Ending Story - Kapitel 1

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Angefangen: 08.04.2021
Beendet: 26.09.2021

- NCL ist eine ernstzunehmende Krankheit und ich möchte mich mit dieser ff keineswegs über diese Krankheit lustig machen. Sie ist zudem auch recht individuell, d.h. sie ist von Person zu Person verschieden, daher können Kommentare wie "Das ist aber normal nicht so", nicht wirklich stimmen ( zudem ist es eine Geschichte, daher kann die Krankheit auch abgewandelt sein )! - 

Verstorbene Menschen erkennt man auf den ersten Blick. Es ist meistens der Gestank, der Ausdruck oder die bereits eingetretene Verwesung des Menschen, was einen über den Zustand verrät. Menschen, die über unglaublich starke Fähigkeiten verfügen, erkannt man schnell. Diese Stille von ihnen, dieses leise Beobachten, um dann bei einem guten Zeitpunkt zuzuschlagen, zeichnet sie aus.
Aber Menschen, die dem Tod versprochen wurden, erkennt man nicht auf den ersten Blick. Es benötigt einen zweiten, tieferen Blick ins Innere, denn von außen kann man es oft nicht erkennen.
 
Intuitiv schaute ich mich nach Schildern um, als der Regen wieder fiel. Das Wasser unter meinen Füßen war bereits schon an meinen Sohlen drüber, daher war es für mich wichtig, mich langsam in ein Dorf zurückzuziehen und dort die Nacht zu verbringen. In den Ästen der Bäume häufte sich schon der Regen an, der ganze Wald an sich war bereits in einen dunklen grau getaucht, was natürlich nicht ungewöhnlich für einen Frühling war. Da ich mich auf einem Gehweg befand, hätte es nicht mehr lange dauern dürfen, bis ich entweder das erste Schild oder gleich schon das nächste Dorf fand. Mir fiel als erstes ein von Moos bewachsenes Ortsschild auf, welches ich betrachtete. Ich ging schon in die richtige Richtung und musste auch nicht mehr lange laufen; gerade einmal 1.500 Meter waren es noch bis zu dem Dorf. Ich schaute hoch in den Himmel. Die Regentropfen landeten auf meinem Gesicht und auch wenn es gerade erst angefangen hatte, wurde mir sofort kälter, besonders auch durch den eisigen Wind. Regen fiel auch von den Bäumen hinab und mein  Mantel flatterte Richtung Dorf. Als würde ich in das Dorf geschoben werden.
Ich setzte meinen nächsten Schritt an, aber etwas anderes nahm meine Aufmerksamkeit in Anspruch. Eher ging ich noch ein paar Schritte zurück, um es genauer betrachten zu können. Zwischen den wehenden Bäumen und Sträuchern sah ich etwas Dunkles, was sich bewegte. Durch den nassen Knick konnte man eine erhellte Lichtung sehen, auf der sich dieses dunkelartige Wesen bewegte. Es sah nach einer Person aus, sicher war ich mir aber nicht. Etwas neugierig setzte ich meine Füße in die Richtung, ließ es aber doch schnell sein, als ich es erkannte. Eine von einem dunklen Mantel umhüllte Person stand auf einer Lichtung, die Hand nach vorne zu einem Reh ausgestreckt und sich leicht beugend, um den Reh seine Zuneigung zu zeigen. Das Reh bewegte sich auch langsam zu dieser Person hin. Das Braun des Rehs und der dunkle Ton des Mantel stachen sofort aus dem grünen Gras hervor und waren über mehrere hundert Meter noch gut zu erkennen. Die schwarzen Knopfaugen des Rehs schauten neugierig zu der Person, die ich nicht erkennen konnte.
