Hanahaki- Tröstende Kamille

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»Reicht ein zweiter Blick nicht aus, damit du meine von Blüten bedeckten Tränen siehst? Ist mein Schweigen nicht genug, damit du das herzzerreißende Schlagen der Wurzeln hörst?«

~*~

Das Klingeln seines Weckers riss Jan aus dem Schlaf. Gähnend richtete er sich von dem Bett auf und setzte sich an dessen Kante, um sein Handy auf dem Nachtschrank zu erreichen und das schrille Läuten auszuschalten.

Jan wusste, dass heute ein wichtiger Tag war, auf den er aber dennoch gern verzichtet hätte. Er würde eine Ärztin besuchen, die sich auf die Hanahaki-Krankheit spezialisiert hatte und sich mit diesem Gebiet auskannte. Seine Neurologin hatte Jan diese Ärztin ans Herz gelegt, nachdem sie in einer Therapiestunde von der Krankheit erfuhr, die Jan belastete.

Sie war in demselben Ärztehaus untergebracht wie Jans Neurologin und er hatte sich immer gefragt, wer wohl diese mysteriöse Frau Brandt war, von der er keine Referenzen im Internet finden konnte und nichts weiter hatte als die wärmste Empfehlung seiner Neurologin.

Jans erster Blick jedoch galt seinen WhatsApp-Nachrichten, von denen er keine sehnsüchtiger erwartete als die von Tim. Doch er wurde enttäuscht, sein Freund hatte ihm seit ihrem Abschied gestern noch nicht zurückgeschrieben.

Reagiere ich über?

Ja natürlich machst du das!", beantwortete Gisela nun schon Jans eigene Gedanken.

Jan stand von seinem Bett auf und schmiss sein Handy auf das Kissen. Er suchte sich neue Sachen aus seinem Schrank heraus und begab sich auf den Weg in die Küche, um sich Frühstück zu machen.

Der Braunhaarige wusste, dass seine Sorgen nichts daran änderten, dass Tim ihn heute zu seiner Ärztin fuhr, wozu er sich gestern während seines Besuches bereit erklärt hatte. Natürlich war Jan dieser Vorschlag gar nicht recht gewesen, aber er würde seinen Freund schon irgendwie von der Ärztin fernhalten können. Er musste unbedingt verhindern, dass Tim erfuhr, unter welcher Krankheit Jan noch litt, neben seinem Tourette.

Kaum hatte Jan zu Ende gedacht, klingelte es auch schon an der Tür und er wusste genau, wen er gleich begrüßen würde. Sollte er ihn darauf ansprechen warum er nicht zurückgeschrieben hatte?

„Hey, na wie geht's dir?" Freudestrahlend betrat Tim die Wohnung und blickte Jan an bevor er ihn in eine feste Umarmung zog, was sein Herz etwas schneller als gewohnt schlagen ließ. „Gut soweit, meinetwegen können wir gleich losfahren."

Jan packte noch schnell sein Portemonnaie in seine Jackentasche, zog seine Schuhe an und trat aus der Tür, um sie hinter sich abzuschließen.

Die Autofahrt war nicht länger als zehn Minuten lang gewesen, dennoch fühlte sie sich an wie eine Ewigkeit und Jan hatte das Gefühl, sie mit irgendwelchen Gesprächen füllen zu müssen. Doch plötzlich war es Tim, der das Schweigen unterbrach. „Es tut mir übrigens leid, dass ich gestern nicht auf deine Nachricht antworten konnte, aber gerade als ich sie gelesen hatte ist mir mein Handy runtergefallen."

Jan war überrascht, dass Tim das Thema ansprach, obwohl seine Ausrede klar nach einer Lüge klang. Sein Handy war runtergefallen? Da hätte man sich auch etwas Besseres ausdenken können.

„Nein, alles gut. Es ist ja nicht so als hätte ich die ganze Nacht vor meinem Handy gesessen und darauf gewartet, dass du zurückschreibst." Jan versuchte so viel Ironie wie möglich in seiner Stimme mitschwingen zu lassen, um seinen Schmerz zu überspielen.

„Dann ist ja gut." Tim lächelte und damit war das Gespräche beendet, was wieder Ruhe einkehren ließ, bis Tim vor dem gewohnten Ärztehaus parkte und darauf wartete, dass sie ausstiegen, doch Jan schaute ihn nur an. „Was ist, kommst du?", fragte Tim seinen Freund.

Flowers in my lungs    |Gewitter im KopfWhere stories live. Discover now