Kapitel 5

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Als mich am nächsten Morgen die ersten Sonnenstrahlen aufwecken, wäre ich vor Schreck beinahe aus dem Bett gefallen. Marianne würde bestimmt stinkwütend sein, dass ich verschlafen habe. Ich springe auf und will gerade meine Angestelltenuniform suchen, als mir alles wieder einfällt: Der Gästeflügel, mein Auftritt, meine «Beförderung», und der Brief, wie konnte ich das nur vergessen.

Genervt stöhne ich auf und schmeisse mich zurück in das viel zu grosse Bett. Meine Arme schlage ich über mein Gesicht, um dem Sonnenlicht zu entfliehen. Gerade als ich dabei war in Selbstmitleid zu versinken, klopft es an meiner Tür.

«Herein!» Ich setzte mich gerade auf mein Bett und Milena betritt mein Zimmer. «Guten Morgen Madame. Monsieur Etienne hat nach Ihnen geschickt. Er erwartete sie in einer Stunde im Ballsaal.» Sie sieht mich herausfordernd an, doch ich kann nichts anderes tun, als mich wieder genervt auf das Bett fallen zu lassen.

«Milena, wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich vor diesem Treffen drücken kann?» «Madame, ich fürchte Sie haben keine andere Wahl. Ausserdem hat er Ihnen auch schon ein passendes Kleid schicken lassen.»

Mein lieber Herr Gesangsverein. Dieser Etienne lies aber auch nichts anbrennen. Ich habe überhaupt keine Lust mich mit Monsieur Eingebildet zu treffen, aber mir blieb nichts anderes übrig. Ansonsten könnte ich gleich wieder zurück gehen.

Das Kleid, das ich von Etienne bekommen habe, ist wirklich ein Traum. Es ist hellgelb und hat an den Ärmeln kleine, blaue eingenähte Blumen. Es ist enganliegend bis zur Taille und wird dann etwas luftiger. Seufzend betrachte ich mich im Spiegel. Zuhause habe ich auch immer solche Kleider getragen, wenn nicht sogar noch pompösere, aber hier wollte ich das eigentlich nicht. Ich war nicht hier, um ein Leben zu führen, das noch viel zu früh auf mich wartet.

Im Ballsaal erwartet mich auch schon Etienne. Seine Augen strahlen als er mich sieht und sein Blick gleitet langsam an mir herab und wieder hinauf. War es heisser geworden oder bilde ich mir das nur ein?

Nachdem er mich genug begutachtet hat kommt er langsam auf mich zu.

«Salut Isabelle. Schön bist du meinem Aufruf gefolgt. Nach gestern war ich mir da nicht so sicher.» Ich verdrehe die Augen. «Du fragst dich sicher, was ich von dir will. Das ist ganz einfach: einen Nachmittag.» Mein Blick muss wohl Bände gesprochen haben, denn Etienne grinst mich nur schelmisch an. Einen Nachmittag, war ich etwa ein Pferd, dass man mieten kann?! 

Notiz an mich selbst, wenn ich wieder zurückmusste, dafür sorgen, dass Etienne sein selbstgefälliges Grinsen verliert.

«Ich möchte gerne Zeit mit dir verbringen. Schliesslich bist du jetzt im Gastflügel untergebracht und somit mein Gast. Und der Gast sollte seinen Gastgeber kennen, und natürlich umgekehrt...also gehen wir»

Bevor ich auch nur meine Meinung zu diesem Schlamassel geben konnte wurde ich auch schon an der Hand gepackt und hinaus in den Garten gezerrt. Dort erwartet mich überraschenderweise keine schnulzige Kutsche oder sonst etwas, nein es erwartet mich genau nichts.

Es ist deine Pflicht!Where stories live. Discover now