Das Reh steckte seine Nase und die nach oben geöffnete Hand, in der wohl Futter lag. Die Person drehte sich ein bisschen zur Seite. Schwarzes Haar fiel aus der Kapuze und eine rote Nase wurden sichtbar. Das Haar war lang, ging sogar wahrscheinlich bis zum Ende der Rippen und die Augen prägten sich sofort in meinen Kopf ein, als ich sie sah. Das blau ihrer Augen war so rein und warmherzig. Diese Warmherzigkeit gegenüber dieses Tieres war schön anzusehen, aber behindern wollte ich die beiden nicht. Ich wollte es mir gar nicht vorstellen, diesen Moment kaputt zu machen, in dem ich das Tier verschrecke. Zudem lief meine Nase und fing daher auch an zu frieren, genau wie meine Fingerspitzen. Meine Zehen spürte ich unter der ständigen Anwesenheit des Regens gar nicht mehr. Seitdem ich mit dem Schiff von Kirigakure bis in den Norden von Iwagakure gefahren war, war mir kalt. Hier herrschte ein kalter Frühling voller Regen, anders als in Konoha. In Konoha fing schon langsam der Sommer an. Gerne wäre ich noch ein bisschen geblieben, aber die Hinweise auf einen verlassenen Ort der Otsutsukis hatten mich doch früher hierhin gelockt, als ich gehofft hatte. Ich hoffte, im Dorf nach Hinweisen zu finden, nachdem ich eine Nacht dort verbracht hatte.
Kurzerhand drehte ich mich um und ließ dieses Ereignis hinter mir. Auch wenn ich es hinter mir ließ, musste ich an diese Ehrlichkeit in den Augen denken. Schon kurz nach diesem Gedanken fragte ich mich, ob dieses Mädchen zu dem Dorf gehörte, in welches ich mich begab. Wenn ja, musste sie auch bald zurück, schließlich regnete es immer heftiger.
Ich ging keine fünfzehn Minuten, als ich im Dorf ankam. Der Eingang war auch Gleichzeitig der Weg zu der Einkaufsmeile, wo die Leute ihre Sachen packten und in den Laden schoben. Bücher und Klamotten waren schon ein wenig von dem Wasser bedeckt, genau wie Stühle und Tische, die noch draußen vor kleinen Cafés und Restaurants standen. Die Leuten schienen gestresst zu sein, gingen schneller, holten Regenschirme heraus und zogen ihre Kleidung enger an sich heran. Auch hier zogen die dunklen Wolken mit dem starken Regen langsam auf. Die Menschen schlossen ihre zuvor noch geöffneten Ladentüren und auch Fenster. Hier schien ein schlimmerer Sturm aufzuziehen, als ich gedacht hätte.
Auf der Suche nach einer guten Unterkunft sah ich eine Frau in der Ferne, die verzweifelt mit Blättern vor Leuten herumwedelte, aber nur auf abweisende Blicke und Kopf schütteln traf, bevor sie schnell weitergingen und sie nicht aussprechen ließen. Sie war um die Mitte vierzig oder sogar Mitte fünfzig und trug eine Brille, die ihr vor Aufregung langsam die Nase herunterrutschte. Sie sprach schnell und viel, ich konnte ihren Atem deutlich sehen, aber auch ihre Angst und Verzweiflung in den Augen. Ihre roten Locken schaukelten hin und her, als sie sich nach Leuten umsah, die sie ansprechen konnte. Blätter fielen ihr bei ihrer Eile auf den Boden, als sie weiter ging. Schnellen Schrittes rannte sie an mir vorbei und ließ dabei eines davon fallen, welches ich fing, bevor es zu Boden fiel. Es war ein Flyer, auf der eine junge Frau abgebildet war, die vermisst wird. Sie ähnelte dem Mädchen auf der Lichtung, die ich vor zwanzig Minuten dort gesehen hatte. Ob sie es aber war, konnte ich nicht mit Sicherheit sagen. Bei der Augenfarbe stand, dass sie blaue Augen haben soll und auch vielleicht auf den Namen Hana hören sollte. ‚Wieso vielleicht?', fragte ich mich.  Ich schaute in die Richtung, aus der ich kam und das Mädchen wahrscheinlich immer noch war. Dunklere Wolken als im Dorf waren dort zu sehen, höchstwahrscheinlich war dort auch noch ein stärkerer Sturm aufgezogen, der bedrohlich werden könnte. Viel dachte ich nicht darüber nach, als ich losging. Ein kleiner Sturm würde mich schon nicht umbringen und es konnte ja nicht schaden, nochmal nach der jungen Frau zu sehen.
