Es ist die Woche, in der ich komplett ausraste und mein gesamtes Wohnzimmer zerschlage. Den Fernseher, die Tische und Stühle, das Sofa, die Wände. Ohne ein Ziel, ohne Sinn, schlage ich auf alles ein, was mir in den Weg kommt, nur um überhaupt etwas zu fühlen. Um Schmerz mit Gegenschmerz zu bekämpfen.

In der zweiten Woche kann ich weder stehen, noch sitzen, noch liegen. Ich fahre mir alle drei Sekunden mit den blutigen Händen durchs Haar und starre auf mein demoliertes Wohnzimmer um mich von dem Schmerz abzulenken den mir ihr Verlust bereit. Aber ich bin Schuld daran, dass sie gegangen ist, also bin ich auch der einzige, den ich für meine momentane Situation verantwortlich machen kann.

In der zweiten Woche hasse ich mich dafür, ihr meine Seele offenbart- und mich ihr gegenüber verletzlich gezeigt zu haben.

Es ist die Woche in der ich durchdrehe und ihr trotzdem für alles die Schuld gebe. Dafür dass ich so kaputt bin. Dafür dass sie mich erst auf Wolke sieben schweben- und dann fallen lassen hat. Und dafür dass sie sich versichert hat, dass ich diesen Fall nicht überleben werde.

Und ihr Plan ist vollends aufgegangen, hier bin ich, unter einem Haufen aus Schutt und Asche, der sich mein Leben nennt, begraben, tief drin zwischen Dunkelheit und Selbsthass.

In der zweiten Woche denke ich dass ich mir mein eigenes Grab geschaufelt habe, in dem ich mich ihr anvertraut habe.

Die dritte Woche bricht an. Es ist die Woche, in der ich endlich auch mal merke dass sie wegen mir gegangen ist, weil ich sie angelogen und verletzt habe. Ich bin derjenige, der ihr überhaupt einen Grund gegeben hat zu gehen. Meine Schuld. Alles. Ich werde so wütend auf mich, dass ich die gesamten Spiegel im ganzen Haus zerschmettere weil ich meinen Körper, meine Krankheit, meine Dummheit, mein Gesicht einfach nicht mehr sehen will.

Die dritte Woche ist die, in der ich darüber nachdenke das gleiche zu tun wie Cara. Zu gehen. Mit Danny natürlich. Nur das kann ich schlecht, da ich nicht mehr viel Zeit habe.

In der dritten Woche erinnere ich mich an den Tag, an dem ich sie schlafend in meinem Bett vorgefunden habe, weil sie durch mein Fenster eingedrungen ist. Das gesamte Geschehen spielt sich erneut in meinem Kopf ab und ich lasse es zu. Dieses Mal spüre ich das Stechen in meiner Brust. Lasse es mich auseinander reißen, bis nichts mehr von mir übrig ist, außer ein Haufen Dreck.

Da gibt es so viel das ich gerne rückgängig machen will, so viel das ich anders gemacht hätte, wenn mir jemand vorher gesagt hätte, was für ein Ende das ganze hier hat.

Ich hätte niemals die Worte ausgesprochen, die meinen Mund verlassen haben. Denn damals habe ich etwas gehabt, das mich in dieser Stadt gehalten hat. Aber ich bin zu dumm und egoistisch gewesen, um das zu verstehen.

Woche drei ist, als ich im Internet nach einem neuen zu Hause suche. Ein zu Hause ganz, ganz weit weg von London. So weit weg wie nur möglich. Ich will all die Erinnerungen an diese Horrorstadt wegschieben. All die Geschehnisse, all die Sachen, die mir widerfahren sind. Jeff, Cara, meine Mutter Jennette, meine Krankheit.

Ich will sie wegschieben, bis sie nicht mehr da sind, mit der übrig gebliebenen Vergessenheit dieses riesige Loch in meinem Herzen füllen, was eigentlich nur Cara füllen kann, sodass ich mich nicht mehr so verdammt leer fühlen muss.

Woche drei ist, als ich all das meine Vergangenheit nennen will.

