Prolog

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C A R O L I N E

03. Februar 2048, Kairo - Ägypten

Meine geliebte Caroline,
es ist nun schon 5 Monate her als wir uns das letzte Mal gesehen haben und ich vermisse dich schrecklich! Jeremy ist der einzige der mich hier wirklich aufheitern kann, auch wenn seine Witze immer schlechter werden. Aber du kennst ihn ja, immer heiter. Doch man merkt, dass auch er langsam dunkle Befürchtungen hegt. Wie schön wäre es jetzt bei dir zu sein... Entspannt in unserem Pavillon sitzen und einfach die Zweisamkeit und die Ruhe genießen. Was würde ich nur dafür geben bei dir zu sein...
Hier geht alles drunter und drüber. Wir leben in Zuständen, die kaum zumutbar sind, doch die Bewohner und auch die Männer bleiben tapfer, während wir auf die nächste Ration warten. Sie ist schon seit 5 Tagen überfällig. Die Zentrale meint, dass sie sich einfach nur verspätet und wollen keinen Konvoi nachschicken. Ich vermute, dass du Recht hattest ...
Vermutlich wurden die Männer überfallen.. Ach, wenn du nur hier wärst. Du wüsstest genau was zu tun wäre und würdest mir aus dieser misslichen Lage helfen.
Doch es kommt noch schlimmer: die Feinde werden immer stärker und das Lager immer leerer. Wir verlieren immer mehr Männer und ich meinen Mut.
Ich würde gerne zurück zu dir nach Hause, dich umarmen, dich küssen, einfach bei dir sein. Aber ich kann die Männer und Frauen, die hier leben nicht im Stich lassen. Genau das würdest du mir bestimmt sagen, oder? Aber ich habe auch eine gute Nachricht. Jeremy wurde zum Colonel befördert. Er leistet hier wirklich die beste Arbeit. Er versorgt die
Familien mit den Rationen, die für uns eigentlich gedacht waren.
Natürlich steckt dein Bruder dafür viel Kritik ein, aber er handelt richtig. Das hat er wohl von dir gelernt...
Wenn ich endlich zurück bin, werden wir sofort heiraten und die schönsten Flitterwochen erleben, so wie du es dir gewünscht hast. Wir werden das andere perfekte Leben leben, mit einer kleinen Fußballmannschaft die aus unseren Kindern besteht, wir holen uns einen Hund und bilden daraus unsere kleine Bilderbuchfamilie, deren Eltern zur Army geht. Aber nur um zwei Dinge klarzustellen: Kein einziges unserer Kinder wird unserer Berufung folgen und ich will mindestens einmal Zwillinge! Lou und Lia werden sie heißen, okay?
Pass auf dich auf!
In Liebe
Paul