Meine Vermutung, dass dort ein stärkerer Sturm herrschte, bestätigte sich auf meinem Weg. Ich knüpfte meinen Mantel fester zu und hielt mir meinen Unterarm vor meine Augen, um den Wind voller Tropfen von ihnen fernzuhalten. Meine Augen konnten vor Sturm und Wasser kaum sehen. Wenn ich so darüber nachdachte, wäre es verdammt nervig gewesen, wenn dieses Mädchen nicht mehr dort war und ich völlig umsonst wieder durch den Sturm in den Wald gegangen wäre. Auf dem Rückweg zum Wald ging ich auch deutlich schneller, um sie noch rechtzeitig finden zu können, was ich aber nicht tat, nachdem ich bei dem Hinweisschildern angekommen war. Die Lichtung konnte ich durch den Sturm kaum erkennen und auch als ich mich dort umsah, konnte ich sie nicht finden. Nach ein paar Minuten musste ich mich schon zurückziehen, da das Suchen unter diesen Bedingungen einfach unmöglich war. Ich fand einen alten Schrein, der nur wenige Meter hinter den ersten Bäumen stand, unter den ich mich stellen konnte.
Außer Atem zog ich meine Maske von meiner Nase und meinem Mund, die mit meinem Oberteil verbunden war, um mich zu wärmen. Ich bewegte meine Finger, um sie warm und auch mich selbst in Bewegung zu halten. Erst als ich langsam wieder zur Ruhe kam, bewegte sich etwas neben mir. Aus Reflex wich ein wenig zur Seite, doch musste feststellen, dass es nichts zum Ausweichen gab. Die gesuchte junge Frau stand direkt neben mir. Ihre Augen waren neugierig weit geöffnet und schauten zu mir herüber.
„Hast du auch einen Unterschlupf gesucht?", fragte sie mich.
Ihre Stimme war sanft und neugierig. Sie schaute wieder zurück in den Sturm und zog den Mantel näher an sich heran. Die Kapuze glitt ihr vom Kopf, als sie in den Himmel schaute und ausatmete. Ihr Atem war deutlich zu sehen, genau wie meiner. Ich nickte einfach nur kurz mit dem Kopf, auch wenn sie es nicht sah. Ich wusste nicht, was ich zu ihr sagen sollte. Ihre flüchtigen Blicke zu mir konnte ich nur so deuten, dass sie wusste, wer ich war. Vielleicht hatte mich auch mein Rin'negan verraten, womit ich sie ansah. Irgendwann ging mir das sogar ein wenig auf die Nerven.
„Warum schaust du mich die ganze Zeit so an?", fragte ich sie.
Sie drehte sich zu mir und schien überrascht zu sein.
„Tu ich das?", fragte sie mich.
Ich nickte.
„Oh", sagte sie. „Das war nicht meine Absicht. Ich hatte mich nur gewundert, dass ich hier nicht allein stehe."
„Stehst du etwa hier oft allein?"
Sie schüttelte den Kopf. „Ich war noch nie hier."
„Kommst du aus dem Dorf dahinten?", fragte ich und zeigte in die Richtung.
Sie antwortete mir aber nicht. Sie schaute einfach in die Ferne. Es wirkte so, als hätte sie meine Frage einfach ignoriert.
„Jedenfalls suchen dich dort welche", fügte ich hinzu.
„Wer sucht mich?", fragte sie.
„Ich weiß es nicht, das müsstest eher du wissen, als ich", antwortete ich.
„Ist bestimmt nicht wichtig", sagte sie. „Hier ist es gerade sehr schön, da hinten bestimmt nicht."
„Trotzdem machen sich Leute Sorgen um dich und das solltest du nicht ignorieren, sondern schätzen", sagte ich und dachte dabei an mich selbst.