In der dritten Woche zerreiße ich Cara's Foto, was ich vor langer Zeit einmal heimlich von ihr gemacht habe, als sie schon geschlafen hat und was bis jetzt immer auf meinem Nachttisch gestanden hat. Ich zerreiße es in Stücke, wie ihr Verlust auch mich in Stücke zerrissen hat.

Ich fackele den Rest des Bildes ab und lasse es in meinem Waschbecken vor sich hin kokeln, während ich auf dem Rand meiner Badewanne sitze und schweigend dabei zusehe, wie mein Engel langsam aber sicher in den Flammen des Teufels erstickt.

Die vierte Woche ist die in der ich endgültig aufhöre sie dafür zu hassen, dass sie mich im Stich gelassen hat. Als ich anfange traurig zu sein, einfach den ganzen Tag über nichts anderes tue außer an meine Zimmerdecke starren. Ich esse nichts und ich trinke nichts. Alles was ich mache ist atmen und selbst das fällt mir schwer, weil mich jede noch so kleine Bewegung oder Tat verletzt.

In der fünften Woche verbringe ich Stunden vor meinem Laptop, um meinen kaputten Verstand irgendwie abzulenken. Ich schaue mir Bilder von Landschaften an. Von Städten und Gebäuden, grünen Weiten. Vielleicht suche ich aber auch insgeheim nur nach einem richtigen Platz für mich.

Es ist die Woche, in der ich zum aller ersten Mal mein Anwesen verlasse, um mir eine Weltkarte zu kaufen, die ich über mein Bett nagele und mit roten Kreuzen bemale, die Länder markieren sollen, die ich unbedingt noch vor meinem Tod besichtigen will. Ich gehe meinen vergessenen Träumen nach.

In dieser Woche beginnen die Menschen auf der Straße alle Cara zu ähneln. Sie haben ihre Haare und ihr Lächeln, nur eben nicht mal halb so schön, wie das Original. Überall sehe ich die Farbe ihrer Augen, sodass ich voller Panik zurück in mein Haus flüchte und die Türen verbarrikadiere, weil ich nicht einsehen will, dass die Menschen für mich nur ihr Aussehen annehmen, weil ich sie so sehr vermisse und pausenlos an sie denken muss, dass es mich wahnsinnig macht.

In der sechsten Woche klingelt zum ersten Mal seit gefühlten tausend Jahren wieder mein Handy. Es ist eine schöne Abwechslung zu der Stille, die mich eingeengt und fertig gemacht hat.

In Woche sechs ruft Danny mich an, um mir mitzuteilen, dass Jeff wieder ausgerastet ist und ich nicht rechtzeitig da gewesen bin, um meinen kleinen Bruder zu schützen.

Und als ich ihn zu mir geholt und ihn aufgemuntert habe, bemerke ich zum ersten Mal wie qualvoll lang ein einziger Tag sein kann.

Man könnte annehmen dass er schnell rumgeht, dass einem die Zeit wegläuft und man kaum hinterher kommt aber so ist es nicht. Nicht wenn man einfach nur in einer Ecke seines Zimmers sitzt, auf den Boden starrt bis es hell wird und solange dort sitzen bleibt und immer, immer weiter starrt, bis es wieder dunkel wird.

In der siebten Woche raffe ich mich Danny zu liebe wieder auf und koche etwas für uns. Mein Magen fühlt sich flau und drückend an, da ich Tagelang nichts gegessen habe und mir wird schlecht, als ich die Spiegeleier in der Pfanne umdrehe, aber ich reiße mich zusammen und fabriziere am Ende doch noch etwas Essbares.

Nur durch Danny bemerke ich außerdem auch, dass ich weitere kostbare Zeit meines, viel zu kurzen Lebens einfach so vergeudet und verschwendet habe.

In der siebten Woche lege ich mich zum ersten Mal seit langem wieder zum Schlafen in mein Bett. Ich versuche zum ersten Mal überhaupt wieder zu schlafen.

Die siebte Woche vergeht langsam und schleppend, aber sie vergeht.

Die siebte Woche endet heute.

Und genau heute ruft Cara mich endlich an.

Stirb Mit MirDär berättelser lever. Upptäck nu