Kapitel 1.0

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Ich hasse diesen Planeten. Momentan hasse ich aber vor allem mich selbst. Mein Bündel klimpert zwar von den Schätzen, die ich im verbotenen Bezirk gefunden habe. Aber wenn ich hier sterbe, bringe ich meiner Mutter nur eines: Noch mehr Kummer.

Das Heulen frisst sich schrill in meinen Schädel und ich bleibe fast an der nächsten Stufe hängen. Als es endlich endet, höre ich wieder das Klackern der Krallen auf dem Holz. Dicht hinter mir. Viel zu dicht. Es ist ein Albtraum. Nur werde ich nicht erwachen. Wenn sie mich erwischen werde ich für immer schlafen.

Schweißnasse Finger reißen fast die Klinke der Tür am Ende der Treppe heraus, so heftig ziehe ich an ihr. Meine Füße trommeln über den Boden des obersten Stockwerks, mein Herz trommelt schneller. Das Holz knarrt und gibt nach und ich sehe mich schon durch den Flur brechen. Links und rechts fliegen Zimmer an mir vorbei. Darin milchig weiße Augenpaare, die das Licht meiner Lampe reflektieren. Sind das noch mehr Kreischlinge oder andere Viecher? Schlimmere?

Tränen brennen in meinen Augen.

Es geht nicht mehr weiter, vor mir befindet sich eine Eisentür. Ich zögere nur einen Augenblick, bevor ich in das Zimmer dahinter schlüpfe und die Tür hinter mir zuknalle. Mit einem viel zu leisen Klick ist sie verschlossen. Wahrscheinlich nicht sehr lange.

Meine Lampe erhellt eine weiße Gestalt und ich stolpere zurück, pralle gegen die Tür, mein Messer erhoben. Dann lasse ich es sinken. Hinter mir erzittert das Metall unter dem Ansturm der Kreischlinge, Krallen kratzen darüber und mein Herz macht einen Satz.

Zwar ist das Haus alt, aber es ist dennoch eine typische Höhler Behausung. Das Zimmer, in dem ich jetzt bin, ist sonst leer, kein Ausgang, keine Fenster. Draußen gibt es ja auch nichts zu sehen.

Ich nähere mich der "Gestalt". Ein weißes Laken, drapiert über etwas Großem.
Mit einem Ruck ziehe ich den kühlen, glatten Stoff herunter und sehe ... Mich?
Für einen Moment tritt alles andere in den Hintergrund. Auf keiner Oberfläche habe ich mich jemals so unverzerrt erkennen können.
Das Glas fühlt sich kalt an und beschlägt unter meinem Atem. Alleine dafür hätte sich diese Reise in den verbotenen -3. Bezirk schon gelohnt. Wenn ich sie nicht mit meinem Leben bezahlen müsste. Das Geräusch von splitterndem Holz erfüllt den Raum und dank der Rückwurffläche sehe ich auch, wie die Tür aus dem Rahmen bricht. Mehrere aufgerissene Mäuler voller weißer Dolche drängen herein.

Ich spüre, wie jemand mein Handgelenk packt und mich nach vorne zieht.


Blau. Unendliches blau. Und zwei Lampen, die darauf Schwimmen. Ich falle. Nein. Fliege ich? Es riecht so anders. Frisch und kühl und grün. Mir wird schlecht und ich drehe mich auf den Bauch, drücke mein Gesicht in ... Gras?

„Oh", stöhnt jemand nicht weit von mir. „Nein. Nein nein nein. Was mache ich denn jetzt? Was mache ich nur? Was habe ich mir dabei gedacht?"

Ich drehe den Kopf zur Seite und konzentriere mich auf das Wesen, das auf und ab läuft und die Hände ringt. Hände mit langen, schwarzen, scharf aussehenden Nägeln. Sein Gesicht ist dank einer weiten Kapuze und eines Schals kaum zu erkennen, aber die gelben Augen stechen hervor. Ich springe auf, Messer in der Hand. Und falle sofort wieder um.

„Oh, eine Wilde. Großartig." Er kommt näher, bleibt vor mir stehen und beugt sich etwas herab. „Kannst du mich verstehen? Woher kommst du? Du. Zu Hause. Wo? Welt? Name?"

Ich öffne den Mund und er sieht mich erwartungsvoll an. Bis ich ihm auf die polierten Stiefel kotze.


Blinzelnd öffne ich die Augen. Die Welt wird stückchenweise schärfer.

Mein Messer ist wieder in seiner Scheide an meinem Oberschenkel. Mein Bündel befindet sich neben mir.
Ich liege auf einem Mantel, der auf dem harten, spitzen Grund einer kleinen Höhle ausgebreitet wurde. Er duftet nach irgendwelchen Kräutern – Schnittlauch, vielleicht. Und säuerlich nach Schweiß. Sein Besitzer läuft neben mir erneut auf und ab. In der Dunkelheit kann ich ihn nicht genau erkennen.
In der Ferne ist die Höhlenöffnung nur ein kleiner Punkt, viel zu klein, um den Himmel oder gar die zwei Sonnen sehen zu können. Der Gedanke dreht seine Kreise in meinem Kopf. Himmel. Sonne. Dinge, die ich bis jetzt nur aus Büchern kenne. „Unglaublich", hauche ich.

Des Weltenwandlers SchicksalWhere stories live. Discover now