„Ich weiß doch gar nicht mal, von wem du sprichst."
„Dort drüber ist es sehr schön."
„Woher weißt du das?"
„Ich war schon dort."
Begeistert schaute sie mich an.
„Gehst du um die ganze Welt?", fragte sie.
Ich nickte.
Gedankenverloren schaute sie in den dunklen Himmel. Die Stille zwischen uns wurde fortgesetzt.
„Ist dir überhaupt nicht kalt?", fragte ich. „Es herrscht ein Sturm und es ist nicht gesund, wenn wir hier solange draußen bleiben. Ich gehe zurück in das Dorf und könnte dich begleiten."
Sie schaute mich an und sagte nichts. Mir gingen die wildesten Theorien durch den Kopf, dass sie vielleicht gefangen gehalten wurde oder einfach strenge Eltern hatte, weshalb sie nicht zurück wollte, während sie mir nicht antwortete. Mehrere Minuten schwiegen wir einfach, bis der Regen weniger wurde. Ich ging ein Stück vor und schaute zu ihr, als würde ich auf sie warten. Kurz zögerte sie, kam dann aber doch zu mir. Nach nur wenigen Minuten hakte sie sich bei meinem rechten Arm ein. Sie schien etwas mit ihrem Fuß zu haben, daher ließ ich es zu.
         Auf dem Rückweg ins Dorf hatte ich mit der Frau bestimmt doppelt so lang gebraucht, um dort anzukommen, als vorhin. Die Straßen waren wieder etwas befüllter als vorhin, da sich auch dort langsam der Sturm legte. Sie grüßte die Leute fröhlich, die sie auch mit dem Namen „Hana" ansprachen, ich suchte derweil nach der Frau, die nach Hana gesucht hatte. Ich fand sie an einem Coffee Shop. Sie saß draußen am Tisch mit einem Becher, hatte die Augen geschlossen und sah verzweifelt aus. Ich blieb mit Hana vor der Frau stehen. Als sie die Augen öffnete und sie sah, sprang sie ihr um den Hals.
„Da bist du ja", sagte sie erleichtert und schaute in das fröhliche Gesicht von ihr.
Sie untersuchte Hana schnell, schaute nach Verletzungen, prüfte Fieber und die Kälte ihrer Nase, sowie Ohren.
„Mensch Kind, du bist ja eiskalt. Lass mich dich schnell zurückbringen", sagte sie besorgt.
Sie schaute zu mir.
„Danke, dass Sie mir Hana zurückgebracht haben", sagte sie und verbeugte sich. „Wo war sie denn?"
„Sie war im Schrein im Wald westlich von hier", antwortete ich.
„Ein Ast oder so hätte sie im Wald erwischen können. Sie können sich nicht vorstellen, wie dankbar ich Ihnen bin. Haben Sie schon eine Unterkunft für heute Nacht? Der Sturm wird in der Nacht wiederkehren", sagte sie.
„Nein danke, das wird nicht nötig sein", sagte ich.
„Doch, komm mit", sagte Hana.
Ohne auch nur irgendetwas zu sagen, nahm sie meinen Ärmel und zog mich hinter sich her, gefolgt von der älteren Frau. Eine Unterkunft brauchte ich schon für die Nacht, meine Bescheidenheit hinderte mich aber wieder daran. Nur weil mich Hana so sorglos hinter sich her zog, ging ich mit. Nach kurzer Zeit ließ sie mich aber los und ging vor, schaute sich die mit Regentropfen benetzten Büsche und Bäume an, die immer mehr wurden, umso weiter wir das Dorf verließen. Wir folgten einem Waldweg, der zwischen Feldern und Wäldern führte. Ihre Begeisterung für das Wasser und die Natur war nicht zu übersehen.
„Wie haben Sie es geschafft, sie mitzubekommen?", fragte mich die Frau von der Seite.
„Wie ich das geschafft habe?", fragte ich verwirrt. „Ich weiß es nicht. Sie kam einfach mit."
„Erstaunlich", sagte sie. „Hana ist ein sehr stures Mädchen und es ist sehr schwer, sie von etwas wegzubekommen, was sie fasziniert."
