sie war nervös. Konnte ihre Finger nicht still halten. Und ihre Stimme- etwas zittrig. Weißt du was das bedeuten könnte?"

"Keine Ahnung. Du bist der Verhaltensforscher, sag du es mir." Er schwieg einen Moment.

"Sie verheimlicht etwas. Vielleicht etwas privates, vielleicht irgendetwas anderes. Aber sie ist nervös wenn sie in unserer Gegenwart darüber nachdenkt. Es hat was mit uns zu tun." Eine sehr konkrete These wie Lara fand. Das Raumschiff war ohne jeden Zweifel voller Freaks.

"Und was sollen wir jetzt machen?"

"Nichts."

"Nichts?"

"Menschen werden defensiv wenn sie sich beobachtet fühlen. Wenn wir sie jetzt darauf ansprechen verringern wir ihre Arbeitsleistung."

"Wir 'verringern ihre Arbeitsleistung'? Ronald, sie könnte sonst was wissen." Wie konnte es ihm nur so egal sein? Der Junge blieb ihr ein Rätsel.

"Oder ihr Hund ist einfach nur gestorben. Oder sie fühlt sich krank aber will es nicht zugeben. Oder, oder, oder. Wir können einfach nicht wissen ob es uns überhaupt was angeht. Deshalb ist es das Risiko einfach nicht wert."

"Wir machen also nichts." Ronald nickte und Lara wand sich demonstrativ wieder ihren Hühnern zu. Manchmal glaubte sie wirklich den falschen Beruf an Bord ausgewählt zu haben.

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⏰ Last updated: Mar 22, 2021 ⏰

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