Caroline legte den Brief mit einem liebevollen und zugleich belustigten Lächeln auf ihre Brust. Der Duft von Paul stieg ihr in die Nase und sie fühlte sich ihm für einen kurzen Moment ganz nah. Wie naiv Paul doch war. Eine ganze Fußballmannschaft? Sie schmunzelte bei dem Gedanken und schloss für einen Augenblick die Augen. Die Vorstellung wie Paul mit den kleinen Kindern.., ihren Kindern, im Garten spielt war einfach nur himmlisch. Ihr wurde ganz warm.
Doch Caroline wusste, dass es noch lange dauern würde bis ihr Verlobter zurückkommen würde. Immerhin war das Paar als General in der Army gefragt. Besonders in den aktuellen Krisengebieten. Caroline öffnete die Augen und betrachtete liebevoll das Bild, was mit versendet wurde. Es waren Jeremy und Paul drauf zusehen. Sie standen in ihren Uniformen, umgeben von Sand, da und grinsten in die Kamera, während sie einen Arm um die Schulter des jeweils anderen gelegt hatten.
Die beiden waren seit Paul und sie zusammenkamen erst rote Tücher für einander, doch mittlerweile sind sie dicke Freunde geworden. Das Herz der Blondine übermannte ein wohliges Gefühl. Wie sehr sie die beiden Männer vermisste. Ihr Blick wurde allmählich trauriger. Was, wenn sie ihre Jungs nicht mehr wiedersehen würde? Die Menschen die ihr am meisten bedeuteten, waren in Ägypten, mehrere tausende Kilometer von ihr entfernt und kämpften gerade für Bürger gegen einen Feind, den sie sicher nicht so schnell besiegen würden. Wenn sie sterben würden.. bei dem Gedanken sammelten sich Tränen in Carolines Augen. Sie schüttelte den Kopf und verzog ihr Gesicht schmerzvoll. Ihre Wangen nahmen eine rötliche Farbe an, während sie die heißen Tränen versuchte zu unterdrücken. An sowas durfte sie gar nicht denken.
Als sie aufstand und sich die Tränen wegwischte, schweiften ihre Gedanken wieder zu dem Bild. Sie nahm es in die Hand und klemmte es unter den leicht zerkratzten Holzrahmen ihres langen Spiegels. Sie werden sich wiedersehen, befahl Caroline sich selbst. Ihr Blick fiel durch den Spiegel auf ihre Uniform, die gebügelt an der weiß lackierten Schranktür hing. Bald würde man auch die junge Amerikanerin in ein Krisengebiet schicken, um eine weitere unnötige Schlacht anzuzetteln.
Die Welt war nicht mehr das, was sie einst gewesen war. Seit 2040 hatten einige Industriestaaten einfach begonnen in afrikanische Staaten einzufallen und die Länder nach und nach für sich zu beanspruchen. Auf dem Kontinent sind die meisten Regierungen gestürzt, wenn nicht durch andere Länder, dann durch die Einwohner selbst. Aber es ging noch weiter: Irgendwann aber, haben die Weltmächte begonnen sich untereinander zu streiten und fingen an sich ebenfalls zu bekriegen.
Auch nach all den Jahren im Dienst, konnte Caroline sich nie erklären, wie Menschen dazu imstande waren, so verbohrt und selbstsüchtig zu handeln. Ohne dabei Rücksicht auf andere zu nehmen. Viele Menschen litten unter der Machtgier und dem Stolz einiger Regierungen, dennoch interessierte es wenige Staatsoberhäupter was wirklich mit den Menschen geschah. Bei diesem Gedanken zogen sich die Augenbrauen des Generals zusammen und ihr Blut nahm hohe Temperaturen an. Diesen Egoismus konnte Caroline nie gutheißen, aber selbst als angesehener General konnte man nichts gegen die Machtausübung unternehmen. Die Verlobte beschloss noch einen kleinen nächtlichen Spaziergang zu machen, zugleich streifte sie sich ihren schwarzen Mantel über. Die kalte Luft umgab ihre Nasenspitze, als die Haustür sich schloss. Der Weg war eben, während sich kleine Risse im Asphalt abzeichneten. Hier ging es auch bald drunter und drüber. Immer mehr Menschen sprachen sich gegen die bestehende Regierung aus. Mehr Müll auf den Straßen, mehr nicht genehmigte Demonstrationen, mehr Kriminalität. Zurzeit war Caroline als Unterstützung für die regionalen Behörden eingeteilt und bekam so vieles direkt aus der Bevölkerung mit. Sie konnte es verstehen, dachte selbst ähnlich und dennoch war sie der Überzeugung, dass die Leute eine Regierung brauchten. Deshalb half sie gegen diese Verstöße vorzugehen, doch bald würde sich das ändern. Bald würde sie vermutlich wieder als Waffe eingesetzt werden. Caroline seufzte, ihr heißer Atem war in der kühlen Luft klar zu sehen. Manchmal fragte sie sich, warum sie überhaupt zur Army gegangen war. Und jedes Mal erwischte sie sich dabei, wie sie keine Antwort darauf hatte. Sie vermutete, dass es daran lag, jemanden beschützen zu können, auch wenn man sich selber dabei in Gefahr bringt. Und in genau so einer Gefahr befand Caroline sich. Aber nicht nur sie, sondern auch der Rest der Welt und ihr war klar, dass sie bald niemanden mehr schützen könnte, ohne andere zu verletzten. Denn wenn die Regierung erstmal ins Wanken käme, würde es nicht mehr lange dauern bis sie kommen würde... Caroline blieb stehen und schaute in den Nachthimmel. Ihre Wangen waren taub von der Kälte und ihre Nase ganz rot. Ihre Augen verrieten die Angst, die in ihr war. Die Angst, dass es nur noch jeden gegen jeden gäbe. Das genau das eintreten würde, was jede Regierung und auch die meisten Menschen versucht hatten abzuwenden. Ein besorgtes Seufzen verließ die trockenen Lippen der Soldatin.
Es war unabwendbar. Wenn kein Wunder passieren würde und alle wieder in Einklang leben..
..dann würde die Anarchie ganz sicher kommen.

OutlawWhere stories live. Discover now