„Scheinbar ist sie von allem fasziniert", sagte ich ironisch, während ich sie mir anschaute.
Wie sie sich die Blätter der Bäume und das Wasser auf ihrer Hand anschaute, war nicht infrage zu stellen, dass sie schnell zu begeistern war. Als hätte sie das alles zum ersten Mal gesehen.
„Das ist sie auch. Anders ist es aber auch nicht zu erwarten, wenn man NCL hat", sagte sie.
Fragend schaute ich zu ihr.
„Was ist das?"
„NCL? Das ist so etwas wie eine Kinder-Demenz, auch Neuronale Ceroid-Lipofuszinosen genannt. Schon nach wenigen Stunden oder manchmal auch Minuten, vergisst sie alles, was sie zuvor erlebt hat. Den Regen sieht sie nicht zum ersten Mal, es kommt ihr aber so vor. Ihr Leben besteht aus Verwirrung, sobald sie etwas wiedererkennen soll."
Sofort sprang mir der Moment in Kopf, als ich von ihr wissen wollte, wer sie aus dem Dorf suchte. Da wusste sie keine Antwort.
„Erstmals entwickeln sich die Kinder normal, nehmen aber im Laufe ihrer Jahre am geisteigen Abbau zu. Es führt zu epileptischen Anfällen, Blindheit, Verlust der Sprache und später auch komplette Bettlägerigkeit. ", erklärte sie.
„Ist es heilbar?", fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf.
„Die Krankheit endet immer tödlich."
Mein Blick geriet sofort auf Hana. Es war irgendwie schwer vorstellbar, dass sie auf einmal sterben würde.
„Es ist ein Wunder, das Hana noch lebt. Normal sterben alle an NCL erkrankten Kinder im Alter von 25 bis 30 Jahren, sind bis dahin aber nicht mehr eigenständig lebensfähig. Hana ist bereits achtzehn und kann noch laufen, sprechen, sehen und sich ausdrücken. Zwar vergisst sie alles und jeden, dafür ist sie aber noch in einem perfekten Zustand. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, wann es wie ein Schlag auf sie zukommt."
Mir wurde ganz seltsam im Magen. Wenn man sein ganzes Leben mit Kämpfen und Trainieren beschäftigt war, bekam man solche Sachen gar nicht mit. Während ich gesund mein Leben leben konnte, beschwerte ich mich über die kleinsten Dinge.
„Als Therapie für sie hatten wir ihr einen Hund besorgt, der aber nie einen Namen bekam, schließlich hätte sie ihn eh wieder vergessen. Das funktionierte ein paar Jahre gut, bis er starb. Und nur wenige Minuten nach seinem Tod hatte sie ihn schon wieder vergessen. Natürlich weiß sie es jetzt auch nicht mehr, aber immerhin war die kurze Zeit schön gewesen. Es ist sehr schwer, zu ihr durchzudringen. Als würde sie in ihrer eigenen Welt leben und dort alles durchsetzen, was sie möchte."
Es tat mir für sie leid, gleichzeitig klang sie aber auch sehr anstrengend, wenn man ihr alles immer wieder erklären musste und sie immer versuchte, alles durchzusetzen.
„Wie lange passen sie schon auf sie auf?", fragte ich.
„Eine ganze Weile", sagte sie. „Seitdem sie vier ist, denke ich. Da gab es schon den ersten Verdacht und ihre Eltern brachten sie zu uns ins Heim. Also gute vierzehn Jahre."
Das Leben von Hana und von mir war so verschieden, dass ihres auf mich total surreal wirkte. Ich beschäftigte mich mit ganz anderen Dinge, als sie, trotzdem war es total interessant, mir ihres anzusehen, wobei ich niemals wollen würde, dass sie sich meins ansehen könnte. Sie sollte von den Kämpfen und Missionen nichts mitbekommen. Meine Aufmerksamkeit fokussierte sich auf Hana, als sie zu einem großen Haus rannte, dass mich ein bisschen an eine alte Burg erinnerte. Dass es so ländlich gelegen war, sah ganz nett aus. Die Fassade bestand aus grauen Steinen, wurde aber durch Efeu verschönert. Draußen standen viele Bänke und Tische, die im Sommer bestimmt viel benutzt wurden. Drinnen brannte warmes Licht und ließ mich sofort erwärmen. Hana ging in eine ganz andere Richtung als die Frau mit mir, aber das schien nicht wichtig zu sein. Andere Leuten empfingen sie und schauten verwirrt zu mir, bis die Frau neben mir den anderen den Sachverhalt erklärte. Freundlich wirkte ich auf die anderen mit meinem braunen Mantel und meinen vermummten Gesicht sicher nicht, doch durfte weitergehen. Wir kamen in einem kleinen Zimmer an, welches nur aus einem älteren Bett, einem kleinen Schreibtisch mit Stuhl und einem Fenster mit Gitter bestand. Das Zimmer wirkte ein bisschen wie ein Gefängnis auf mich, auch wenn ich schon in deutlich schlimmeren gewesen war. Trotzdem hatte es etwas Gemütliches und für eine Nacht würde es definitiv reichen. Viel Zeit, um mich dort einzurichten, hatte ich nicht, da mir die leere Kantine gezeigt wurde. Wegen der Uhrzeit war keiner mehr dort gewesen, aber es war noch etwas da, wovon ich mir einfach etwas nehmen sollte, was und wann ich es wollte. Auch am nächsten Morgen sollte ich mir Frühstück nehmen. Es klang schon eher wie eine Aufforderung als ein Angebot. Dass sie mich dort allein ließ, damit ich mir ungestört etwas nehmen konnte, schätzte ich sehr. So fühlte ich mich nicht so unter Druck gesetzt und beobachtet. Ich nahm mir ein trockenes Brot und schaute mich weiter im Anwesen um. Und wie ich es erwartet hatte, waren in dem Anwesen generell eher geistlich beeinträchtigte Menschen untergebracht. Sie hatten meist eine Begleitperson bei sich. Schnell merkte ich den Unterschied der Menschen. Die beeinträchtigten schauten mich stets mit einem Lächeln an, winkten mir sogar manchmal lieb zu und die anderen, die Begleitpersonen, hatten immer ein verachteten Blick und waren nicht daran interessiert, sich mit mir zu unterhalten oder mich auch nur zu empfangen. Ich hatte keine Ahnung, in welchen Räumen ich war und wohin ich durfte, daher wäre es schon praktisch gewesen, wenn mich jemand eingewiesen hätte. Völlig in meinen Gedanken ging ich durch den Flur und nagte an meinem Brot herum. Ein paar Meter vor mir kam mir Hana entgegen, die mich aber nicht beachtete. Erst, als ich stehen blieb, blieb sie ebenfalls verwundert stehen. Fragend neigte sie ihren Kopf zur Seite. Ich wollte etwas sagen, aber sie kam mir zuvor.
„Oh", sagte sie. „Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen", sagte sie mit einem Lächeln.
Das Blut gefror mir in den Adern und ich realisierte das erste Mal, wie fortgeschritten die Krankheit bei ihr war. So unvorstellbar, jemanden so schnell wieder zu vergessen, obwohl sie mich vor ein paar Minuten noch gesehen hatte. Kurz musste ich überlegen, was ich sagen sollte.
„Ich bin Sasuke", sagte ich. „Wir waren vorhin zusammen im Wald."
Sie wirkte verwirrt und nachdenklich.
„Wir sich auch wieder zurück ins Dorf gegangen. Wegen dem Sturm."
Meine Sätze waren abgehackt und wirr, da ich selbst nicht wusste, wie man so etwas formuliert und wie man mit solchen Leuten umging. Ich konnte mich an alles erinnern, sie nicht.
„Ja, das kann sein", erkannte sie.
Scheinbar erinnerte sie sich ganz leicht, umso mehr sie ihre Augen zusammenkniff und ihren Blick auf den Boden wandte. Freudig schaute sie mich an.
„Schön, dass du noch da bist", sagte sie lächelnd.
„Ach Hana, da bist du ja", sagte ihre Begleitperson, die um die Ecke kam. „Wir müssen doch noch dein Tagebuch schreiben."
„Das machen ich mit ihm", sagte Hana und zeigte auf mich.
Meinen Namen hatte sie bestimmt schon wieder vergessen. Und ohne mich zu fragen, ging sie einfach vor. Als hätte ich ihr zugestimmt oder sonstiges. Unschuldig schaute ich zu der Frau. Sie hob ihre Augenbrauen und stützte ihre Arme in ihre Hüfte.
„Würdest du?", fragte sie gespannt.
„Eh", brachte ich nur verwirrt heraus. „Ja."
„Das ist auch ganz einfach. Du musst nur mit ihr durchgehen, was sie am Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend gemacht hat. Das wars auch schon."
Ich nickte und ging Hana hinterher. Ihr Zimmer war in der Nähe von meinem. Dafür war ihr Zimmer mit viel Detail und Gefühl ausgestattet. Es hatte einen Vintage-Touch. Viele Pflanzen und Bilder aus früheren Tagen. Auf dem einen als kleines Kind bei ihren Eltern, später in dem Anwesen hier, in ihrem Zimmer, auf dem Baum und draußen an dem Tisch, lächelnd mit einem Tee. Eine seltsame Vorstellung, dass sie sich an keine der Ereignisse erinnern konnte. Sie saß schon auf ihrem Stuhl und hatte ein Buch vor sich liegen, dass mit Stickern von Pflanzen beklebt war. Es sah wie ein normales Teenager-Tagebuch eben aus. Nichts Besonderes. Mit ihren Fingerspitzen schob sie mir das Buch zu. Schweigend nickte sie. Ich schloss einfach daraus, dass ich es nehmen und lesen sollte, was ich auch tat. Schnell blätterte ich die Anfänge der Tage durch, um mir einen Überblick von dem zu machen, was sie am Morgen, Mittag und Nachmittag macht. Und es war immer das Gleiche. Aufstehen, duschen, frühstücken, Gedächtnistraining, , Mittagessen, Teestunde, Brettspiele, Tagebuch führen, Abendbrot. Mal ein Ausflug, aber der kam nur einmal im Monat circa vor.
‚Trostlos', war das erste, was ich dachte.
Ich klappte es zu und legte ihr die leere Seite hin.
„Was hast du heute Morgen gemacht, nachdem du aufgestanden bist?", fragte ich.
Eine Qual. Von wegen ‚einfach', wie ihre Begleitperson sagte. Wir saßen dort mehrere Stunden und versuchten ihren Alltag zusammenzukramen. Am Ende bekamen wir nur dreiviertel zusammen, manches davon war auch fast nur erraten. Meinen rauchenden Kopf ließ ich in meinen Nacken fallen. Hana schien das alles nicht so sehr zu begeistern. Sie erinnerte sich, dass sie das jeden Tag machte. Und jeden Tag war es das Gleiche. Nur kam ich in ihrem Tagebuch heute vor.
„Ich will das nicht vergessen", sagte sie traurig.
Ich sagte nichts. Es tat mir nur leid für sie, dass sie darunter litt und dass ich dagegen gar nichts unternehmen konnte. Ich würde dieses Ereignis nicht so schnell vergessen, bei ihr war es morgen schon aus dem Kopf.
„Wir müssen weitermachen", sagte ich und setzte mich wieder mit ans Buch.
„Nein, ich will nicht", sagte so trotzig.
„Du solltest aber."
„Ich weiß, dass ich sterben werde. Und ich weiß durch die Aufzeichnungen, dass ich ein langweiliges Leben führe. Und wenn ich schon sterben muss, möchte ich wenigstens etwas anderes sehen als diese langweilige Burg mit ihren langweiligen Menschen. Ich möchte die Welt sehen. So wie du möchte ich die Welt bereisen."

Ending Story *Sasuke ff *Where stories live. Discover now